Aktuelle Dermatologie 2013; 39(08/09): 318-323
DOI: 10.1055/s-0033-1344366
Eine Klinik im Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Histologie des kutanen Lupus erythematodes

Histopathology of Cutaneous Lupus erythematosus
M. Baltaci
Klinik für Dermatologie, HELIOS Klinikum Krefeld
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Korrespondenzadresse

Mehmet Baltaci, MD
Klinik für Dermatologie
HELIOS Klinikum Krefeld
Lutherplatz 40
47805 Krefeld

Publication History

Publication Date:
24 July 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Die histologische Untersuchung von Hautveränderungen spielt eine Schlüsselrolle in der Diagnostik des kutanen Lupus erythematodes (LE). LE zeigt ein breites Spektrum histopathologischer Kriterien, das vom Stadium der Läsionen abhängt. Die hauptsächlichen Subtypen des kutanen LE werden beschrieben und die bedeutendsten Differenzialdiagnosen diskutiert.


Abstract

Histologic examination of lesions plays a key role in the diagnostics of cutaneous lupus erythematosus (LE). LE has a broad spectrum of histopathological signs, which are related to the stages of the lesions. Main subtypes of LE are reported and the most considerable histopathologic differential diagnoses are discussed.


Einleitung

Die histologische Untersuchung von Hautveränderungen spielt eine Schlüsselrolle in der Diagnostik des kutanen Lupus erythematodes (LE). LE zeigt ein breites Spektrum histopathologischer Kriterien, das vom Stadium der Läsionen abhängt. Allerdings können einige Kriterien in allen Stadien gesehen werden (z. B. Muzinablagerung).

Die verschiedenen klinischen Unterteilungen des LE (mit Ausnahme des Lupus erythematodes tumidus) zeigen große Überlappungen bei ihren histologischen Kriterien; für eine genaue Subklassifizierung ist deshalb eine klinisch-pathologische Korrelation unumgänglich.

Nicht jeder Fall eines LE kann einer Subklassifizierung zugeordnet werden, weil einerseits Übergänge von einem Typ zum anderen und andererseits Zwischenformen vorkommen. Der histologische Befund von Hautläsionen eines systemischen LE (SLE) und kutanen LE (KLE) ist weitgehend identisch.

Klinisch wird die Krankheit in SLE, subakut kutanen Lupus erythematodes (SCLE), diskoiden Lupus erythematodes (DLE), LE profundus, Lupus tumidus und bullösen LE unterteilt ([Tab. 1]). Vom histologischen Standpunkt kann LE nur in frühen – voll entwickelten –, späten LE und in spezifische Manifestationen von LE ([Tab. 2]) eingeteilt werden. Der voll entwickelte DLE zeigt die meisten histologischen Kriterien eines LE and kann als histologische Modelläsion betrachtet werden [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10].

Tab. 1

Klinische Klassifikation des LE.

SLE

SCLE

DLE

LE profundus

LE tumidus

Bullöser LE

Tab. 2

Histopathologische Klassifikation des LE.

früh

voll entwickelt

spät

spezifische Manifestationen (z. B. LE profundus)


Abfolge der histopathologischen Veränderungen

Die frühen histologischen Veränderungen von Läsionen des LE sind spärliche superfizielle, perivaskuläre, lymphozytäre Infiltrate, neutrophile Granulozyten und manchmal Kernstaub in unmittelbarer Nähe zur Junktionszone. Wenige Einzelzellnekrosen und fokale vakuoläre Degeneration von basalen Zellen können vorkommen. Extrazelluläre Muzinablagerung zwischen Kollagenbündeln der retikulären Dermis ist möglich.

Voll entwickelte Läsionen sind durch mäßig dichte bis dichte perivaskuläre und periadnexielle lymphozytäre Infiltrate in der papillären und retikulären Dermis sowie durch reichliche Muzinablagerung in der retikulären Dermis gekennzeichnet. Man findet eine fokale oder kontinuierliche Verdünnung der Epidermis, unscharf begrenzte („verwaschene”) Basalmembranzone mit vakuolärer Degeneration der basalen Zellen, Einzelzellnekrosen und eine deutlich verdickte Basalmembran. Zusätzlich können eine kompakte Orthokeratose, follikuläre Hornpfröpfe und Pigmentinkontinenz in der oberen Dermis gesehen werden.

In späten Läsionen flaut das entzündliche Zellinfiltrat ab. Es kommt zur epidermalen Atrophie mit Verlust der Reteleisten, vakuolären Degeneration der basalen Zellen und deutlichen Verdickung der Basalmembran. Häufig wird eine reichliche Muzinablagerung in der retikulären Dermis beobachtet [6] [7] [8].


Histopathologische Kennzeichen des voll entwickelten diskoiden LE (DLE)

Beim DLE sind Epidermis, obere und tiefe Dermis sowie die Haarfollikel betroffen ([Abb. 1]). Histologisch findet man dichte perivaskuläre und periadnexielle lymphozytäre Infiltrate in der oberen und tiefen Dermis mit einer Interface-Dermatitis im Bereich der Epidermis und Haarfollikel ([Abb. 3]). Die Epidermis zeigt eine Vakuolisation und Apoptose der basalen Zellen, deutliche Hyperkeratose (Ortho-, Parakeratose, korngeflechtartig), variable epidermale Hyperplasie and fokale Atrophie. Ausgeprägte epidermale Hyperplasie kann ein Plattenepithelkarzinom vortäuschen [11]. Oft ist die dermo-epidermale und follikuläre Basalmembranzone und manchmal sind auch die Kapillarwände verdickt. Diese Veränderungen sind besonders deutlich in der Periodic acid-Schiff-Färbung (PAS) erkennbar. Die Haarfollikel können ähnliche Schäden an den Keratinozyten und Hornpfröpfe aufweisen. Reichliche extrazelluläre Muzinablagerung zwischen den Kollagenfasern der retikulären Dermis ist häufig vorhanden. Pigmentinkontinez in der oberen Dermis kann gefunden werden. Manchmal kann eine Unterscheidung von einem Arzneimittelexanthem oder einer Insektenstichreaktion schwierig sein, hier ist die Präsenz von dermalem Muzin ein hilfreiches Unterscheidungskriterium [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14].

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Abb. 1 ACLE (a), CDLE (b), später DLE mit epidermaler Atrophie, Verlust der Reteleisten und Teleangiektasien (c), LE tumidus (d).
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Abb. 2 Lichenoider LE (a), hypertropher LE (b), bullöser LE mit lineärer Anordnung der Leukozyten an der dermo-epidermalen Junktionszone (c, d).
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Abb. 3 Interface-Dermatitis mit Vakuolisierung der basalen Zellen (a), Verdickung der Basalmembran der Epidermis (b) und des Follikels (c), reichliche Muzinablagerung in der retikulären Dermis in der Alzian-Blau-Färbung (d).

Wenn eine Interface-Dermatitis maximal ausgeprägt ist, muss man an ein Rowell-Syndrom denken. Dieses Syndrom wurde erstmals 1963 von Rowell beschrieben und kann sowohl beim DLE als auch SLE auftreten. Es wird durch LE-Läsionen, welche klinisch und histologisch Erythema multiforme imitieren, charakterisiert und ist mit antinukleären anti-La (SS-B)/anti-Ro (SS-A)-Antikörpern und positivem Rheumafaktor assoziiert [15] [16] [17] [18] [19] [20].


Stadien und Varianten

Akut kutaner Lupus erythematodes (ACLE)

Beim ACLE sind die histologischen Veränderungen unspezifisch. Markante Zeichen findet man in länger persistierenden Läsionen. Diese inkludieren Einzelzellnekrosen, Ödem in der oberen Dermis, mildes superfizielles (obere Hälfte der Dermis), perivaskuläres, lymphohistiozytäres Infiltrat mit Leukozyten, manchmal Kernstaub und dilatierten Gefäßen mit Erythrozytenextravasaten ([Abb. 1]). Muzinablagerung kann in der retikulären Dermis gefunden werden. Identische histologische Veränderungen treten auch beim Schmetterlingserythem des SLE, in frühen Läsionen des neonatalen LE und bei der Dermatomyositis auf [6] [7] [8] [13].


Bullöser Lupus erythematodes

Hautbiopsien zeigen eine „Karikatur“ des ACLE mit subepidermaler Spaltbildung, lineärer Anordnung der Leukozyten an der dermo-epidermalen Junktionszone, superfizielle, perivaskuläre, lymphozytäre Infiltrate und Muzinablagerung ([Abb. 2]). In länger bestehenden Läsionen kann in der tiefen Dermis ein gemischtes Zellinfiltrat bestehend aus Lymphozyten und neutrophilen Granulozyten gefunden werden. Der histologische Befund kann eine Dermatitis herpetiformis Duhring und eine Lineare IgA-Dermatose vortäuschen. Kriterien zur Differenzierung sind Kernstaub von neutrophilen Granulozyten in der oberen Dermis, reichliche Muzinablagerung in der retikulären Dermis und Fehlen von eosinophilen Granulozyten beim bullösen LE [6] [21] [22].


Subakut kutaner Lupus erythematodes (SCLE)

Beim SCLE finden sich beträchtliche histologische Überlappungen mit dem DLE. Die Epidermis zeigt häufig Einzelzellnekrosen und eine epidermale Atrophie. In der Dermis finden sich eine milde (im Vergleich zum DLE), meist superfizielle, perivaskuläre, lymphozytäre Infiltrate mit Interface-Dermatitis. Hyperkeratose, Basalmembranverdickung und Pigmentinkontinenz sind weniger ausgeprägt als beim DLE. Haarfollikel sind üblicherweise nicht betroffen oder zeigen leichte Hornpfröpfe. Identische histologische Veränderungen können in voll entwickeltem neonatalen LE beobachtet werden [6] [7] [8] [12] [13] [14].


Lupus erythematodes tumidus

Beim LE tumidus findet man keine oder nur spärliche epidermale Veränderungen ([Abb. 1]). Kuhn et al. [23] berichteten, dass auch eine leichte Involvierung der Epidermis oder der Junktionszone einen LE tumidus ausschließen sollte. Jedoch können laut anderen Autoren minimale epidermale oder junktionale Veränderungen, z. B. fokale dermo-epidermale Interface-Dermatitis mit vakuolärer Degeneration, auftreten [24] [25] [26], welche auch mit unserer Erfahrung korrelieren. Hauptkriterien sind ausgeprägte lymphozytäre, perivaskuläre, dermale Infiltrate (oft ausgeprägt in der tiefen Dermis) und reichliche Muzinablagerung in der gesamten Dermis. Eine wichtige histologische Differenzialdiagnose ist die Polymorphe Lichtdermatose (PLD), welche ein deutliches Ödem in der papillären Dermis aufweist, gelegentlich Bläschen bildet und keine Muzinablagerung zeigt [6] [7] [8] [23] [24] [25] [26].


Chilblain Lupus erythematodes

Die Biopsien zeigen histologisch eine Interface-Dermatitis, superfizielle und tiefe perivaskuläre, lymphozytäre Infiltrate mit periekkriner Betonung. Die epidermalen Veränderungen inkludieren Orthohyperkeratose, nekrotische Keratinozyten und variable Atrophie [27] [28].


Verruköser (hypertropher) Lupus erythematodes

Epidermale Zeichen inkludieren pseudoepitheliomatöse Hyperplasie mit ausgeprägter Hyperkeratose, vakuoläre Degeneration der basalen Zellen, meist viele dyskeratotische Keratinozyten und eine verdickte Basalmembran. Die Dermis weist ausgeprägte perivaskuläre und perifollikuläre superfizielle und tiefe lymphozytäre Infiltrate mit Interface-Dermatitis und Muzinablagerung auf ([Abb. 2]). Manchmal zeigt die Epidermis einen schüsselförmigen, horngefüllten Krater mit umgebender akanthotischer Epidermis und verlängerten Reteleisten, sodass ein Keratoakanthom simuliert wird [7] [29] [30].


Später diskoider Lupus erythematodes (DLE)

Bei lang bestehenden Läsionen flaut das entzündliche Zellinfiltrat ab. Man findet eine epidermale Atrophie mit Verlust der Reteleisten, vakuoläre Degeneration der basalen Zellen, milde Interface-Dermatitis und dermale Fibrosklerose. Die Basalmembran ist verdickt und manchmal gewunden. Diese Veränderungen können auch an der dermal-follikuären Junktionszone gesehen werden. Sukzessive Atrophie bis komplettes Verschwinden der Haarfollikel sind Langzeitfolgen des entzündlichen Infiltrats, welche zur Alopezie bei Hautläsionen von der behaarten Kopfhaut führen können. Teleangiektasien and Pigmentinkontinenz werden in der oberen Dermis gesehen. In der retikulären Dermis ist üblicherweise reichliche Muzinablagerung vorhanden ([Abb. 1], [Abb. 3]) [6] [7] [8] [12] [13] [14].


Lichenoider Lupus erythematodes

Die lichenoide Ausprägung des DLE ist der sogenannte lichenoide LE , der einen Lichen ruber simuliert ([Abb. 2]). Im Gegensatz zum lichenoiden LE weist der Lichen ruber keine verdickte Basalmembran, keine verdünnte Epidermis, keine tiefen lymphozytären Infiltrate oder Muzinablagerung in der retikulären Dermis auf und zeigt eine keilförmige Hypergranulose [6] [31].


Lupus erythematodes profundus

Die Hauptveränderungen des LE profundus treten in der Subkutis auf. Die charakteristischen epidermalen und dermalen Zeichen des LE können vorhanden sein aber auch fehlen. Deren Fehlen macht die Diagnose schwierig. Die Biopsien zeigen perivaskuläre, dichte, lymphozytendominierte Infiltrate in der tiefen Dermis und eine vorwiegend lobuläre Pannikulitis, bestehend aus hauptsächlich Lymphozyten mit geringer Beimengung von Plasmazellen, Makrophagen und manchmal lymphozytärem Kernstaub. Gelegentlich finden sich Lymphfollikel mit Keimzentren. Muzinablagerung wird in der retikuären Dermis und manchmal im subkutanen Bindegewebe beobachtet. Fettgewebsnekrosen (z. B. in der Form von Schaumzellen oder „Mikrozysten”) und fibrinoide degenerative Veränderungen sind oft Resultate der ausgeprägten Fibrosklerose. In späten Stadien kommt es zur Hyalinisation der Adipozyten (Mumifikation der Adipozyten) and zur Kalzifikation ([Abb. 4]) [6] [7] [8] [13] [32].

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Abb. 4 LE profundus (a), vernarbende Alopezie mit follikulärer Atrophie (b, siehe Pfeil).


Fazit

  • LE zeigt ein breites Spektrum histopathologischer Kriterien, das vom Stadium der Läsionen abhängt.

  • Eine genaue Subtypisierung ist durch alleinige histologische Untersuchung nicht möglich, sodass eine klinisch-pathologische Korrelation unumgänglich ist.

  • Die histologischen Veränderungen von Hautläsionen eines systemischen LE und kutanen LE sind weitgehend identisch.



Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Mehmet Baltaci, MD
Klinik für Dermatologie
HELIOS Klinikum Krefeld
Lutherplatz 40
47805 Krefeld


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Abb. 1 ACLE (a), CDLE (b), später DLE mit epidermaler Atrophie, Verlust der Reteleisten und Teleangiektasien (c), LE tumidus (d).
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Abb. 2 Lichenoider LE (a), hypertropher LE (b), bullöser LE mit lineärer Anordnung der Leukozyten an der dermo-epidermalen Junktionszone (c, d).
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Abb. 3 Interface-Dermatitis mit Vakuolisierung der basalen Zellen (a), Verdickung der Basalmembran der Epidermis (b) und des Follikels (c), reichliche Muzinablagerung in der retikulären Dermis in der Alzian-Blau-Färbung (d).
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Abb. 4 LE profundus (a), vernarbende Alopezie mit follikulärer Atrophie (b, siehe Pfeil).