ergopraxis 2013; 6(05): 14-16
DOI: 10.1055/s-0033-1347276
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Mai 2013 (online)

 

Hirnforschung – Männer und Frauen verarbeiten anders

Frauen neigen eher als Männer dazu, sich negative Informationen über sich zu merken und in ihr Selbstkonzept zu übernehmen. Zu diesem Schluss kommen der Ergotherapeut Reiko Miyamoto und der Gesundheitswissenschaftler Yoshiaki Kikuchi von der Tokyo Metropolitan University in Japan.

Die Forscher untersuchten die Hirnaktivitäten von 14 männlichen und 12 weiblichen Studenten, die zwischen 18 und 23 Jahre alt waren. Zunächst schätzten die Teilnehmer ihr Selbstwertgefühl mit der Rosenberg-Skala ein. Während einer anschließenden Magnetresonanztomografie führten sie den Implicit Association Test (IAT) durch. Dazu erhielten sie die Aufgabe, bestimmte Reize als positiv oder negativ zu bewerten und sich oder anderen zuzuordnen. Anschließend beurteilten sie ihre Persönlichkeit mittels NEO Five-Factor Inventory. Den Ergebnissen zufolge schätzten die männlichen und weiblichen Teilnehmer ihr Selbstwertgefühl ähnlich ein und erreichten auch im IAT vergleichbare Resultate. Allerdings unterschied sich ihre Gehirnaktivität deutlich voneinander, als sie sich einen Reiz selbst zuordnen und als negativ bewerten sollten. Frauen aktivierten in diesen Momenten häufiger den ventromedialen präfrontalen Kortex, Männer den medialen und dorsomedialen Bereich. Diese unterschiedlichen Verarbeitungsmuster können sich entscheidend auf das Selbstwertgefühl eines Menschen auswirken. Während sich Männer vorrangig kongruente Verbindungen (Selbst = positiv) merken, speichern Frauen auch inkongruente (Selbst = negativ) ab und integrieren diese in ihr Selbstkonzept.

Daher setzen sich Frauen vermutlich stärker mit unangenehmen Erfahrungen auseinander, die ihr Selbstkonzept in Frage stellen. Dies könnte erklären, warum sie mehr über sich nachdenken und zum Grübeln neigen.

fk

PLoS ONE 2012; 7: e37901

Assessment

Beschreibung

Rosenberg-Skala

>  Fragebogen zum Selbstwertgefühl
>  Download unter www.emotional-mastering.at/upload/analyse-werkzeuge/fragebogen-selbstwertgefuehl-ses.pdf

Implizierter Assoziationstest (IAT)

>  Instrument zur Erforschung der unbewussten Anteile menschlichen Denkens und Fühlens
>  Infos unter https://implicit.harvard.edu/implicit/germany/

NEO-Fünf-Faktoren-Inventar

>  erfasst die Persönlichkeitsbereiche Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit
>  Einsatz in der Klinischen Psychologie, in der Schullaufbahn- und Studienberatung, Berufsberatung und Organisationspsychologie
>  Borkenau P, Ostendorf F. NEO-Fünf-Faktoren Inventar nach Costa und McCrae. Handanweisung. Göttingen: Hogrefe; 1993
GS


Motivierende Gesprächsführung – Veränderungsprozesse anregen lernen

Motivierende Gesprächsführung oder „Motivational Interviewing“ beschreibt einen speziellen Beratungsansatz, der sich vor allem bei Menschen mit gesundheitsriskanten Verhaltensweisen wie Drogen- oder Alkoholmissbrauch eignet. Dabei unterstützt die Therapeutin den Klienten, problematische Verhaltensweisen aufzuspüren und Veränderungsprozesse in Gang zu setzen. Möchten Angehörige von Gesundheitsberufen diese Gesprächstechnik erfolgreich einsetzen, profitieren sie von einem gezielten Trainingsprogramm. Zu diesem Fazit gelangte ein interdisziplinäres Forschungsteam um die Psychologin Dr. Melanie Barwick von der Universität Toronto, Kanada.

In ihrer systematischen Übersichtsarbeit werteten die Forscher Interventionsstudien aus, welche die Wirkung von Trainingsprogrammen untersuchten. Die 22 Artikel bestanden aus 12 RCTs und 9 Studien mit quasi-experimentellem Design. Die Arbeiten stammten aus Nordamerika und Europa. Gegenstand waren überwiegend Workshops, in denen die Teilnehmer Prinzipien und Techniken der motivierenden Gesprächsführung erlernten und in Übungen oder Rollenspielen einstudierten. Nach der Trainingsphase erhielten sie meist weitere Unterstützung durch Coaching oder Supervision. 17 der 22 Studien kamen zu einem positiven Ergebnis.

Die Forscher schlussfolgern, dass ein Training den Teilnehmern dabei hilft, ihre Kompetenzen in der motivierenden Gesprächsführung deutlich zu verbessern. Dazu gehöre es, dem Klienten offene Fragen zu stellen, reflexiv zuzuhören, zusammenzufassen und zu verstärken.

fk

Child Youth Serv Rev 2012; 34: 1786-1795


Gesprächsführung – Prinzipien und Fertigkeiten

Die motivierende Gesprächsführung soll Klienten darin unterstützen, eine Veränderungsmotivation zu entwickeln und in ihrem alltäglichen Handeln umzusetzen. Therapeuten folgen den RULE-Prinzipien:

  • R - Resist: dem Reflex widerstehen, den Klienten auf vorhandene Probleme aufmerksam zu machen

  • U - Understand: die Motivation des Klienten nachvollziehen

  • L - Listen: dem Klienten zuhören

  • E - Empower: den Klienten befähigen und aktiv einbeziehen

Bei der motivierenden Gesprächsführung nutzt die Therapeutin grundlegende Fertigkeiten, die in der OARS-Formel stecken:

  • O - Open-ended question: dem Klienten offene Fragen stellen

  • A - Affirmations: Bereitschaft zur Veränderung und Selbstverpflichtung verstärken

  • R - Reflective listening: reflektierendes Zuhören

  • S - Summaries: Zusammenfassen

fk

Rosengren D. Building motivational interviewing skills. A practitioner workbook. New York: Guilford Press, 2009


Schulvorbereitung – Eltern-Coaching unterstützt kindliche Entwicklung

Nehmen Eltern von Vorschulkindern an dem Programm „Getting Ready for School“ (GRS) teil, starten ihre Kinder mit besseren Voraussetzungen in die Schule („Vorbereitungsprogramm“). Zu diesem Fazit kommt Pädiaterin Kimberly Noble mit Kollegen vom New Yorker Columbia University Medical Center, USA.

In einer quasi-experimentellen Studie untersuchten die Forscher 56 Kinder, die zu Studienbeginn zwischen drei und vier Jahre alt waren. Alle besuchten einen sogenannten „Head Start“-Kindergarten in New York, in dem Kinder aus sozial benachteiligten Familien gezielt gefördert werden. Die Forscher teilten die Teilnehmer in zwei Gruppen ein. Nur die Eltern einer Gruppe nahmen an dem Vorbereitungsprogramm teil, während die übrigen 30 Kinder als Kontrollgruppe dienten.

Während neun wöchentlicher Sitzungen erlernten die Eltern verschiedene Strategien, um die Lese- und Rechenfertigkeiten ihrer Kinder im Alltag zu fördern. So erhielten sie beispielsweise Tipps dazu, wie sie ihrem Nachwuchs während des gemeinsamen Kochens spielerisch Zahlenkonzepte vermitteln. In anschließenden Fokusgruppen diskutierten die Eltern darüber, wie effektiv sie das Vorbereitungsprogramm erlebt hatten und wie nützlich es ihnen im Alltag erschien. Außerdem setzten die Forscher vor und nach der Intervention verschiedene Tests ein, um die kognitiven Leistungen beider Gruppen miteinander zu vergleichen. Demnach entwickeln Kinder geschulter Eltern ihre Zahlkonzepte, Buchstabenkenntnisse sowie ihr Bildvokabular und Richtungsverständnis signifikant stärker als Gleichaltrige ohne elterliche Förderung.

Die trainierten Eltern bewerten das Programm sehr positiv. Es helfe ihnen dabei, ihre Kinder in alltäglichen Situationen zum Lernen anzuregen. Zum Beispiel indem sie ihnen offene Fragen stellen oder sie zu eigenen Lösungen ermutigen. Demnach unterstützt das Programm „Getting Ready for School“ sowohl Eltern darin, ihre Kinder auf die Schule vorzubereiten als auch Ergotherapeuten, Eltern-Coachings durchzuführen.

akb

Child Dev Res 2012; doi:10.1155/2012/259598


Vorbereitungsprogramm – Getting Ready for School

Das „Getting Ready for School”-Programm besteht aus neun Trainingseinheiten. In jeder Einheit lernen die Eltern rund zehn Aktivitäten kennen, die jeweils zur Hälfte die Lese- und Rechenfertigkeiten ihrer Kinder fördern. Zusätzlich erhalten sie einen schriftlichen Leitfaden, der weitere Tipps vermittelt und Variationsmöglichkeiten aufzeigt. Für die Kinder selbst steht ein Rucksack bereit, der alle benötigten Materialien wie Spiele oder Bilder enthält sowie Stifte, Schere und Papier.

fk

Child Dev Res 2012; doi: 10.1155/2012/259598