Der Klinikarzt 2013; 42(08): 374
DOI: 10.1055/s-0033-1356510
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuer Therapiestandard – Auch ältere, multimorbide CLL-Patienten profitieren von einer CD20-Antikörpertherapie

Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. September 2013 (online)

 
 

    Nachdem die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA dem monoklonalen Antikörper Obinutuzumab im Mai dieses Jahres bereits den Status als Durchbruchtherapie zuerkannt hat, hat sie dem Wirkstoff vor Kurzem auch das beschleunigte Zulassungsverfahren zum Einsatz bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) gewährt. In den USA könnte das neue Krebsmedikament damit unter Umständen noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

    Doch nicht nur die US-amerikanischen Experten versprechen sich viel von dem neuen CD20-Antikörper. Auch Prof. Michael Hallek, Köln, stuft ihn als wichtige Neuerung ein: Obinutuzumab habe mehrere Vorteile, sagte der Leiter der Deutschen CLL-Studiengruppe. Zu erwarten sei beispielsweise eine im Vergleich zu Rituximab größere Wirksamkeit.

    Monotherapie mit Chlorambucil als Standard überholt

    Die ersten Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie CLL11, an der neu diagnostizierte, therapienaive CLL-Patienten mit einem medianen Alter von 72 Jahren und schweren Komorbiditäten teilgenommen hatten, sind die Basis dieser hohen Erwartungen. "Zwischen 70 und 80 % der Patienten hatten einen CIRS[ 1 ]-Score über 6", berichtete Hallek. "Das sind Patienten, die normalerweise aus den klinischen Studien ausgeschlossen werden, aber einen großen Teil unserer Patienten in der klinischen Praxis ausmachen."

    Aufgrund der fehlenden Daten war die Standardtherapie für diese Patienten bislang noch immer eine Behandlung mit Chlorambucil. Mit den Ergebnissen der CLL11-Studie (Phase I) wird sich dies jedoch ändern. Denn mit der zusätzlichen Gabe eines CD20-Antikörpers lässt sich bei den älteren CLL-Patienten mit Begleiterkrankungen das Behandlungsergebnis signifikant verbessern.


    #

    Hohe Ansprechraten, längeres progressionsfreies Überleben

    So sprechen auf die Kombinationstherapie aus Chlorambucil plus Rituximab 65 %, auf die Kombination mit dem neuen CD-20-Antikörper Obinutuzumab sogar 75 % der älteren, multimorbiden Patienten an, während eine Chlorambucilmonotherapie mit einer Gesamtansprechrate von nur etwa 30 % assoziiert war. Bei 22,2 % der Patienten des Obinutuzumabarms und bei 8,3 % der Patienten im Rituximabarm war sogar ein kompletter Respons zu verzeichnen. Im Kontrollarm – unter der alleinigen Chlorambuciltherapie – war dies bei keinem Patienten der Fall.

    Die Zeit bis zur Verschlechterung der Krankheitssituation konnten beide antikörperbasierten Therapieschemata im Vergleich zur Chlorambucilmonotherapie signifikant verlängern. Betrug diese Zeitspanne in den Vergleichsarmen 10,9 bzw. 10,8 Monate, verlängerte sich das progressionsfreie Überleben im Rituximabarm auf 15,8, im Obinutuzumabarm sogar auf 23 Monate, berichtete Hallek. Am beeindruckendsten ist seiner Ansicht nach jedoch, dass bei 31,1 % der Patienten, die den neuen Antikörper erhalten hatten, im peripheren Blut keine malignen Zellen mehr nachzuweisen waren.

    Trotz dieser bestechenden Studiendaten unterschieden sich die Gesamtüberlebensraten der Patienten beider Studienarme nicht. Um diesbezüglich einen Unterschied nachweisen zu können, sei das mediane Follow-up der Patienten mit 14,2 bzw. 15,2 Monaten der CLL11-Studie wahrscheinlich schlicht zu kurz gewesen, konstatierte Hallek. Einen Effekt auf das mediane Gesamtüberleben erwarte er frühestens in 2–4 Jahren.

    Noch in diesem Jahr dagegen werden die Ergebnisse zum direkten "Head-to-Head"-Vergleich der beiden Kombinationstherapien vorliegen. Erst damit werde sich der Trend der höheren Effektivität von Obinutuzumab, der sich im indirekten Vergleich beider CD20-Antikörper abzeichnet, verifizieren lassen, erwartet der Onkologe.


    #

    Akzeptables Nebenwirkungsprofil

    Bezüglich der potenziellen Nebenwirkungen der Behandlung gebe es 2 wichtige Dinge festzuhalten, meinte Hallek. "Beide Antikörper induzieren mehr Nebenwirkungen als die alleinige Chemotherapie mit Chlorambucil, wobei dies bei Rituximab etwas weniger stark ausgeprägt ist als unter Obinutuzumab." So entwickeln 34,2 % der Patienten, die Obinutuzumab erhalten, eine Neutropenie vom Grad 3 oder höher, während dies unter Rituximab nur bei 25,3 % der Patienten der Fall ist. Dies sei aber nicht mit einer höheren Rate schwerer Infektionen assoziiert, betonte Hallek. "Im Gegenteil: Infektionen scheinen sogar seltener aufzutreten, und zwar deshalb, weil die Behandlung mit Obinutuzumab effektiver ist."

    Darüber hinaus vermittelt der neue CD-20-Antiköper aufgrund seiner extrem starken Wirkung deutlich mehr infusionsabhängige Nebenwirkungen. Bereits innerhalb eines Tages verschwinden bei vielen Patienten die Leukämiezellen komplett aus dem Blut. Dieser schnelle Zerfall der Zellen setzt eine große Menge an Hormonen und Botenstoffen frei. "Dieses sogenannte Zytokin-Freisetzungs-Syndrom kann sehr heftig sein!"

    Fast alle infusionsbedingten Nebenwirkungen sind insbesondere am ersten Tag des ersten Zyklus der Behandlung zu beobachten. Sind die Leukämiezellen jedoch eliminiert, fallen auch diese unerwünschten Wirkungen weg. Bei späteren Gaben des CD20-Antikörpers treten sie nur noch extrem selten auf. "Ich sehe da kein Problem auf uns zukommen. Bereits im Verlauf der Studie haben wir immer besser gelernt, mit dieser Situation umzugehen", sagte Hallek. Schon kleine Tricks, wie die vorherige Gabe einer Chemotherapie, mildern diese unerwünschten Reaktionen.

    Stephanie Schikora, Stuttgart

    Quelle: Pressekonferenz "Aktuelles vom amerikanischen Krebskongress 2013" am 12.06.2013 in Bonn. Veranstalter: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen.


    #
    #

    1 Cumulative Illness Rating Score