XX Die Zeitschrift für Frauen in der Medizin 2013; 2(3): 125
DOI: 10.1055/s-0033-1347116
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Annäherung an ein Tabuthema – sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Astrid Bühren
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Publication Date:
05 September 2013 (online)

Liebe Leserinnen,

die Zeitschrift XX möchte die Chancengleichheit für Ärztinnen fördern und nimmt dafür Karriereverläufe unter die Lupe. Dabei trifft man immer wieder auf ein bestimmtes Hindernis oder sogar eine Barriere – auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Meist nur in vertrauensvollen Gesprächen unter Kolleginnen trauen sich Ärztinnen über das Tabuthema zu sprechen: Dort berichtete mir eine befreundete Medizinerin z. B., dass sie aufgrund von sexueller Belästigung den Arbeitgeber wechselte, denn die Machtstrukturen an der Klinik ließen ihr keine andere Wahl. Der Wechsel habe sie aber ihre Karriere gekostet. Insbesondere diese Abhängigkeiten machen sexuelle Belästigung möglich bzw. verhindern einen offeneren Umgang mit dem Thema.

Es ist nicht einfach, die Grenze zu definieren zwischen nett gemeintem Kompliment und übergriffigen Kommentaren. Man sollte natürlich nicht per se den Spaß am Flirten am Arbeitsplatz verteufeln – wichtig ist vielmehr immer: Es muss freiwillig sein und darüber muss Konsens herrschen. Ist die Grenze der Freiwilligkeit überschritten, bringt es den belästigten Frauen nur Nachteile, selbst wenn es am Anfang eventuell schmeichelhaft war, dass z. B. der Abteilungschef Bewunderung für die Assistenzärztin als attraktive Frau zeigt: Nicht selten bleibt dem Opfer als einziger Ausweg nur der Arbeitsplatzwechsel. Zwar war es vor einigen Jahren ein noch größeres Problem, überhaupt wieder eine passende Stelle zu bekommen, aber auch heute ist es insbesondere in der Weiterbildungszeit oft nicht leicht, wieder eine Klinik mit dem gewünschten Ausbildungsprofil zu finden. Es kostet außerdem sehr viel Energie, sich gegen diese Zudringlichkeiten zu erwehren, diese Energie würden Frauen lieber in ihre klinische Tätigkeit stecken.

An allen Kliniken und ggf. an Landesärztekammern sollte es deshalb Mediatorinnen und Mediatoren geben, an die sich Belästigte im Vertrauen wenden können, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Dabei ist es aber wiederum wichtig, dass zunächst ein Vermittlungsgespräch stattfindet und nicht über das Ziel hinausgeschossen wird, indem der Kollege oder Chef direkt an den Pranger gestellt wird. Denn dadurch fühlt sich die belästigte Ärztin oft noch stärker unter Druck, da sie sich verantwortlich für mögliche Konsequenzen fühlt. Ebenso sollte es auch nicht so sein, dass immer gleich über eine sexuelle Beziehung gemunkelt wird, sobald eine junge Ärztin vom Oberarzt oder Chef gefördert wird.

Wo es schon heute entsprechende Strukturen gibt, zeigt der tolle Übersichtsbeitrag „Tabu und doch keine Ausnahme“ ab Seite 142. Die Autorin ist Gleichstellungsreferentin an einer großen Uniklinik und hat die Infosammlung speziell für XX – Die Zeitschrift für Frauen in der Medizin zusammengestellt.

Mit kollegialen Grüßen

Ihre Herausgeberin Dr. Astrid Bühren