Laryngorhinootologie 2012; 91(11): 739-740
DOI: 10.1055/s-0032-1327641
Leserbrief
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Antwort zum Leserbrief: Stellungnahme zum Leserbrief von Herrn PD Dr. med. Bernd Mayer, Zürich, zum Artikel von Stange, Th.: „Möglichkeiten der Rekonstruktion von Septumdefekten“, LRO 2011; 90: 709–711

T. Stange
1   HNO-Gemeinschaftspraxis Neuss, Neuss
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Publication Date:
26 October 2012 (online)

Für den Kommentar von Herrn Mayer zu meinem Round-Table-Beitrag „Möglichkeiten der Rekonstruktion von Septumdefekten“ möchte ich mich zunächst sehr bedanken. Seinem Einwand, dass die sog. „extramukosale“ Schleimhautmobilisation von R. Meyer prinzipiell mit dem Brückenlappenkonzept von H.-]. Schultz-Coulon identisch sei, muss ich allerdings widersprechen. Richtig ist, dass auf den ersten Blick beide Verfahren sich recht ähnlich zu sein scheinen. Meines Erachtens bestehen jedoch bei genauem Hinschauen gravierende Unterschiede. R. Meyer hat seine Methode erstmals zusammen mit A. Berghaus 1983 [2], Schultz-Coulon sein Brückenlappenkonzept erstmals 1989 [5] publiziert. Beide Verfahren haben lediglich die ausgedehnte endonasale Schleimhautmobilisation gemeinsam, die übrigens nicht von R. Meyer, sondern von dem Amerikaner RC Seeley [9] aus dem Jahre 1949 stammt. Seeleys Idee wurde von verschiedenen Autoren aufgegriffen – z. B. von Fairbanks [1], Meyer und Berghaus [2], Romo III [3], Mina [4] – ohne dass diese Autoren Seeleys Arbeit zitierten. Wahrscheinlich wurde die ausgedehnte endonasale Schleimhautmobilisation verschiedentlich ohne Kenntnis des Vorschlags von Seeley immer wieder neu erfunden. Auch Schultz-Coulon zitiert Seeley in seiner Publikation von 1989 nicht, sondern erst in späteren Veröffentlichungen (z. B. Schultz-Coulon 1994a, 1994b, 2005 [6] [7] [8]) und bezieht sich hinsichtlich der endonasalen Schleimhautmobilisation auf die Arbeit von Meyer und Berghaus. Allerdings betrachtet er das Meyer’sche Verfahren mit Kritik, da es seiner Ansicht nach die äußere Nasenform gefährden könnte. Diese Sorge scheint mir bei genauer Analyse der Methodendarstellung von Meyer und Berghaus nachvollziehbar. Meyer und Berghaus wählten als Zugangsweg eine ausgedehnte bilaterale Naseneingangsinzision, die eine Transfixion einerseits nach oben mit einer intercartilaginären Inzision und andererseits nach unten mit einer Verlängerung des Transfixionsschni­ttes nach lateral verband, die um den vorderen Kopf der unteren Nasenmuschel bis auf die Lateralwand des unteren Nasenganges geführt wurde. Von diesem Zugang aus erfolgte die beiderseitige Mobilisation der Nasenschleimhaut einschließlich Abtrennung beider Lateralknorpel vom Septum, nach der, so die Autoren, die Schleimhautdefekte bds. zu Schlitzen kollabierten und sich somit leicht vernähen ließen. Die Abb. 13 dieser Arbeit zeigt außerdem den Zustand nach beiderseitiger, frisch vernähter Alatomie, wobei die Autoren offenlassen, aus welchem Grund diese Zusatzmaßnahme getroffen wurde. Für den Verschluss des Knorpeldefektes wurden 3 Möglichkeiten beschrieben: erstens die Dorsalverschiebung des vorderen knorpligen Restes der Lamina quadrangularis nach entsprechender Knorpelexzision im Bereich des Defektes, zweitens ein push-down der knöchernen Nase nach entsprechender horizontaler Knorpelexzision am Septum und drittens die Entnahme von Knorpelfragmenten aus dem dorsalen Septum. Diese Empfehlungen scheinen mir nicht unbedenklich, da die ersten beiden Maßnahmen die äußere Nasenform nicht unerheblich gefährden und die dritte nur selten möglich ist, weil besonders bei iatrogenen Septumdefekten (ca. 2/3 aller Fälle!) der Knorpel im dorsalen Septum meistens fehlt.

Um die sowohl bei spontanen als auch vor allem bei postoperativen Septumdefekten ohnehin gefährdete Abstützung der Nasenspitze nicht weiter zu schwächen und um außerdem einer „hidden columella“ vorzubeugen, entwarf Schultz-Coulon dagegen ein Konzept, das mit möglichst gering traumatisierendem Zugangsweg und möglichst ohne Stabilitätsminderung des knorpeligen Restseptums einen zuverlässigen 3-schichtigen Verschluss eines Septumdefektes ermöglichte, und zwar nicht nur für Defekte bis 2 cm wie von Meyer und Berghaus für ihre Methode vorgesehen, sondern auch für deutlich größere Defekte. Er erinnerte sich an die Brückenlappenidee von A. Seifert (1936) [10] und kombinierte sie mit einer ausgedehnten, grundsätzlich ­beiderseitigen endonasalen Schleimhautmobilisation, und zwar nur von einem rechtsseitigen Hemitransfixionsschnitt aus. Durch entsprechende Lokalisation von Entlastungsinzisionen entlang der Lateralwand des unteren Nasenganges (bis in das Vestibulum nasi hinein!) auf beiden Nasenseiten, bzw. entlang des Nasendaches (ebenfalls beidseitig) entstanden dann die leicht zu verschiebenden breiten Brückenlappen. Zur Auffüllung des Knorpeldefektes verwendete er ein autogenes Knorpeltransplantat aus Ohrmuschel, Rippe oder dorsalem Restseptum (Letztgenanntes nur selten, da nur möglich bei kleinen Spontandefekten ohne Voroperation). Die besondere Bedeutung gerade der lückenlosen Auffüllung des Knorpeldefektes durch ein autogenes Knorpeltransplantat (und nicht etwa Bankknorpel, Faszie oder Knochen) für die Heilung des Septumdefektes hat Schultz-Coulon immer wieder betont, da der autogene Knorpel eine ideale, bradytrophe Wachstumsoberfläche für die meist entzündlich vorgeschädigte, oft mangelhaft durchblutete und daher heilungsgefährdete Septumschleimhaut darstelle.

Zusammengefasst scheint mir damit ausreichend begründet, dass das Brückenlappenkonzept bzw. wie ich richtiger finde: das „erweiterte“ Brückenlappenkonzept nach Schultz-Coulon – ein durchaus eigenes chirurgisches Konzept darstellt, das ausweislich seiner mehrfach nachgewiesenen hervorragenden Erfolgsaussichten eines der schwierigsten rhinochirurgischen Probleme gelöst hat. Mit Recht hat es sich daher als Methode der Wahl für den Septumdefektverschluss durchsetzen können und wurde entsprechend – wie eine kürzliche Umfrage an deutschen HNO-Kliniken zeigte (Th. Stange und H.-J. Schultz-Coulon, 2010) [11] – nahezu flächendeckend übernommen.

 
  • Literatur

  • 1 Fairbanks D. Closure of nasal septal perforations. Arch Otolaryngol 1980; 106: 509-513
  • 2 Meyer R, Berghaus A. Closure of perforations of the septum including a single-session method for large defects. Head Neck 1983; 5: 390-400
  • 3 Mina M, Downar-Zapolski Z. Closure of nasal septal perforations. J Otolaryngol 1994; 23: 165-168
  • 4 Romo T, Foster C, Korovin G, Sachs M. Repair of nasal septal perforation utilizing the midface degloving technique. Arch Otolaryngol Head Neck Surg 1988; 114: 739-742
  • 5 Schultz-Coulon H-J. Das Brückenlappenkonzept zum Verschluß großer Septumdefekte. HNO 1989; 37: 123-127
  • 6 Schultz-Coulon H-J. Endonasale Brückenlappentechniken für den Septumdefektverschluß. HNO 1994; 42: 510-520
  • 7 Schultz-Coulon H-J. Experiences with the bridge-flap technique for the repair of large nasal septal perforations. Rhinology 1994; 32: 25-33
  • 8 Schultz-Coulon H-J. Three-Iayer repair of nasoseptal defects. Otolaryngol Head Neck Surg 2005; 132: 213-218
  • 9 Seeley RC. Repair of septal perforations. Laryngoscope 1949; 59: 130-146
  • 10 Seiffert A. Die Operationen an Nase, Mund und Hals. Barth: Leipzig; 1936: 146-148
  • 11 Stange Th, Schultz-Coulon H-J. Nasenseptumdefektverschlüsse in Deutschland: Eine aktuelle Bestandsaufnahme. Laryngo- Rhino-Otologie 2010; 89: 157-161