ergopraxis 2012; 5(10): 8-9
DOI: 10.1055/s-0032-1329310
gesprächsstoff
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Das wird leicht übersehen – Die Top 10 der Absetzungsgründe

Yvonne Görmar

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Publication Date:
05 October 2012 (online)

 

    Ein leidiges Thema im ergotherapeutischen Praxisalltag ist das zeitintensive Prüfen von Verordnungen - und dennoch werden immer wieder Rezepte von den Krankenkassen nicht bezahlt. Laut den Abrechnungsfirmen optadata und azh gibt es typische Fehler, die Therapeuten häufig übersehen.


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    Yvonne Görmar

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    Yvonne Görmar ist Referentin für Praxisangelegenheiten beim Deutschen Verband der Ergotherapeuten DVE e.V. Sie berät vor allem Praxisinhaber und verhandelt mit den Krankenkassen.

    1 Zuzahlungsbefreiung liegt nicht vor

    Ist auf der Verordnung irrtümlich „Gebühr frei“ angekreuzt, weigert sich die Krankenkasse zu Recht, den Gesamtbetrag inklusive Zuzahlung zu leisten. Um eine Absetzung zu vermeiden, lässt man sich am besten immer den Befreiungsausweis vom Patienten zeigen und macht eine Kopie für die Patientenakte.

    2 Fristen für Beginn und Unterbrechung nicht eingehalten

    Die Frist für den Behandlungsbeginn und für Unterbrechungen liegt immer bei 14 Tagen. Alle Rahmenverträge sehen in der Ergotherapie vor, dass in begründeten Ausnahmefällen der Behandlungsbeginn nach Rücksprache mit dem Arzt später erfolgen kann. Auch längere Unterbrechungen sind möglich. In beiden Fällen sollte man unbedingt daran denken, dies auf der Rückseite der Verordnung zu dokumentieren, denn oft verweigern die Kassen Nachbesserungen.

    3 Begründung bei einer Verordnung außerhalb des Regelfalls fehlt

    Manche Krankenkassen verzichten auf die Genehmigung für eine Verordnung außerhalb des Regelfalles, legen aber dennoch Wert auf eine Begründung durch den Arzt. Fehlt diese, kann es zu Absetzungen kommen. Ist die „Verordnung außerhalb des Regelfalles“ angekreuzt, sollte man umgehend prüfen, ob auch eine Begründung unten links auf dem Rezept angegeben ist.

    4 Genehmigung bei Verordnung außerhalb des Regelfalls fehlt

    Das Einholen der Genehmigung für Verordnungen außerhalb des Regelfalls kann in zwei Fällen problematisch werden: erstens bei Hausbesuchspatienten, wenn die Verordnung nicht in der Praxis vorgelegt wurde und die Therapeutin übersehen hat, dass eine Genehmigung eingeholt werden muss. Zweitens bei „unbekannten“ Kassen wie einer Betriebskrankenkasse oder der AOK eines anderen Bundeslandes. Die meisten Krankenkassen verzichten auf das Genehmigungsverfahren, manch Allgemeine Ortskrankenkasse oder Betriebskrankenkasse führt es aber durch. Daher sollte man sich im Zweifel vergewissern. Generell gibt es ohne Genehmigung keine Vergütung - Ausnahmen sind sehr selten.

    5 Indikationsschlüssel fehlt, ist unvollständig oder falsch

    In der Ergotherapie besteht der Indikationsschlüssel lediglich aus der Diagnosegruppe. Von den vier Feldern sind daher nur drei auszufüllen. Auch bei Folgeverordnungen gilt es stets, Diagnose und Altersgruppe zu kontrollieren, zum Beispiel „ENI“ für „ZNS-Schädigungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres“ oder „EN2“ für „ZNS-Schädigungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres“. Denn: Besonders ärgerlich ist eine Absetzung aufgrund eines Fehlers beim Indikationsschlüssel, da er lediglich den Krankenkassen für statistische Zwecke dient.

    6 Diagnose, indikationsschlüssel und Maßnahme stimmen nicht überein

    Der Indikationsschlüssel muss mit der Diagnose übereinstimmen. Hier hilft ein Blick in den Heilmittelkatalog. Auch die verordnete Maßnahme muss zum Indikationsschlüssel passen. Im Heilmittelkatalog steht in der rechten Spalte, welche Maßnahmen bei der jeweiligen Diagnosegruppe verordnet werden können. Bei EN2 kann der Arzt zum Beispiel zwischen allen vier Maßnahmen auswählen. Bei jeder Verordnung gilt es, auf die Details zu achten - gerade bei Folgeverordnungen passiert es schnell, dass man einen Fehler übersieht.

    7 Klinikaufenthalt nicht beachtet

    Wer für eine ambulante Behandlung einen Tag angibt, an dem auch ein Krankenhaus eine stationäre Versorgung abrechnet, riskiert bei den Kassen den Verdacht auf „Abrechnungsbetrug“. Passieren kann das, wenn man Termine „schiebt“ - die Konsequenz ist immer eine Absetzung der Vergütung, meist auch eine Vertragsstrafe. Allerdings muss die Kasse die ambulante Ergotherapie am Tag der Aufnahme oder Entlassung zahlen; in diesen Fällen sollte man daher Widerspruch einlegen.

    8 Rückseite falsch ausgefüllt

    Die Rückseite einer Verordnung dient den Angaben der ergotherapeutischen Praxis -abgesehen vom oberen Viertel, auf dem die Krankenkasse ihre Genehmigung erteilt oder ablehnt. Schon in der Tabelle „Empfangsbestätigung“ warten einige Tücken: Bei „Datum“ ist stets das tatsächliche Datum der Behandlung einzutragen. In die Spalte „Maßnahmen“ tragen Ergotherapeuten die durchgeführte Maßnahme als Volltext ein, und zwar in jeder Zeile. Pfiffige Praxen haben dafür Stempel. Die Heilmittelpositionsnummer allein reicht nicht aus. Bei Hausbesuchen und thermischer Anwendung muss man auch diese Leistungen aufführen und quittieren. Der Patient bzw. stellvertretend die Mutter, der Ehemann oder der Pfleger unterschreibt dann am Tag der Therapie. Bei Unklarheiten sollte man erläutern, wer unterschrieben hat.

    Eine Änderung der Frequenz oder der Wechsel von einer Gruppen- zur Einzeltherapie können Heilmittelerbringer selbst vornehmen. Sie notieren dies auf der Rückseite der Verordnung unten links, ebenso wie den Hinweis, dass die notwendige Rücksprache mit dem Arzt erfolgte. Dasselbe gilt für Unterbrechungen. Lediglich einen Grund zu nennen, reicht nicht aus, man muss ihn auch mit Datum und Namenszeichen auf der Rückseite versehen.

    9 Hausbesuche falsch abgerechnet

    Je nach Bundesland und Kassenart unterscheiden sich die Hausbesuchspauschalen enorm. Klassischerweise rechnet man eine Behandlung im häuslichen Umfeld bzw. den ersten Patienten in einer sozialen Einrichtung mit einer „großen“ Pauschale plus Kilometergeld ab (Pos.-Nr. 59901). Die Vergütung dafür bewegt sich zwischen 7,50 Euro und 8,50 Euro im Westen (im Osten zwischen 5,50 Euro und 5,90 Euro). Es gibt aber auch andere Varianten. Praxisinhabern sei daher geraten, sich mit den jeweils geltenden Regelungen vertraut zu machen - zum Beispiel anhand der Original-Preisvereinbarungen des DVE. Um die korrekte Pauschale bei Behandlungen in sozialen Einrichtungen abzurechnen, hilft es, in der Patientendokumentation zu notieren, ob der Patient der erste/einzige war oder ein „weiterer“ (Pos.-Nr. 59901/59902).

    10 Verordnungsmenge überschritten

    In der Ergotherapie beträgt die Höchstverordnungsmenge im Regelfall zehn (Ausnahme: sechs Verordnungen bei Indikationsschlüssel „SB4“). Im Zusammenhang mit Doppelbehandlungen oder der Abrechnung einer „Beratung zur Integration ins häusliche oder soziale Umfeld“ ist Sorgfalt geboten: Eine Doppelbehandlung besteht immer aus zwei Einheiten (dann wären fünf Termine möglich). Eine Beratungseinheit zählt mit -bei drei Einheiten Beratung hätte man noch sieben Einheiten für die Therapie; Ausnahmen bilden die Ersatzkassen/LKK.

    Bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls ist die Verordnungsmenge von der Frequenz abhängig. Verordnet ein Arzt beispielsweise zweimal wöchentlich Ergotherapie, also 24 Einheiten für zwölf Wochen, ist es nicht erforderlich, die Verordnung in zwölf Wochen abzuarbeiten; Unterbrechungen sind möglich und werden addiert.

    ABSETZUNGEN VERMEIDEN

    Tipps des DVE

    Immer wieder kursiert Abrechnungsbetrug durch Therapeuten in den Medien. Aus Sicht der Krankenkassen liegt er vor ...

    • > ... bei nicht erbrachten Leistungen (bei abgesagten Terminen),

    • > ... bei nicht an diesem Tag erbrachten Leistungen (anderes Datum bei Terminschiebungen eingetragen) oder

    • > ... bei nicht so erbrachten Leistungen (Gruppe erbracht und Einzelbehandlung abgerechnet; 30 Minuten behandelt und 45 Minuten abgerechnet).

    Abrechnungsmanipulation fliegt auf, da die Kassen hin und wieder nicht nur die Verordnung prüfen, sondern auch die therapeutische Leistung, zum Beispiel durch Patientenfragebögen.

    Krankenkassen setzen voraus, dass Ergotherapeuten die Regeln kennen. Praxisinhaber sollten also Heilmittel-Richtlinie (HMR) und Heilmittelkatalog sowie die für sie relevanten Rahmenverträge mit allen Anlagen lesen.

    Von Vorteil ist es, DVE-Mitglied zu sein. Als Vertragspartner der Krankenkassen kann der Berufsverband beraten und sich auch bei den Kassen für einen kulanten Umgang mit den Ergotherapiepraxen einsetzen. Das erspart viel Ärger und unterstützt die berufspolitische Arbeit des Verbandes.

    ERSTE HILFE

    Was tun bei Rechnungskürzung?

    Bewahren Sie Ruhe und prüfen Sie als Praxisinhaber, ob ein Fehler nicht wieder gutzumachen ist. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, nervt die Kasse, bis er eine zufriedenstellende Antwort hat. Praxen, die sich nicht alles gefallen lassen und sich auch bei kleineren Beträgen wehren, haben mittelfristig Erfolg.

    Es ist wichtig zu verstehen, wie eine Kasse „tickt“. Das setzt einen guten Draht zu den Sachbearbeitern voraus. So kann man Verordnungen vorsortieren - mehrmalige Prüfvorgänge sind nur bei kontrollier- und absetzungsfreudigen Kassen notwendig.

    Einen guten Draht braucht man auch zu Arztpraxen. Hilfreich ist eine Kategorisierung: „ist kooperativ“, „ist genervt, ändert aber“ und „hoffnungsloser Fall“. Konzentrieren sollte man sich auf die genervten, aber hilfsbereiten Praxen. Ärzte, die sich gegen die Korrektur von Verordnungen sperren, überlässt man den Kassen mit der Info, dass die Verordnung vom Arzt so - falsch - gewollt ist.

    Eine fehlende Kontrolle durch den Arbeitgeber ist riskant, da Mitarbeiter bei Abrechnungsfehlern nicht selbst haften, sondern nur bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Fehlern. Praxisinhaber tun also gut daran, ein Prozedere für die Kontrolle von Verordnungen und Abrechnungen zu entwickeln.


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