Dialyse aktuell 2013; 17(07): 346-349
DOI: 10.1055/s-0033-1354790
Fachgesellschaften
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP)

Senkung der Wochenpauschale: Was kommt auf die nephrologische Pflege zu?
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Publication Date:
10 September 2013 (online)

 
 

"Mehr Pflegeaufwand, weniger Mittel: Der nephrologische Pflegeberuf in der Kostenfalle" hieß der Artikel der Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege in Dialyse aktuell 4/2013. Was hat sich seither getan? Mittlerweile ist die erste Senkung der Wochenpauschale am 1. Juli 2013 in Kraft getreten.

Was bedeutet die Senkung der Wochenpauschale für das Dialysepersonal konkret? Ist die nephrologische Pflege jetzt nur noch auf die traditionelle pathophysiologische und medizinisch-technische Versorgung beschränkt? Nephrologische Fachpflege leistet täglich viel mehr, das hat die BANP in ihren Publikationen mehrfach beschrieben [ 1 ], [ 2 ].

Können sich die Betreiber der Dialyseeinrichtungen künftig die nephrologische Fachpflegeweiterbildung und die fachweitergebildeten Pflegekräfte nicht mehr leisten? 42 % der in der nephrologischen Pflege Beschäftigten scheiden in den nächsten 10 Jahren altersbedingt aus dem Beruf aus. Diese Gruppe hat zum größten Teil die nephrologische Fachweiterbildung und die Pionierarbeit bei der Professionalisierung dieser Fachrichtung geleistet. Dieses enorme Wissen und die langjährige Erfahrung sind dann verloren. Ist die künftige Versorgung der Menschen mit einer dialysepflichtigen Erkrankung ohne qualifizierte pflegerische Versorgung möglich? Oder kann die Senkung der Wochenpauschale auch eine Chance sein, über den effektiven Einsatz des multidisziplinären Teams nachzudenken?

Wesentliche Änderungen ab 1. Juli

Dies sind die wesentlichen Änderungen ab 1. Juli 2013 im Überblick:

  • mengenbezogene Abstufung der Wochen- und Einzelpauschalen: Die Dialysewochen- und -einzelpauschalen werden abgesenkt und in 4 Preisstufen eingeteilt. Diese 4 Preisstufen richten sich nach der Menge der abrechneten Dialysewochen (Tab. [ 1 ]).

  • bessere Vergütung der Grundpauschalen und ärztlichen Leistungen: Im Gegenzug werden die Grundpauschalen und ärztlichen Betreuungsleistungen besser vergütet – extrabudgetär ohne Mengenbegrenzung und zu festen Preisen.

  • Erweiterung des Patientenkreises: Der Patientenkreis für die Betreuung chronisch niereninsuffizienter Patienten wird erweitert. Hier geht es vor allem um die Prävention. So ist die Behandlung niereninsuffizienter Patienten künftig bereits ab einer glomerulären Filtrationsrate von unter 40 ml/min/1,73 m2 Körperoberfläche abrechnungsfähig [ 3 ].

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Tab- 1 Mengenbezogene Abstufung der Wochen- und Einzelpauschalen.

Wichtige Punkte zu den Dialysepauschalen nach Abschnitt 40.14 der EBM (für Patienten ab 18 Jahren) sind:

  • Für Peritonealdialysen und Heimhämodialysen werden eigene Kostenpauschalen aufgenommen.

  • Die Kostenpauschalen sind jetzt für alle Altersklassen einheitlich.

  • Für Patienten ab dem vollendeten 59. Lebensjahr gibt es nach Alter gestaffelte Zuschläge. Ab dem 60. Lebensjahr 10 Euro, ab dem 70. Lebensjahr 20 Euro und ab dem 80. Lebensjahr 30 Euro Zuschlag pro Woche.

  • Bei den Kostenpauschalen wird nicht mehr nach Patienten mit oder ohne Diabetes unterschieden.

  • Für die Zentrums- bzw. Praxisdialyse und die zentralisierte Heimdialyse werden die Kostenpauschalen abhängig von der Anzahl der Dialysewochen der Betriebsstätte/Nebenbetriebsstätte im Quartal mit abgestaffelten Preisen bewertet.

Nach einer Überprüfung des Bewertungsausschusses Mitte nächsten Jahres sind weitere Änderungen bzw. Senkungen ab 1. Januar 2015 angekündigt. Sie wird laut Beschluss aber nur dann umgesetzt werden, wenn zukünftig eine kostendeckende Durchführung der Dialyse gewährleistet ist [ 3 ].


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Finanzielle Aspekte

Aus der Absenkung der Sachkostenpauschalen ergibt sich ein Einsparvolumen von etwa 100 Millionen Euro jährlich. Es soll für Verbesserungen der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehen. Durch die extrabudgetäre Vergütung der Grundpauschalen und ärztlichen Betreuungsleistungen sowie die Erweiterung des Patientenkreises fließen aber bundesweit bereits etwa 20 Millionen Euro jährlich an die Nephrologen zurück. Insgesamt ergibt sich bei der Absenkung ein Verlust von 4,1 % für die Dialysebetreiber. Vom Einsparvolumen werden zudem 20 Millionen Euro zur Finanzierung der geplanten Pauschale für die fachärztliche Grundversorgung verwendet [ 3 ].

Es ist sicher, dass das Nierenersatzverfahren viel Geld kostet. Sicher ist auch, dass durch diese Art der Vergütung der ambulante nephrologische Gesundheitszweig erst entstehen konnte. Was allerdings eine Dialysebehandlung wirklich kostet, wurde noch nie eindeutig transparent gemacht. Die Wochenpauschale beinhaltet Sach- und Dienstleistungen und muss den betriebswirtschaftlichen Einsatz der Betreiber wie Personal, Technik/Material und Verwaltung decken. Da die fixen Kosten für Strom, Wasser, Mieten usw. ja bekanntlich gewachsen sind, musste schon in den letzten Jahren zwangsläufig an den Personalkosten gespart werden.

Das heißt, die Behandlungszahlen pro Pflegekraft erhöhten sich, und gleichzeitig wurden die beruflichen Qualifikationen teilweise reduziert. Gesetzliche Regelungen für die Höhe und Qualifikation des Personaleinsatzes in den Dialyseeinrichtungen gibt es bis heute nicht. Dabei könnte es für alle Dialyseanbieter hilfreich sein, hier klare Richtlinien zu haben. Lediglich die gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsparameter sichern noch die medizinische Qualität, die Qualität der pflegerischen Versorgung wird nicht erfasst.


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Auswirkungen auf die Dialyseeinrichtungen

Diese Einsparungen haben zu großen Verunsicherungen und bei den Betreibern der Dialyseeinrichtungen zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Bei einem Teil der Betreiber kam es nach der Einführung der Wochenpauschale zu Entlassungen im pflegerischen Bereich, zu Veränderungen der Dienstzeiten, zu Veränderungen der Patienten-Pflege-Schlüssel, zu vermehrtem Einsatz von nicht pflegerischen Berufsgruppen, zu Verkürzungen der Dialysezeiten usw. Andere Betreiber hielten an der bestehenden Versorgungs- und Behandlungsqualität fest. Das wirft die Frage auf, warum so unterschiedlich reagiert wurde?


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Reaktion der Verbände

Im März 2013 trafen sich die Ärzteverbände DGfN e. V. und DN e. V. und die Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP) in Frankfurt, um ein weiteres gemeinsames Vorgehen zu besprechen. Man einigte sich auf gemeinsame Stellungnahmen, Presseaufritte und die Gründung eines Arbeitskreises, der sich mit der zukünftigen Personalbesetzung der Dialyseeinrichtungen auseinandersetzen soll. Ein erstes Treffen dieses Arbeitskreises fand im April in Berlin statt. Die Mitglieder des Arbeitskreises sind Prof. Christiane M. Erley, DGfN e. V., Prof. Gerhard Lonnemann, DN e. V., und für die BANP Marion Bundschu, AfnP e. V., und Kerstin Gerpheide, fnb e. V.

Es wurden verschiedene Personalschlüssel und Qualifikationsmerkmale besprochen und diskutiert. Der pflegerische Aufwand bei den Dialysebehandlungen muss dringend beschrieben und damit die Kosten für den Personalaufwand transparent gemacht werden. Unterschieden werden sollen die sogenannte Standarddialyse und die "Dialysekomplexbehandlung" mit einer umfassenden Behandlungspauschale für alle pflegerischen Betreuungsleistungen in der Versorgung von polymorbiden Dialysepatienten. Letztere beinhaltet neben der reinen Vorbereitung und Durchführung einer Dialysebehandlung, unter anderem eine intensive, ganzheitliche Patientenbetreuung mit Krankenbeobachtung, die Medikationsüberwachung, die Beratung für Familien und Angehörigen, die Wundversorgung, Diätberatung und eine Sekundärprävention.

Somit soll der Betreuungsschlüssel neu festgelegt werden, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Multimorbidität der Patienten und unter Einbeziehung des räumlichen Bedarfs (Stichwort: erhöhte Isolationsmaßnahmen). Diskutiert wurde ein Personalmix von Fachpflegekräften, examinierten Pflegekräften mit nephrologischer Einarbeitung und medizinischen Assistenzberufen mit Curriculum Dialyse von jeweils einem Drittel mit unterschiedlicher Aufgabenverteilung und Verantwortung im Team. Eine andere Variante war, die Fachpflege durch Übernahme begrenzter organisatorischer, ggf. auch medizinischer Tätigkeiten (Medikationsüberwachung, ggf. in vorgeschriebenem Rahmen auch Medikationsdosierung) aufzuwerten und ein Verhältnis von 20 %/30 %/50 % bezüglich der oben genannten Fachgruppen in den Praxen zu implementieren. Die Fachpflege soll entsprechend fortgebildet werden.

Die Forderung der BANP zu diesem Thema ist eine Verteilung im Team von 51 % fachweitergebildetem Pflegepersonal, 25 % examiniertem Pflegepersonal mit nephrologischer Einarbeitung und 24 % fortgebildeten medizinischen Assistenzberufen mit Curriculum Dialyse [ 4 ]. Ein weiteres Treffen des Arbeitskreises ist im Herbst geplant. Hier wird es eine Menge Arbeit für die Gruppe geben.

Immer mehr Medien greifen das Thema auf, und es bleibt abzuwarten, ob im Jahr der Wahl auch die Politik ein offenes Ohr für die Belange der nephrologischen Pflege haben wird. Erste Teilnahmen von Vertretern der verschiedenen Verbände an Sitzungen und Podiumsdiskussionen lassen hoffen.


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Auswirkungen auf die Versorgungsqualität

Bei der Tagung der Arbeitskreise des Pa- tientenverbandes BN e. V. in Mainz wurde auf einer Podiumsdiskussion über die Auswirkungen in den Dialyseeinrichtungen geredet. Die Patienten berichteten, dass die Betreiber der Dialyseeinrichtungen wie oben beschrieben sehr unterschiedlich reagieren. Von Kürzungen beim Essen über Entlassung des Pflegepersonals, dem Einsatz von noch billigerem Material bis zur Kürzung der Dialysezeiten war alles dabei. Fazit: Die Patienten haben Angst vor weiteren Einschränkungen und um ihre Sicherheit bei der Behandlung. Ist diese Angst berechtigt?

Der Bewertungsausschuss hat Mitte 2014 angekündigt, die Auswirkungen zu überprüfen und nur dann zur zweiten Absenkung zu schreiten, wenn es keine Einschränkungen in der Behandlungs- und Versorgungsqualität gegeben hat. Welche Kriterien sollen aber dazu herangezogen werden? Bilanzen der Betreiber wird es zum Zeitpunkt der angekündigten Überprüfung des Bewertungsausschusses noch nicht geben, und die Parameter der Qualitätssicherungsrichtlinie sagen nichts über eine sichere, pflegerisch hochwertige und patientenorientierte Behandlung aus.

Wenn ein Betreiber sich entschließt, die Dialysezeit von 6–8 h auf 4 h zu kürzen, handelt er immer noch im rechtlichen Rahmen. Welche gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen diese Kürzung auf einen noch berufstätigen Dialysepatienten hat, möchte man sich nicht ausmalen.

Wie geht man also weiter vor? Neben den oben geschilderten Protesten und Diskussionen haben sich die BANP und der Patientenverband darauf geeinigt, die Dialysepatienten und das Dialysepersonal aufzufordern, die aktuellen Maßnahmen in den Einrichtungen zu melden. So kann man bis zum Zeitpunkt der Überprüfung des Bewertungsausschusses Daten, Zahlen und Fakten sammeln, um sie dann vorzulegen. Deshalb beantworten Sie unsere Fragen am Ende dieses Artikels. Damit helfen Sie aktiv mit!


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Bedeutet Kürzung auch zwangsläufig Qualitätsverlust?

Bisher konnte die Qualität in den Einrichtungen trotz gestiegener Kosten stabil gehalten werden. Dass sich das Qualitätssicherungssystem bisher bewährt hat und unsere Dialysepatienten eine hohe Lebensqualität und eine bessere Prognose als ihre Schicksalsgenossen in vielen anderen Ländern wie etwa den USA oder Großbritannien haben, sah Prof. Reinhard Brunkhorst, Hannover, auf der Pressekonferenz in Wiesbaden allerdings jetzt gefährdet [ 5 ].

Doch was geschieht jetzt weiter? Neben all den geschilderten Aktivitäten sind die Pflegeverbände der Meinung, dass sich alle beteiligten Gruppen schnellstmöglich wieder zusammensetzen sollten und konstruktiv mit Hilfe einer transparenten Kostenanalyse über den effektiven Einsatz des multidisziplinären Dialysepersonals trotz der gesenkten Sachkosten- und Dienstleistungspauschale diskutieren sollten. Die Senkung der Wochenpauschale muss nicht zwangsläufig zum Qualitätsverlust führen. Vielmehr sind der vernünftige und gezielte Einsatz von qualifiziertem Personal und gleichzeitig der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen und Materialien angezeigt.

Ansätze hierzu schildert Thomas Fernsebner in der 4. Ausgabe des Gambro Newsletters "Ungefiltert": "Die Einsparungen sind dennoch in der geplanten Höhe mit gezielter Effizienz- und Qualitätsanalyse aufzufangen und bergen die Chance, dass moderne Strukturen geschaffen werden, die eine Sicherung/Steigerung der Behandlungsqualität sowie Personalzufriedenheit möglich machen" [ 6 ]. In diesem Sinne hofft die nephrologische Pflege in Deutschland, dass in dieser Krise eine Chance steckt, gemeinsam mit allen betroffenen Fachverbänden, einen guten und zufriedenstellenden Weg für alle Beteiligten zu finden.

Im Auftrag der BANP
Kerstin Gerpheide, München

Aufruf

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir wissen, dass in den meisten Dialyseeinrichtungen große Unruhe herrscht. Vielleicht haben sich auch schon Veränderungen und Maßnahmen nach der Senkung der Wochenpauschale in Ihren Zentren ergeben. Wie in dem Artikel beschrieben, brauchen wir jetzt Ihre Mithilfe, damit wir dem Bewertungsausschuss möglichst viele Auswirkungen berichten können. Damit erhöhen wir die Chance, dass die zweite Absenkung nicht kommt. Ihre Angabe und Adressen werden vertraulich behandelt und dienen nur der Datensammlung. Bitte beantworten Sie die unteren Fragen und schicken Sie sie an kerstin.gerpheide@nephro-fachverband.de oder m.bundschu@afnp.de:

  1. Gibt es Auswirkungen der Wochenpauschale an Ihrem Arbeitsplatz? Bitte beschreiben Sie diese Auswirkungen möglichst genau. Auch Maßnahmen, die schon vor der tatsächlichen Umsetzung der Kürzung eingeleitet wurden, können gemeldet werden.

  2. Wurde/wird dadurch nach Ihrer Meinung die Sicherheit der Patienten gefährdet?

  3. Wie sind die Qualifikationen des Dialysepersonals in Ihrer Einrichtung verteilt? Hat sich etwas verändert? Geben Sie die Verteilung in Prozent an, z. B. 30 % FKN/20 % KP/20 % AHD/20 % AH/10 % HP (FKN: Fachpflege, KP: Krankenpflege, AHD: Arzthelferin Dialyse, AH: Arzthelferin, HP: Hilfspersonal)

  4. Welche Aufgaben übernehmen AH bzw. AHD oder HP?

  5. Wie ist der Betreuungsschlüssel in Ihrer Einrichtung?

    • Wie viele Patienten betreuen Sie pro Schicht?

    • Haben Sie Hilfe bei der Vorbereitung, Nachbereitung und patientenfernen Tätigkeiten?

  6. Anonyme Angaben zur Person: Alter, Geschlecht, Bundesland, Qualifikation und Einrichtung (privat, gemeinnützig, Industrie)

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Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege
Arbeitsgemeinschaft der AfnP e.V. und des fnb e.V.
E-Mail: info@banp.de, Internet: www.banp.de
Vertretungsberechtigter Vorstand:

  • Marion Bundschu

  • Kerstin Gerpheide

  • Jürgen Berner

  • Hans-Martin Schröder


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Tab- 1 Mengenbezogene Abstufung der Wochen- und Einzelpauschalen.
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