Der Klinikarzt 2013; 42(05/06): 256-257
DOI: 10.1055/s-0033-1349962
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Akute Herzinsuffizienz – Symptomatik und Prognose verbessern – Handlungsbedarf für eine neue Therapie

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Publication Date:
24 June 2013 (online)

 
 

Die Prognose von Patienten mit akuter Herzinsuffizienz ist schlecht. Hohe Mortalitäts- und Rehospitalisierungsraten kennzeichnen das Krankheitsbild. Wichtig ist eine Therapie, die an den pathophysiologisch entscheidenden Mechanismen ansetzt. Aber zahlreiche neuere Medikamente konnten bislang die Hoffnung auf eine wirksame Behandlung nicht erfüllen.

Patienten, die wegen akuter Herzinsuffizienz stationär aufgenommen werden, befinden sich in einer lebensbedrohlichen Situation, die mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden ist: Über 10 % versterben bereits innerhalb der ersten 30 Tage, etwa ein Viertel innerhalb eines Jahres [ 1 ], [ 2 ]. Die Fünf-Jahres-Mortalitätsrate liegt bei etwa 50 % [ 3 ].

Die akute Herzinsuffizienz entsteht in etwa zwei Drittel der Fälle durch Dekompensation einer chronischen Herzinsuffizienz, eine De-novo-Herzinsuffizienz tritt meist im Zusammenhang mit einem Myokardinfarkt oder einer Myokarditis auf.

2011 lag die weltweite Zahl der Episoden akuter Herzinsuffizienz bei 4,3 Millionen Patienten – für 2019 wird ein Anstieg dieser Episoden auf 5,4 Millionen erwartet [ 3 ]. Auch die Auswirkung auf das Gesundheitssystem sind massiv: So verursacht die Behandlung der akuten Herzinsuffizienz 2 % aller Kosten im Gesundheitssystem [ 4 ].

Kernsymptom Dyspnoe

Patienten beschreiben ihre dramatische Situation nicht selten mit den Worten "lebendiges Ertrinken". Prof. Stephan Felix, Greifswald, betonte, dass Dyspnoe das führende Symptom darstelle. Weitere häufige Symptome sind pulmonale Rasselgeräusche sowie periphere Ödeme an Knöchel und Unterschenkel. Zur Stauungssymptomatik zählen zudem erhöhter zentraler Venendruck sowie die Verschlechterung der Nierenfunktion.

Pathophysiologisch resultiert aus der linksventrikulären Dysfunktion eine "systemische Kongestion", die auch mit einem erhöhten venösen Druck der renalen Gefäße einhergeht. Zusätzlich führen sympathoadrenerge Gegenregulation und die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems zur Konstriktion des Vas afferens. Eine Einschränkung der Nierenfunktion erhöht die Mortalität der Patienten – allerdings nicht als unabhängiger Prognosefaktor, sondern in Zusammenhang mit einer persistierenden Kongestion [ 5 ]. Aufgrund dieser Vielzahl an Symptomen und Auswirkungen ist die akute Herzinsuffizienz eine pathophysiologisch komplexe Situation.


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Gefährliche Abwärtsspirale

"Jede kardiale Dekompensation führt zu einer Zunahme des Wall-Stresses und damit zu einer reversiblen oder irreversiblen Schädigung der Kardiomyozyten", so Felix. Er verwies auf die Hypothese von Gheorghiade et al., nach der mit jeder erneuten Hospitalisierung aufgrund einer dekompensierten Herzinsuffizienz eine weitere Verschlechterung kardialer und/oder renaler Funktionen einhergeht (Abb. [ 1 ]) [ 6 ].

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Abb. 1 Hypothese: Mit jeder Hospitalisierung kommt es zu einer kardialen und/oder renalen Schädigung (nach [ 6 ]).

Laut Felix ist das Risiko für eine erneute Dekompensation und damit für eine weitere Verschlechterung hoch: "Die 30-Tage-Rehospitalisierungsrate liegt in den USA bei 20–25 %."

Die komplexe Pathophysiologie mit teils unspezifischer Symptomatik kann zusätzlich die Diagnose erschweren und ein rechtzeitiges Einleiten der Behandlung verzögern. Die hämodynamischen Veränderungen, die mit der Erkrankung einhergehen, bleiben häufig auch nach einem Krankenhausaufenthalt bestehen.


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Diagnose-Parameter im Blick

Um bereits die Diagnose der akuten Herzinsuffizienz zu verbessern, konzentriert sich die Wissenschaft auf verschiedene diagnostische Parameter. Je nach Pumpfunktion des Herzens unterscheiden sich die Überlebenschancen der Patienten. Prof. Norbert Frey, Kiel, verwies auf eine Studie, bei der Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) von weniger als 35 % die schlechteste Prognose hatten: Nur knapp 60 % überlebten innerhalb der Beobachtungszeit von über einem Jahr. Besser schnitten Patienten mit einer LVEF zwischen 35–50 % und Überlebensraten von rund 75 % ab. Die beste Prognose – bei gleicher Symptomatik – hatte die Patientengruppe mit einer Ejektionsfraktion von über 50 % und vermutlich "nur" einer diastolischen Herzinsuffizienz, so Frey. Ihre Überlebensrate lag im Bereich von 85 % [ 7 ].


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Blutdruck zur Risikostratifikation

Als wichtigen prognostischen Marker nannte Frey den systolischen Blutdruck. "Wenn Sie nach dem Blutdruck stratifizieren, dann können Sie schon eindrucksvoll Patienten mit guter und schlechter Prognose unterscheiden." So zeigten Patienten mit systolischem Blutdruck über 140 mmHg bei einer Sterberate von unter 2 % während des Klinikaufenthalts eine "vergleichsweise exzellente Prognose". Dagegen wurde die Mortalität bei systolischem Blutdruck von 90–140 mmHg bereits mit 8–10 % angegeben. Lag der systolische Blutdruck bei höchstens 90 mmHg, verstarben mehr als 15 % der Patienten; im Falle eines kardiogenen Schock sogar über 30 % [ 8 ].


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Neue Biomarker vorgestellt

Dass die Konzentration des Brain Natriuretic Peptide (BNP) mit dem Grad der Herzinsuffizienz ansteigt, ist bekannt. Dieses Peptid, so Frey, biete einen Zusatznutzen zur Differenzialdiagnose der Dyspnoe und zur Klassifikation der Erkrankung.

Troponin, üblicherweise in der Diagnostik des Myokardinfarkts eingesetzt, hat auch als Herzinsuffizienzmarker eine wichtige Bedeutung. "Mehrere Studien zeigen, dass gerade im sehr niedrigen Bereich eine enge Korrelation von Troponinspiegeln und der Prognose der Patienten besteht." In einer Studie konnten Autoren bei einem Cut-off-Wert von 23,25 ng/l des hochsensitiven Troponin I klar zwischen Patienten mit günstiger oder schlechter Prognose differenzieren (Abb. [ 2 ]) [ 9 ]. "Dies ist ein weiterer Marker, mit dem möglicherweise Patienten identifiziert werden, die wir besonders vorsichtig beobachten und nicht zu früh entlassen sollten."

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Abb. 2 Signifikant höheres Risiko für Tod oder stationäre Wiederaufnahme bei Troponin-I-Werten oberhalb des Cut-off-Wertes von 23,25 ng/l (nach [ 9 ]).

Seine eigene Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass die Konzentration des Glykoproteins Osteopontin signifikant mit der Mortalität assoziiert ist. Die Kombination von Osteopontin- und BNP-Werten ermöglichte eine sehr genaue Differenzierung der Überlebenswahrscheinlichkeiten [ 10 ].

Aktuell sind Mikro-RNAs, kleine RNA-Abschnitte, die bei der Genregulation eine wichtige Rolle spielen, in der Forschung von hohem Interesse. Sie kommen nicht nur intrazellulär vor, sondern sind auch im Serum nachweisbar. Erste Mikro-RNAs, beispielsweise miR-499, die bei akuter Herzinsuffizienz erhöht sind, konnten bereits identifiziert werden. "Vielleicht”, so Frey, "sind in Zukunft Mikro-RNA-Panels verfügbar, mit denen nicht nur prognostische, sondern auch differenzialdiagnostische Aussagen möglich sind.”


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Behandlung seit Jahrzehnten unverändert

Nicht nur die Diagnostik beeinflusst maßgeblich die Aussichten der Patienten – ebenfalls entscheidend sind effektive Behandlungsoptionen. Doch trotz der schlechten Prognose und der zunehmenden Inzidenz gab es in den vergangenen Jahrzehnten keine entscheidenden Verbesserungen bei der Therapie. Prof. Karl Werdan, Halle/Saale, verwies auf die aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology. Standard ist die Gabe von Schleifendiuretika im Bolus sowie Sauerstoff bei Hypoxie und ggf. Opiaten bei ausgeprägten Angst- oder Stresszuständen. Liegt der systolische Blutdruck über 110 mmHg, kann die Gabe von Vasodilatatoren (Nitraten) erfolgen, nur bei hypotonen Patienten (< 85 mmHg) ist der Einsatz nicht vasodilatierender inotroper Substanzen zu diskutieren [ 11 ].

Bei der Frage, wie gut die Wirksamkeit der Substanzen gesichert sei, müsse man jedoch starke Abstriche machen, so Werdan. Die Sterblichkeit der Patienten korreliert mit der eingesetzten Medikation. So lag die Mortalitätsrate unter kombiniertem Einsatz von Diuretika und Nitraten bei 8 %; wenn der Einsatz von Doputamin/Dopamin bzw. Adrenalin/Noradrenalin notwendig wurde, lag die Mortalität jedoch um den Faktor 1,5 bzw. 2,5 höher. [ 12 ].


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Neue Therapieoptionen dringend notwendig

Um die Prognose der Patienten zu verbessern, besteht dringender Handlungsbedarf. Neue Therapien sollten nicht nur die Symptomatik, sondern auch die zugrunde liegenden Pathomechanismen verändern. Die wichtigsten Ziele sind die Verminderung von Mortalitätsraten und die Reduktion weiterer Organschäden. Damit verbunden sind auch geringere Rehospitalisierungsraten und eine Verkürzung der stationären Aufenthaltsdauer.

Eine Reihe von neueren Substanzen wurde in großen klinischen Studien getestet. Dazu zählten Nesiritide (ASCEND-HF), Rolofyllin (PROTECT) und Tolvaptan (EVEREST). Die Projekte sind jedoch gescheitert: "Diese modernen Vasodilatatoren im weitesten Sinn", so Werdan, "zeigten keine günstigen Wirkungen auf die harten prognostischen Parameter."

Allerdings befindet sich derzeit eine neue Substanz mit einer Phase-III-Studie in klinischer Erprobung.

Quelle: Symposium "Akute Herzinsuffizienz – ein unterschätztes Syndrom", anlässlich der 79. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, am 6. April 2013 in Mannheim. Veranstalter: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

Der Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.


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Abb. 1 Hypothese: Mit jeder Hospitalisierung kommt es zu einer kardialen und/oder renalen Schädigung (nach [ 6 ]).
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Abb. 2 Signifikant höheres Risiko für Tod oder stationäre Wiederaufnahme bei Troponin-I-Werten oberhalb des Cut-off-Wertes von 23,25 ng/l (nach [ 9 ]).