Key words
eye lens dose - interventional radiology - radiation shielding - lead glass goggles
Einleitung
Interventionelle radiologische Verfahren sind klinisch etabliert und verzeichnen seit
Jahren steigende Untersuchungszahlen [1]
[2].
Das medizinische Personal, besonders der primäre Untersucher, ist während der Eingriffe
durch die erforderliche Nähe zum Patienten der Streustrahlung ausgesetzt. Neue Erkenntnisse
bezüglich einer strahlungsbedingten Induktion von Trübungen der Augenlinse bis hin
zur Kataraktentstehung bereits nach Exposition mit nur 0,8 Gy rücken die Augenlinse
des Untersuchers als Risikoorgan stärker in den Fokus der Diskussion [3]
[4].
Ohne Verwendung geeigneter Strahlenschutzmaßnahmen ist von Linsendosen über 2 mSv
während einer einzelnen Prozedur berichtet worden und es können Dosisleistungen von
10 mSv/h während der Durchleuchtung oder 50 mSv/h bei Aufnahmeserien überschritten
werden [5]
[6]. Die ICRP empfiehlt, den Grenzwert der Augenlinsendosis für beruflich strahlenexponierte
Personen von 150 mSv/Jahr auf 20 mSv/Jahr gemittelt über 5 Jahre zu reduzieren, wobei
50 mSv in keinem Jahr überschritten werden sollten [7]
[8]. Bei nicht optimierter Arbeitsweise ist eine Überschreitung dieser deutlich niedrigeren
Grenzwerte jedoch zu befürchten.
Vor diesem Hintergrund erlangen Strahlenschutzmaßnahmen eine besondere Bedeutung.
In der vorliegenden Arbeit soll die Effizienz der geräteseitigen Strahlenschutzeinrichtungen
und der personenbezogenen Strahlenschutzausrüstung anhand von Phantommessungen evaluiert
werden und eine Abschätzung der Strahlenexposition der Augenlinse des primären Untersuchers
bei ausgewählten fluoroskopischen Interventionen gegeben werden.
Material und Methoden
Die Messungen erfolgten an einer Angiografieeinheit (Artis zeego, Siemens, Erlangen,
D). Der Flachdetektor der Anlage besitzt eine Bilddiagonale von 48 cm. Es wurden Aufnahmeserien
unter Einsatz der automatischen Belichtungskontrolle angefertigt, hierbei nutzten
wir klinisch verwendete Untersuchungsprotokolle. Die spektrale Filterung der Nutzstrahlung
erfolgte automatisiert durch die Anlage. Zur Erzeugung einer realistischen Streustrahlungsverteilung
wurde ein anthropomorphes Patientenphantom verwendet (Alderson-Rando-Phantom, The
Phantom Laboratory, Salem, NY), welches einem 175 cm großen Mann mit einem Gewicht
von 73,5 kg entspricht. Adipöse Patienten wurden simuliert, indem zusätzlich eine
2 cm dicke Aluminiumplatte in den Strahlengang eingebracht wurde, die auf dem Untersuchungstisch
unterhalb des Alderson-Phantoms platziert war bzw. neben dem Phantom bei seitlichem
Strahlengang. Die Aufnahmespannung lag zwischen 67,4 kV und 76,4 kV für den PA-Strahlengang
und zwischen 72,2 kV und 91,6 kV für seitliche Aufnahmen. Es wurde eine Zusatzfilterung
von 0,1 mm Cu am Körperstamm und Kopf verwendet, für die 90°-RAO-Projektion des Abdomens
des normgewichtigen Phantoms und den meisten Projektionen des dicken Patientenphantoms
0,0 mm Cu. Der Abstand zwischen Phantom und Detektor betrug 5 – 6 cm für die PA- und
25°-LAO/RAO-Projektionen, 9 cm für die 90°-RAO-Projektion und 10 cm für die AP-Projektion.
Das Alderson-Phantom als Kopf-Torso-Phantom ergänzten wir zur Simulation angiografischer
Untersuchungen der Beine mittels wasseräquivalenter Plattenphantome (Schichtdicke
18,5 cm für die Oberschenkel, 16,5 cm für die Unterschenkel). Die Schichtdicken sowohl
der zur Variation der Patientendicke eingesetzten Aluminiumplatte als auch der Beinphantome
wurden so festgelegt, dass die resultierenden Aufnahmeparameter jeweils realen Untersuchungen
entsprachen.
Als Ortsdosis-Messgerät diente eine Ionisationskammer (Röntgen-Gamma-Dosimeter, Herfurth
GmbH, Hamburg, D.), welche vor jedem Einsatz gegen die Aktivität einer internen Strontium-Quelle
kalibriert wurde. Die Kammer wurde in die Position des strahlungsnahen Untersucherauges
gebracht. Die Messhöhe über dem Boden entsprach der Augenhöhe eines 180 cm großen
Untersuchers (Augenhöhe 169 cm).
Ermittelt wurde die Photonenäquivalentdosis Hx, welche sich in die Luftkerma Ka (Konversionsfaktor 0,876 Gy/Sv) und in die Teilkörperdosis HP(0,07) (Konversionsfaktor 1,134 bei Streustrahlung einer 70kV-Röntgenprimärstrahlung)
[9]
[10] umrechnen lässt. Die anatomisch sinnvollere, jedoch bei Photonenstrahlung wenig
gebräuchliche HP(3) wurde nicht berücksichtigt [10]. Normiert wurden die Dosiswerte jeweils auf das während der Messung applizierte
Dosisflächenprodukt DFP, welches durch das in der Anlage integrierte Dosisflächenprodukt-Messgerät
bestimmt wurde. Für eine gegebene Untersuchungsgeometrie mit konstantem Abstand von
der Strahlenquelle, Röhrenangulation und Strahlenqualität verhalten sich die gemessene
Streustrahlung und das applizierte DFP proportional zueinander [11]. DFP-normierte Streustrahlungsmessungen ermöglichen daher, die Effekte von Strahlenschutzmaßnahmen
zu beurteilen, falls die übrigen Parameter der Messanordnung konstant gehalten werden.
Die DFP-normierten Dosiswerte (Quotient HP[0, 07]/DFP) werden nachfolgend als Scatter-Faktor bezeichnet [12].
Die Messanordnung imitierte typische fluoroskopische Interventionen. Die Untersucherposition
orientierte sich an dem üblicherweise verwendeten Gefäßzugang über die rechte Leiste.
Für Eingriffe an den Gallenwegen (PTCD) wurde ein transkostaler Zugang von rechts
zugrunde gelegt. Für die TIPSS-Anlage ein jugulärer Zugang von rechts. Die Messungen
am Beinphantom erfolgten in der klinisch meist verwendeten PA-Projektion.
Es erfolgten jeweils Messungen ohne und mit geräteseitiger Strahlenschutzeinrichtung,
wobei entweder ein seitlicher Untertisch-Bleivorhang alleine verwendet wurde oder
das gesamte tischmontierte Schutzsystem bestehend aus Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz
(beide mit einem Bleigleichwert BGW von 0,5 mm, Fa. Kenex, Harlow, Eng.).
Die Effizienz der deckenmontierten Bleiacrylglasscheibe (BGW 0,5 mm, Fa Mavig, München,
D) wurde durch Messungen in Streustrahlung bestimmt, hierzu wurden wasseräquivalente
Quaderphantome der Schichtdicke von 20 und 30 cm bestrahlt (Röhrenspannung 63,8 kV
bzw. 82 kV). Die Messungen erfolgten lateral der Platten in 90°-Streustrahlung mittels
Ionisationskammer.
Die Schutzwirkung von Bleiglasbrillen wurde durch gesonderte Messungen mittels LiF-Thermolumineszenzdosimetern
(Harshaw TLD 100 rods, Thermo Fisher Scientific) bestimmt. Die TLDs wurden an einem
Kopfphantom innerhalb einer Halterung im Bereich der Kornea beider Augen platziert.
Anschließend wurde der Aufbau aus verschiedenen, für die Praxis relevanten Winkeln
bestrahlt. Wir nutzen hierfür vorwiegend Primärstrahlung, da nur so für jede Einzelmessung
eine ausreichende Exposition der TLDs erreicht werden konnte. Der Messbereich lag
mit 7 – 200 mGy ca. um den Faktor 102 bis 3 × 103 über dem Leerwert. Insgesamt 4 verschiedene Modelle wurden vermessen, 2 Bleiglasbrillen
mit Seitschutz (Modell BR124, Fa. Mavig, München, BGW 0,5 mm; Modell GL3523, MD McCauley
Co. Inc., Ontario, CA USA, BGW von 0,75 mm frontal, 0,5 mm Seitschutz) und 2 großflächigere
Bleiacrylglasvisiere (BRV 500 und BRV 501, Fa. Mavig, München, BGW je 0,1 mm). Aus
den DFP-normierten Dosiswerten der Messungen ohne und mit Strahlenschutzbrille wurde
die Schutzwirkung bestimmt. Der Sensor der Belichtungskontrolle wurde so positioniert,
dass die Messungen jeweils mit vergleichbaren Aufnahmeparametern erfolgten. Die TLDs
wurden am Tag der Bestrahlung mit einem System der Firma Fimel ausgewertet (LTM-Reader,
Fa. Fimel, Fontenay aux Roses, Fr). Das für einzelne TLD-Elemente normalerweise etwas
unterschiedliche Dosis-Ansprechverhalten wurde durch Korrekturfaktoren berücksichtigt,
welche sich aus den Ergebnissen einer homogenen Bestrahlung der TLDs in einem Irridator
ergaben.
Bezüglich der Energie- und Winkelabhängigkeit der Messungen ist von einem Zusatzfehler
von ca. 10 % auszugehen. Wiederholungen des Messaufbaus zur Fehlerabschätzung unter
Verwendung des Alderson-Phantoms ergaben eine Standardabweichung von 5,2 % des Mittelwerts
der Einzelmessungen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass statistisch auftretende
Messfehler zum Beispiel durch Quantenrauschen einen geringeren Einfluss auf die Messergebnisse
besitzen als Ungenauigkeiten des Messaufbaus.
Zur Abschätzung der Linsendosis verschiedener Interventionen nutzten wir DFP-Daten
der radiologischen Institute des Klinikums Nürnberg Nord aus den Jahren 2007 – 2010
und der Universität Erlangen aus den Jahren 2011/2012. Für die Berechnungen legten
wir die klinisch häufig verwendeten PA-Projektionen und die Mittelwerte der DFP-Verteilung
zugrunde. Berücksichtigt wurde sowohl die Verwendung als auch die Nicht-Verwendung
der Strahlenschutzausrüstung ([Abb. 1]).
Abb. 1 Messaufbau mit Alderson-Phantom im PA-Strahlengang. Das tischmontierte Strahlenschutzsystem
aus Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz (BGW jeweils 0,5 mm) sind im Einsatz.
Rechts oben am Bildrand (Pfeil) die Ionisationskammer in Augenposition des Untersuchers
bei femoralem Zugang.
Ergebnisse
Die [Tab. 1] zeigt die Werte des Scatter-Faktors HP(0,07)/DFP in Abhängigkeit von der Röhrenangulation und den geräteseitigen Strahlenschutzeinrichtungen.
Ohne Strahlenschutzmaßnahmen erreichen die Streustrahlungswerte bei PA-Projektionen
maximal 37,7 nSv/μGym2 (PTCD). Geringere Werte werden bei den 25°-RAO-Projektionen gemessen. Die 25°-LAO-Aufnahmen
ergeben höhere Streustrahlungswerte bis 66,9 nSv/μGym2 (PTCD). Die mit bis zu 212,7 nSv/μGym2 mit Abstand höchsten Messwerte werden bei AP-Projektionen des Beckens erreicht.
Tab. 1
Effizienz des geräteseitigen Strahlenschutzes bezüglich der Linsendosis des Untersuchers
bei Standardpatienten.
Interventionen
|
HP0,07/DFP in nSv/μGym2 bei verschiedenen Röhrenprojektionen
|
|
PA
|
25°-LAO
|
25°-RAO
|
90°-RAO
|
AP
|
Kopf
|
11,3
|
11,0
–2,3 %
|
10,5
–4,5 %
|
22,9
|
20,7
–9,6 %
|
13,1
–36,7 %
|
4,3
|
4,1
–3,0 %
|
3,9
–4,9 %
|
15,3
|
15,3
–0 %
|
nu.
|
29,7
|
29,7
–0 %
|
29,5
–0,7 %
|
Thorax
|
15,3
|
14,8
–3,4 %
|
14,2
–4,1 %
|
10,7
|
10,1
–6,0 %
|
8,8
–12,9 %
|
4,2
|
3,9
–9,1 %
|
3,5
–10,3 %
|
nu.
|
55,0
|
55,1 + 0,2 %
|
54,8
–0,5 %
|
Oberbauch
|
20,9
|
21,5
+ 3,1 %
|
8,5
–60,5 %
|
25,0
|
24,2
–3,1 %
|
19,8
–18,2 %
|
6,3
|
5,6
–10,4 %
|
4,6
–17,9 %
|
51,4
|
49,5
–3,8 %
|
nu.
|
137,9
|
141,6
+ 2,6 %
|
140,9
–0,5 %
|
PTC(D)
|
37,7
|
37,1
–1,7 %
|
20,4
–45,0 %
|
66,9
|
50,6
–24,4 %
|
42,0
–17,0 %
|
4,4
|
3,8
–11,8 %
|
2,7
–38,9 %
|
nu.
|
207,0
|
207,3
+ 0,1 %
|
206,0
–0,6 %
|
TIPSS
|
16,3
|
15,6
–4,0 %
|
12,9
–17,3 %
|
25,4
|
14,2
–43,9 %
|
8,5
–40,1 %
|
8,4
|
7,6
–9,2 %
|
6,8
–10,5 %
|
3,4
|
3,2
–3,8 %
|
nu.
|
74,3
|
74,5
+ 0,3 %
|
73,8
–0,9 %
|
Becken
|
16,3
|
15,9
–2,4 %
|
10,3
–35,2 %
|
41,1
|
40,9
–0,6 %
|
19,3
–52,8 %
|
7,1
|
6,7
–5,5 %
|
6,0
–10,4 %
|
nu.
|
212,7
|
212,7
–0 %
|
212,5
–0,1 %
|
Bein, retrograd, Oberschenkel
|
33,5
|
33,1
–1,5 %
|
31,8
–3,9 %
|
nu.
|
nu.
|
nu.
|
nu.
|
Bein, retrograd, Unterschenkel
|
29,6
|
28,8
–2,6 %
|
28,4
–1,4 %
|
nu.
|
nu.
|
nu.
|
nu.
|
Bein, antegrad, Oberschenkel
|
15,6
|
15,5
–0,8 %
|
6,4
–58,7 %
|
nu.
|
nu.
|
nu.
|
nu.
|
Bein, antegrad, Unterschenkel
|
11,6
|
11,3
–2,2 %
|
9,3
–17,7 %
|
nu.
|
nu.
|
nu.
|
nu.
|
Messungen des Scatter-Faktors (HP0,07/DFP in nSv/μGym2) bei verschiedenen Interventionen.
Erster Wert: Ohne Strahlenschutzmittel.
Zweiter Wert: Untertisch-Bleivorhang als alleiniges Strahlenschutzmittel.
Dritter Wert: Untertisch-Bleivorhang mit dem Übertisch-Aufsatz. In Kursivschrift relative
Dosisveränderungen in Prozent zum jeweils vorangehenden Wert.
Messung am Ort der strahlungsnahen Augenlinse des Untersuchers. Die Untersucherposition
wird durch den Zugang über die rechte Leiste vorgegeben (TIPSS von rechts jugulär,
PTCD von rechts transcostal). nu: nicht untersucht. Die Messungen am Kopf erfolgten
in 35°-LAO/RAO.
Die Linsendosis bleibt bei alleiniger Anwendung des Untertisch-Vorhangs gegenüber
den Messungen ohne Strahlenschutz weitgehend konstant. Im Rahmen der Messunsicherheit
ist auch der Wert bei der PA-Projektion am Oberbauch als konstant zu werten. Eine
etwas höhere Effizienz erreichte der Untertischschutz bei Schrägprojektionen, insbesondere
der 25°-LAO-Projektion der PTCD und der TIPSS (Reduktion von HP[0,07]/DFP um 24,4 bzw. 43,9 %).
Gegenüber der alleinigen Verwendung des Untertisch-Vorhangs konnte bei Einsatz des
kompletten tischmontierten Strahlenschutzes (Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz)
eine deutlichere Streustrahlungsreduktion dokumentiert werden. Für die PA-Projektion
verringerte sich der Scatter-Faktor bei den Interventionen am Abdomen zwischen 17,3 %
(TIPSS) und 60,5 % (Oberbauch). Das Ausmaß der Streustrahlungsreduktion war bei den
25°-RAO-Projektionen zwar etwas geringer als bei den jeweiligen LAO-Aufnahmen, allerdings
blieben die absoluten Streustrahlungswerte der 25°-RAO-Projektion etwa um den Faktor
3 – 4 unter denen der LAO-Aufnahmen (maximal Faktor 15 bei der PTCD).
Die höchsten Linsendosen wurden in den AP-Projektionen gemessen. Durch das tischmontierte
Strahlenschutzsystem ließen sich diese auch nicht relevant reduzieren.
[Tab. 2] zeigt die DFP-normierten Streustrahlungswerte bei Interventionen am Abdomen/Becken
unter Annahme eines korpulenten Patienten. Infolge der Anpassung der Aufnahmeparameter
durch die Belichtungsautomatik stiegen für eine vergleichbare Aufnahmeserie die DFP-Werte
gegenüber dem normgewichtigen Phantom etwa um den Faktor 3. Auch die Streustrahlungswerte
stiegen an, allerdings in einem etwas geringeren Ausmaß, was insgesamt zu einer leichten
Reduktion des Faktors HP(0,07)/DFP führte. Eine Ausnahme bilden wieder die AP-Projektionen, bei denen der
Faktor im Rahmen der Messunsicherheit unverändert blieb.
Tab. 2
Effizienz des geräteseitigen Strahlenschutzes bezüglich der Linsendosis des Untersuchers
beim dicken Patienten.
Interventionen
|
HP0,07/DFP in nSv/μGym2 bei verschiedenen Röhrenprojektionen
|
|
PA
|
25°-LAO
|
25°-RAO
|
90°-RAO
|
AP
|
Oberbauch
|
17,6
|
16,6
–5,9 %
|
10,7
–35,5 %
|
21,3
|
16,4
–33,0 %
|
5,9
–64,0 %
|
2,5
|
2,3
–5,3 %
|
2,0
–13,0 %
|
39,7
|
37,8
–4,9 %
|
nu.
|
145,5
|
151,4
+ 4,1 %
|
151,1
–0,2 %
|
PTC(D)
|
24,1
|
23,6
–1,6 %
|
7,8
–66,9 %
|
31,5
|
12,7
–59,8 %
|
9,5
–25,2 %
|
2,8
|
2,5
–13,6 %
|
1,9
–24,0 %
|
nu.
|
210,3
|
210,2
–0,1 %
|
210,2
–0,0 %
|
TIPSS
|
10,9
|
10,5
–3,6 %
|
8,6
–18,1 %
|
18,1
|
13,5
–25,7 %
|
3,7
–72,6 %
|
3,3
|
2,8
–15,4 %
|
2,5
–10,7 %
|
5,0
|
4,8
–5,1 %
|
nu.
|
76,5
|
76,5
–0 %
|
76,4
–0,1 %
|
Becken
|
15,3
|
12,4
–18,6 %
|
9,5
–23,4 %
|
29,9
|
29,8
–0,3 %
|
6,5
–78,2 %
|
5,4
|
4,5
–19,0 %
|
4,0
–11,1 %
|
nu.
|
194,6
|
194,1
–0,3 %
|
194,1
–0,0 %
|
Messungen des Scatter-Faktors (HP0,07/DFP in nSv/μGym2) bei verschiedenen Interventionen.
Erster Wert: Ohne Strahlenschutzmittel.
Zweiter Wert: Untertisch-Bleivorhang als alleiniges Strahlenschutzmittel.
Dritter Wert: Untertisch-Bleivorhang mit dem Übertisch-Aufsatz. In Kursivschrift relative
Dosisveränderungen in Prozent zum jeweils vorangehenden Wert.
Messung am Ort der Strahlungs-nahen Augenlinse des Untersuchers. Die Untersucherposition
wird durch den Zugang über die rechte Leiste vorgegeben (TIPSS von rechts jugulär,
PTCD von rechts transcostal). nu: nicht untersucht.
Die Streustrahlungsreduktion durch den geräteseitigen Strahlenschutz war insgesamt
vergleichbar mit den Ergebnissen am normgewichtigen Phantom. Bei den 25°-LAO-Projektionen
wurde durch Untertisch-Vorhang und Übertisch-Aufsatz eine Reduktion des Streustrahlungswerts
um 25,2 – 78,2 % beobachtet, damit lag die Effizienz des Strahlenschutzes noch über
den Messwerten am normgewichtigen Phantom. Mit 35,5 % lag die Streustrahlungsreduktion
für die PA-Angulation am Oberbauch etwas unter der Marke am normgewichtigen Phantom.
Die deckenmontierte Bleiglasscheibe konnte die Streustrahlungsdosis bei optimaler
Positionierung um den Faktor 26 – 29 verringern (Streustrahlungsreduktion um 96,2 %
bei 82 kV und 96,6 % bei 63,8 kV).
Bezüglich der Effizienz der Bleiglasbrillen und -visiere ergaben sich bei Bestrahlung
des Kopfphantoms in AP-Projektion für alle untersuchten Modelle vergleichbare Ergebnisse
mit einer Reduktion der Dosis gegenüber der Messung ohne Brille um 85,9 – 88 % für
beide Augen. Im exakt seitlichen Strahlengang konnten Dosisreduktionen zwischen 70,3 %
und 89,3 % für beide Augen dokumentiert werden, lediglich die Brille BR124, welche
eine Lücke zwischen dem Front- und Seitschutz aufweist, erreichte eine Dosisreduktion
von etwa 17 % für beide Augen.
Bei angiografischen Interventionen am Körperstamm wird das Untersucherauge durch Streustrahlung
mit seitlicher, kaudokranialer Einfallsrichtung exponiert. Bei einer derartigen Bestrahlung
des Kopfphantomes (75 – 90° von links lateral, 20 – 30° kaudokranial) ist die Strahlungsreduktion
für das strahlungsnahe, linke Auge meist besser als für das rechte Auge. Bei den 20°
kaudokranial angulierten, seitlichen Bestrahlungen werden für das strahlungsnahe Auge
Reduktionswerte zwischen 13 % und 87,7 % erreicht. Bei den 30°kaudokranial angulierten
Einstellungen weist die Brille GL3523 mit einer Streustrahlungsreduktion von 4 % (90°seitliche
Einstellung) und 43,7 % (75° seitliche Projektion) eine geringere Schutzwirkung auf.
Mehrfach werden für die stärker kaudokranial angulierten Einstellungen bei den Bleiacrylglasvisieren
Dosissteigerungen gegenüber der Messung ohne Schutzbrille dokumentiert ([Abb. 2], [Tab. 3]).
Abb. 2 Untersuchte Bleiglasbrillen und Bleiacrylglasvisiere, Radiografie des Kopfphantoms
aus 75° LAO mit 30° kaudokranialer Angulation. Zur Verdeutlichung des TLD-Messorts
wurden die Augen mit Metallkügelchen markiert. Modelle: a BR124, b GL3523, c BRV 501, d BRV 500.
Tab. 3
Effizienz der untersuchten Bleiglasbrillen und Bleiacrylglasvisiere bezüglich der
Augenlinsendosis des Untersuchers.
Bestrahlungsprojektionen des Schädelphantoms
|
|
Bleiglasbrillen und Bleiacrylglasvisiere
|
|
Auge
|
Brille BR124
|
Brille GL3523
|
Visier BRV 501
|
Visier BRV 500
|
AP (0° lateral, 0° kaudokran.)*
|
R
|
–85,2 %
|
|
|
|
L
|
–86,2 %
|
|
|
|
AP (0° lateral, 0° kaudokran.)
|
R
|
–87,6 %
|
–88,2 %
|
–86,3 %
|
–86,0 %
|
L
|
–88,0 %
|
–87,0 %
|
–86,6 %
|
–85,9 %
|
90° von links, 0° kaudokranial
|
R
|
–17,5 %
|
–70,9 %
|
–89,3 %
|
–84,7 %
|
L
|
–16,9 %
|
–74,9 %
|
–89,0 %
|
–84,7 %
|
90° von links, 20° kaudokran.
Körperstamm, z. B. Thorax
|
R
|
–17,0 %
|
–10,2 %
|
–75,8 %
|
+ 14,6 %
|
L
|
–71,9 %
|
–64,4 %
|
–88 %
|
–13,0 %
|
90° von links, 30° kaudokran.
Körperstamm
|
R
|
–16,5 %
|
–11,8 %
|
–5,9 %
|
+ 13,1 %
|
L
|
–10,7 %
|
–4 %
|
–82,1 %
|
+ 10,6 %
|
75° von links, 20° kaudokran.
Körperstamm
|
R
|
–55,8 %
|
–37,5 %
|
–85,3 %
|
–90,6 %
|
L
|
–86,9 %
|
–84,5 %
|
–87,7 %
|
–88,9 %
|
75° von links, 30° kaudokran.
Körperstamm, z. B. Abdomen
|
R
|
–9,5 %
|
–15,4 %
|
–20,3 %
|
–87,6 %
|
L
|
–81,8 %
|
–43,7 %
|
–86,9 %
|
–84,9 %
|
45° von links, 55° kaudokran., z. B. PTCD
|
R
|
–77,5 %
|
–6,5 %
|
+ 1,8 %
|
–86,1 %
|
L
|
–86,7 %
|
–2,8 %
|
+ 2,0 %
|
–83,5 %
|
25° von links, 45° kaudokran.
|
R
|
–88,4 %
|
–88,6 %
|
–2,6 %
|
–92,2 %
|
L
|
–88,0 %
|
–84,8 %
|
–83,7 %
|
–90,1 %
|
45° von rechts, 30° kaudokran.
z. B. TIPSS
|
R
|
–83,9 %
|
–82,7 %
|
–86,1 %
|
–87,3 %
|
L
|
–80,3 %
|
–81,5 %
|
–65,7 %
|
–90,0 %
|
Die Prozentangaben geben jeweils die Dosisänderung im Verhältnis zu einer Bestrahlung
ohne Schutzbrille wieder, negative Werte zeigen dabei eine Schutzwirkung der Brille
an. In der linken Spalte sind zu den Bestrahlungsprojektionen einige klinische Beispiele
angegeben. Die Einstellungen mit Bestrahlung 75 – 90° von links lateral bei 20 – 30°
kaudokranial anguliertem Strahlengang entspricht je nach bevorzugter Tischhöhe und
Monitorstellung den Untersuchungen des Körperstamms bei Zugang von der rechten Leiste
aus.
Die Messungen erfolgten mittels TLDs an einem Kopfphantom in Primärstrahlung (bei
70 kV).
Die mit * markierte Messung erfolgte in Streustrahlung (erzeugt durch 82kV-Bestrahlung
eines wasseräquivalenten Plattenphantoms einer SD von 30 cm).
Auf Grundlage der obigen Streustrahlungsmessungen gibt [Tab. 4] eine Abschätzung der Linsendosis für verschiedene, typische Interventionen wieder.
Tab. 4
Abschätzung der Linsendosis bei einer Auswahl fluoroskopischer Interventionen. Die
DFP-Daten stammen aus einer RIS-Auswertung des Klinikums Nürnberg Nord (jeweils oben)
und des Universitätsklinikums Erlangen (jeweils unten). Für den Strahlenschutz werden
die obigen Scatter-Faktor-Daten des jeweiligen PA-Strahlengangs und die Daten des
strahlungsnahen Auges des Brillenmodells GL3523, MD McCauley Co. Inc., zugrunde gelegt.
Der geräteseitige Strahlenschutz umfasst den Untertisch-Bleivorhang mit Übertisch-Aufsatz.
Für die Bleiglasscheibe wird ein konservativer Schutzfaktor von 7 angenommen [19]. In Klammern ist die maximale Untersuchungszahl pro Jahr bis zur Überschreitung
des empfohlenen ICRP-Grenzwerts von 20 mSv/a angegeben.
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Linsendosis HP(0,07) in μSv, in Klammern max. mögliche Untersuchungsanzahl pro Jahr
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Interventionen
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Stichprobenumfang n
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DFP in μGym2, Mittelwert
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nur Untertisch-Bleivorhang
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Untertisch-Bleivorhang und Übertisch-Aufsatz
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geräteseitiger SS (Bleivorhang und Aufsatz) + Bleiglasscheibe
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geräteseitiger SS+ Bleiglasscheibe + Bleiglasbrille
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Bronchialarterienembolisation
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16
4
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8 426,5
15 304,3
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124,7 (160)
226,5 (88)
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119,7 (167)
217,3 (92)
|
17,1 (1169)
31,0 (645)
|
6,1 (3278)
11,1 (1801)
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TIPSS
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30
11
|
28 290,0
34 187,6
|
441,3 (45)
533,3 (37)
|
364,9 (54)
441,0 (45)
|
52,1 (383)
63,0 (317)
|
9,0 (2222)
10,9 (1834)
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transarterielle
Leberembolisation
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44
11
|
9 132,4
16 884,3
|
196,3 (101)
363,0 (55)
|
77,6 (257)
143,5 (139)
|
11,1 (1801)
20,5 (975)
|
6,2 (3225)
11,5 (1739)
|
PTC(D)
|
32
k. A.
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2 914,7
|
108,1 (185)
|
59,5 (336)
|
8,5 (2352)
|
8,3 (2409)
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Blutungssuche
abdominal
|
30
11
|
12 597,4
28 193,1
|
270,8 (73)
606,2 (32)
|
107,1 (186)
239,6 (83)
|
15,3 (1307)
34,2 (584)
|
8,6 (2325)
19,3 (1036)
|
Embolisation Becken, z. B. Uterus
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33
4
|
7 020,0
9 089,3
|
111,6 (179)
144,5 (138)
|
72,3 (276)
93,6 (213)
|
10,3 (1941)
13,4 (1492)
|
5,8 (3448)
7,5 (2666)
|
antegrade PTA/Stent femoropopliteal
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39
16
|
631,1
504,8
|
9,8 (2040)
7,8 (2564)
|
4,0 (5000)
3,2 (6250)
|
0,6 (33 333)
0,5 (40 000)
|
0,3 (66 666)
0,3 (66 666)
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Diskussion
Bei angiografischen Interventionen ist das medizinische Personal, besonders der primäre
Untersucher, ionisierender Strahlung ausgesetzt und dies oft arbeitstäglich über viele
Berufsjahre. Die Hauptquelle dieser Strahlung ist die vom Patienten ausgehende Streustrahlung.
Im Gegensatz zur früheren Annahme, es gebe eine Schwellendosis bezüglich der Induktion
von Linsentrübungen von mindestens 0,5 – 2 Gy bei akuter Exposition und 5 – 6 Gy bei
Langzeitexposition [8], kommen neuere Untersuchungen zu dem Schluss, dass die Dosisschwelle auch bei fraktionierter
Exposition über einen längeren Zeitraum bei maximal 0,8 Gy liegt [3]
[4]. Da die Konfidenzintervalle jeweils den 0 Gy-Wert miteinschließen, existiert eventuell
auch keine Schwellendosis. Wirkungsvoller Strahlenschutz der Augenlinse ist daher
von besonderer Bedeutung.
DFP-normierte Streustrahlungsmessungen am Phantom ermöglichen, die Effekte von Strahlenschutzmaßnahmen
zu beurteilen. Trotz des prinzipiellen Problems der Übertragbarkeit von Ergebnissen
aus Phantomstudien auf die reale Untersuchung haben Messungen am Phantom einige Vorteile.
Sie gestatten eine gute Reproduzierbarkeit des Messaufbaus und ermöglichen es, für
jede Einzelmessung ein ausreichend hohes DFP zu applizieren mit entsprechend hohen
Streustrahlungswerten.
Wie in anderen Untersuchungen [13]
[14] zeigt sich auch bei der Messung der Linsendosis eine starke Abhängigkeit der Streustrahlungsexposition
von der Röhrenangulation. Je nach Untersuchungsregion ergibt sich gegenüber den jeweiligen
PA-Projektionen eine Reduktion der Streustrahlungsdosis für die 25°-RAO-Projektionen
um ca. 50 – 80 %. Hingegen ist für die 25°-LAO-Projektionen mit einer um etwa 30 – 50 %
höheren Streustrahlungsdosis gegenüber dem PA-Strahlengang zu rechnen. Mit Abstand
die höchste Streustrahlungsbelastung des Untersuchers zeigen die AP-Projektionen mit
Dosissteigerungen um den Faktor 3 – 13 gegenüber dem PA-Strahlengang. Ursächlich ist
in erster Linie die Rückstreuung des ungeschwächten und damit dosisintensiven Primärstrahlenbündels
vom Patienten. Die Leckstrahlung der nahe dem Untersucherauge platzierten Röntgenröhre
spielt eine geringere Rolle (ca. Faktor 0,25 des Streustrahlungsanteils).
An Strahlenschutzmitteln für die Augenlinse stehen dem Radiologen die persönliche
Schutzausrüstung in Gestalt einer Bleiglasbrille, die deckenmontierte Bleiacrylglasscheibe
und der geräteseitige Untertisch-Bleivorhang mit Übertisch-Aufsatz zur Verfügung.
Erwartungsgemäß zeigt hierbei der alleinige Untertisch-Vorhang nur eine minimale Schutzwirkung
der Untersucherlinse. Er ist jedoch wichtig für den Strahlenschutz der Beine des Untersuchers
[15]
[16].
Eine relevante Reduktion der Linsendosis kann jedoch erzielt werden, wenn das komplette
geräteseitige Schutzsystem bestehend aus Vorhang mit Aufsatz verwendet wird. Der Übertisch-Aufsatz
bedeckt die Patientenflanke und reduziert die für die Streustrahlungsbelastung wichtige
„Lücke“ zwischen dem Flachdetektor und Bleivorhang. Der RAO-Strahlengang ist auch
bei Anwendung des tischmontierten Strahlenschutzes gegenüber der LAO-Projektion für
die Untersucherdosis günstiger. Auch was die Effizienz des geräteseitigen Schutzsystems
anbelangt, bilden die AP-Einstellungen mit Abstand die ungünstigste Konstellation.
Anlagen mit Übertisch-montierter Röntgenröhre sind daher nicht für regelmäßige interventionelle
Eingriffe geeignet [17].
Die deckenmontierte Bleiacrylglasscheibe hat durch ihre große Fläche das Potenzial,
Kopf und Oberkörper des Untersuchers zu schützen. Durch ihren Einsatz kann die Streustrahlungsdosis
um ca. den Faktor 30 gesenkt werden. Einen vergleichbaren Schutzfaktor von 27,5 ermittelte
Eder für eine 0,5 mm Bleifolie bei 80 kV-Strahlung [18]. In der Realität liegt der Schutzfaktor der deckenmontierten Bleiglasscheibe jedoch
niedriger und wird zwischen 3 und 11 angegeben [5]
[19]. Das Problem liegt in der praktischen Verwendung, da die Scheibe während der Intervention
den Zugang zum Patienten erschwert und wiederholt repositioniert werden muss, um ihre
maximale Wirkung zu entfalten. Die Effizienz der Bleiacrylglasscheibe ist daher abhängig
vom korrekten Einsatz durch den Radiologen.
Bezüglich der persönlichen Strahlenschutzausrüstung erreichten alle getesteten Brillen
und Visiere eine Reduktion der Linsendosis um etwa 85 – 90 %. Die Ergebnisse sind
damit vergleichbar mit früheren Untersuchungen [20]
[21]. Allein aufgrund des Bleigleichwerts der getesteten Brillengläser von 0,5 bzw. 0,75 mm
wären theoretisch bessere Schutzwirkungen erreichbar (Reduktion der Transmission um
ca. 99 % bei einem BGW von 0,5 mm und 70kV-Strahlung). Ursächlich für die geringere
Schutzwirkung ist die vom Kopfphantom ausgehende Streustrahlung. Es überrascht daher
nicht, dass Brillen und Visiere für die AP-Bestrahlung des Kopfes gleich abschneiden,
obwohl der BGW der Visiere mit 0,1 mm Bleiäquivalent deutlich geringer ist. Der Vorteil
der Visiere liegt in der größeren Fläche des Bleiacrylglases, die die Streustrahlungsbelastung
der Augenlinse durch das Kopfphantom besser reduziert. Daneben ist anzumerken, dass
nominelle BGW-Angaben die Schwächungseigenschaften verschiedener Materialien eventuell
unzureichend beschreiben [22]. Gewöhnlich blickt der Untersucher während der Bildaufnahme oder der Durchleuchtung
nicht auf den Patienten, als Hauptquelle der Streustrahlung, sondern auf den Monitor.
Abhängig von der Positionierung des Monitors erreicht die Streustrahlung das Untersucherauge
hierbei von ventrolateral bis lateral mit kaudokranial gerichtetem Verlauf [23]. Bestrahlungen des Kopfphantoms mit einer entsprechenden Projektion geben die Situation
angiografischer Interventionen somit realistischer wieder. Die teils deutlich unterschiedliche
Schutzwirkung der getesteten Modelle ist hierbei abhängig vom spezifischen Design.
Eine großflächige Blei-Abdeckung der Augenlinse, die nicht nur die Direktstrahlung,
sondern auch die Streustrahlung der angrenzenden Abschnitte des Kopfphantomes reduziert,
ergibt Schutzwirkungen um den Faktor 8 – 10. Schlechter schneiden die untersuchten
Modelle bei stärker kaudokranial anguliertem Strahlengang ab, da die Linse zunehmend
an den Bleiabschirmungen vorbei durch Direktstrahlung getroffen werden kann. Derartige
Bestrahlungswinkel ergeben sich bei Untersuchungen des Abdomens oder Beckens mit femoralem
Gefäßzugang oder bei perkutanen Galleinterventionen. Teilweise konnten hier sogar
Dosissteigerungen durch die Schutzvisiere beobachtet werden, bedingt wahrscheinlich
durch sekundäre Streuungseffekte von der augenzugewandten Rückseite des großflächigen
Bleiacrylglases. Einen ähnlichen Effekt beobachtete Moore [24] bei Bleiglasbrillen ohne Seitschutz. Einschränkend ist anzumerken, dass die Schutzwirkung
der Bleiglasbrillen und -visiere anhand von Messungen in Primärstrahlung beurteilt
wurde. Nötig war dies, um die TLDs bei jedem Messdurchgang mit einer ausreichenden
Dosis zu bestrahlen. Aufgrund der zu erwartenden, höheren Transmission von Primärstrahlung
durch das Bleiglas [25] stellen die vorliegenden Messungen eine konservative Abschätzung der Situation in
Streustrahlung dar. Gegenüber einer Messung in Streustrahlung ergeben sich daneben
Unterschiede im räumlichen Aufbau des Strahlenfeldes. Aufgrund ihres kleinen Fokus
ist die Röntgenröhre als Punktquelle anzusehen. Entsprechend erzeugt die Bleiglasbrille
in Primärstrahlung exakte Röntgenschatten und keine Halbschatteneffekte wie in Streustrahlung
eines Patientenphantoms. Betroffen sind hierbei jedoch vorwiegend Projektionen, bei
denen sich TLDs jeweils nahe an die Kanten des Bleiglases projizieren.
Zur Einhaltung der neuen, von der ICRP empfohlenen Dosisgrenzwerte der Augenlinse
ist eine konsequente und kombinierte Anwendung der Strahlenschutzmittel anzuraten.
Die alleinige Verwendung von Strahlenschutzbrillen könnte aus den genannten Gründen
ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Künftig ist auch die Überwachung der Teilkörperdosis
der Augenlinse anzuregen, eventuell auch durch elektronische Personendosimeter mit
akustischer Warnung bei hoher Dosisleistung [26]. In ihrer aktuellen Publikation ICRP 118 (Oktober 2012) wird für die Kataraktbildung
ein Schwellenwert von 500 mGy vorgeschlagen [27].