PPH 2013; 19(02): 108-109
DOI: 10.1055/s-0033-1343017
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuauflage

Dorothea Sauter
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Publication Date:
20 March 2013 (online)

Neuauflage

Starke Entwicklung

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(Verlag Hans Huber)

Endlich ist sie da, die vom Verlag lange vorangekündigte Neuauflage von Townsends Handbuch zur Pflegeplanerstellung. Weiterhin ist dieses aus dem amerikanischen übersetzte Buch die einzige deutschsprachige Sammlung, die ausschließlich psychiatrierelevante Pflegediagnosen beschreibt und mit Zielen und Pflegemaßnahmen verbindet.

Beim Erscheinen der ersten Auflage 1998 (zweite Auflage 2000) wurde vor allem in Deutschland nur an wenigen Stellen konkret über die Einführung von Pflegediagnosen nachgedacht. Heute kann man davon ausgehen, dass sich Pflegediagnosen durchsetzen werden: Neben fachlichen Aspekten macht eine standardisierbare Sprache aufgrund der elektronischen Dokumentation Sinn. Es dürfte mittlerweile eine sehr deutliche Mehrheit der Einrichtungen sein, die mit Pflegediagnosen arbeiten oder konkret die Einführung vorbereiten. Der Bedarf für das neue Handbuch zur Pflegeplanerstellung ist da.

Konkret besprochen werden in Townsends Buch 49 der knapp 200 vorliegenden NANDA-International-Pflegediagnosen: All diejenigen, die im psychiatrischen Kontext relevant sind.

Die Pflegediagnosen werden in Verbindung mit den psychiatrischen Diagnosen beschrieben, für eine DSM-IV-Diagnose sind zwischen vier und neun häufige Pflegediagnosen aufgezeigt. Darüber lässt sich streiten, sollten doch Pflegende unabhängig von medizinischen Diagnosen herausfinden, welche Themen sie mit einem Patienten bearbeiten wollen. Zudem führt es zu Wiederholungen, beispielsweise unterscheidet die Pflegediagnose „Gefahr einer fremdgefährdenden Gewalttätigkeit“ (mit den Bausteinen für die Pflegediagnose, den Beschreibungen von Pflegezielen und Maßnahmen) wenig zwischen „Schizophrenen Störungen“ und „Bipolaren Störungen, manisch“.

Doch den meisten Praktikern wird dieses Zuordnen der Pflegediagnosen zum Krankheitsbild helfen, zumal bezüglich multiprofessioneller Zusammenarbeit in den Kliniken zunehmend ernst gemacht wird. Jedes Krankheitsbild selbst wird mit seinen Symptomen und Behandlungsschwerpunkten kurz erläutert.

Die dritte Auflage würdigt aber auch, dass viele Pflegethemen nicht nur an ärztliche Diagnosen gebunden sind. So gibt es ein neues großes Kapitel „Häufige Pflegediagnosen zu spezifischen Situationen und Settings der psychiatrischen Pflege“. Dies behandelt Themen wie Missbrauchserfahrung, Obdachlosigkeit, Verlusterleben, ambulante Pflege oder forensisches Setting.

Generell ist festzustellen: In vielerlei Hinsicht hat das Buch seit der ersten Auflage eine starke Entwicklung erfahren. Jeder Satz ist aktualisiert, neue Pflegediagnosen haben Eingang gefunden. Die Kapitel „Hintergrundwissen“ und „Hilfsmittel und Arbeitsinstrumente“ haben eine deutliche Erweiterung erfahren. Immerhin ist das Handbuch dadurch auf 930 Seiten angewachsen. Doch auch diese Ausgabe hat trotz des Umfangs ein handliches Format und ist ansprechend aufgemacht.

Mary Townsend orientiert sich an den NANDA-International-Pflegediagnosen. Damit gelten Kritiken an NANDA auch für Townsends Buch: Die Themen sind krankheits- und defizitorientiert. Die vorgegebenen Aspekte verleiten dazu, nicht beschriebene Phänomene zu übersehen. Pflegende denken nicht mehr in der „Sprache des Patienten“. Die Herausgeber der deutschsprachigen Ausgabe, Chris Abderhalden und Ian Needham, betonen diese Limitierungen in ihrem Geleitwort. Und möglicherweise kann man es als bekannt voraussetzen, dass Bücher – vor allem Handbücher, die einen starken „Checklistencharakter“ haben – weder das Denken noch die Kommunikation mit dem Patienten ersetzen können.

Townsends Buch braucht keine Empfehlung, es wird ohnehin gebraucht und gekauft – und zu recht in den Dienstzimmern der Stationen oder ambulanten Pflegedienste stehen. Verraten sei, dass die Anschaffung sich lohnt, denn es lässt sich gut arbeiten mit diesem Nachschlagewerk. Und das dürfte auch für diejenigen gelten, die Pflegediagnosen (noch) nicht anwenden.

Dorothea Sauter, Münster