Klinische Neurophysiologie 2013; 44(02): 174
DOI: 10.1055/s-0033-1338004
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Forensische Psychiatrie – Klinik, ­Begutachtung und Behandlung zwischen Psychiatrie und Recht

Contributor(s):
Felix Wedegärtner
1   Hannover
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Publication History

Publication Date:
20 June 2013 (online)

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[1] Die Beantwortung forensischer Fragestellungen ist alltäglich für alle praktisch tätigen Psychiater. Dabei sind diese fast unübersehbar vielfältig. Das Spektrum umfasst so weit voneinander entfernte Rechtsgebiete wie die der Schuldfähigkeit, der betreuungsrechtlichen Unterbringung, der Zulässigkeit medizinischer Zwangsmaßnahmen, Aussagetüchtigkeit, Testierfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, der Zumutbarkeit von Erwerbstätigkeit bei Unterhaltsstreitigkeiten, Fahrerlaubnissachen, Beamtentüchtigkeit, Minderung der Erwerbsfähigkeit, Beurteilung von seelischen Unfallfolgen, Gutachten nach dem Trans­sexuellengesetz und schließlich das weite Feld des ärztlichen Handelns in der Maßregelvollzugsunterbringung. Diese Vielfalt zeigt auf, dass es unmöglich erscheint, ein einzelnes Buch zu schreiben, dass den gesamten Bereich der Forensischen Psy­chiatrie abdeckt.

Dies ist genau das, was die Autoren versuchen. Es ist deswegen nicht verwunderlich, dass das Buch mit jeder Auflage umfangreicher wird und trotzdem viele Bereiche von den Autoren nur gestreift werden können. Schwerpunkte dieses Buches liegen in der Schuldfähigkeitsbegutachtung und in der forensischen Nosologie psychischer Erkrankungen. Jedes der oben angegebenen Themen wird allerdings zumindest angesprochen. Die Autoren wählen dabei den Weg, bei Themengebieten, die nur auf einer oder zwei Seiten angesprochen werden, zumindest die wichtigsten Schlagworte zu nennen, die für den Leser erforderlich sind, um von dort aus die relevante Literatur zu finden. Dennoch geraten manche Bereiche zu kurz. Beispielhaft sei der Abschnitt „Straßenverkehrsrecht und Fahreignung“ genannt, der nur etwa eine Seite lang ist. Betreuungsrecht und öffentlich-rechtliche Unterbringung erscheinen nur skizzenhaft ausgearbeitet, obwohl Fragen aus diesem Bereich für klinisch tätige Psychiater häufig zu beantworten sind. Allerdings ist dies auch in den konkurrierenden Werken anderer Verlage so. Die seit 2012 neue Rechtslage bezüglich ärztlicher Zwangsmaßnahmen ist noch nicht eingearbeitet. Der auf 20 Seiten komprimierte Teil „Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher“ gibt lediglich eine Einführung, die für Ärzte ausreicht, die nicht im Maßregelvollzug arbeiten. Etwa 50 Seiten Gesetzestexte wurden aus dieser Auflage ins Internet ausgelagert. Der auf S. 5 angegebene Verweis „für die Käufer des Buchs“ zum Zugriff auf die Website von Thieme war im Februar 2013 bereits ungültig.

Trotz dieser Nachteile ist das Buch für mich unverzichtbarer Bestandteil meines forensisch-psychiatrischen Handapparats und ich gebe ihm – in seiner Preisklasse – wegen seiner klaren Sprache und übersichtlichen Gliederung den Vorzug gegenüber den Werken anderer Verlage. Das deutlich umfassender erscheinende „Handbuch der Forensischen Psychiatrie“ (Springer) hat etwa den 4-fachen Preis. Werke, die allerdings nur einzelne Details behandeln und nicht den Anspruch haben, die ganze Forensische Psychiatrie zu behandeln, sind für deutlich weniger Geld erhältlich als der „Nedopil“. Das Buch erscheint insbesondere für Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie interessant, da diese sicher sein können, dass alle wesentlichen Themen auch angesprochen werden. Ärzte in der Schwerpunktweiterbildung „Forensische Psychiatrie“ finden im Buch fundiertes und ausreichend detailliertes Wissen über Begutachtung im Strafrecht. Insbesondere für diejenigen, die ihre ersten Gutachten verfassen, ist der Abschnitt „Gutachtenerstellung“ nützlich, in dem sich ein schöner Leitfaden findet, der auch die Regeln der Sachverständigenvergütung betrachtet, und in dem auch mögliche Fehler bei der Gutachtenerstellung diskutiert werden. Für viele Leser wird dieses Buch einen gelungenen Einstieg in die forensische Psychiatrie ermöglichen.