Viele Krankenhausärzte fühlen sich in ihrem Beruf nicht wohl. Einer Befragung von
729 Assistenzärzten durch die Fachhochschule Münster zufolge sind 20 % mit ihrer Berufswahl
unzufrieden. Nur 40 % können sich mit ihrer Arbeitsstelle identifizieren. Lediglich
ein Drittel würde den Arztberuf grundsätzlich weiterempfehlen.
Hauptgründe für die Unzufriedenheit sind Stress im Berufsalltag (57,2 %) und zu wenig
Freizeit (54,6 %) beziehungsweise eine fehlende Bezahlung von Überstunden oder die
Möglichkeit zum Freizeitausgleich (49,6 %). Neben einem guten Betriebsklima wünschen
sich 94,7 % der befragten Assistenzärzte eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und
Familie.
Flexiblere Arbeitszeiten und ver-lässliche Kinderbetreuung sind wichtig
”Familienfreundlichkeit fordert in den nächsten Jahren Praxen und Krankenhäuser noch
intensiver als bisher heraus. Die Nachfrage nach familienfreundlichen Arbeitszeiten
und nach mehr Teilzeitarbeitsstellen für Ärzte und Ärztinnen wird weiter zunehmen“,
so Prof. Frieder Hessenauer, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz (LÄK
RP) bei einer Fortbildungsveranstaltung in Mainz.
Flexiblere Arbeitszeitmodelle und verlässliche Kinderbetreuungen seien wichtig, damit
Ärztinnen und Ärzte sich nicht zwischen Beruf und Familie zerreißen und verschleißen,
sondern auch in Zukunft ihren Traumberuf gut, kompetent, verlässlich und vor allem
zufrieden ausüben können, betonte Hessenauer.
Dies gelte auch für das Pflegepersonal, ergänzte Doris Seis von der Bundesarbeitsgemeinschaft
Leitender Pflegepersonen. Seis forderte mehr kreative Ansätze und eine stärke Kooperation
der Beteiligten, einschließlich der Politik. Eine Mitarbeiterbindung werde viel zu
häufig noch reaktiv betrieben, wenn eine Fachkraft zum Beispiel kündigen wolle, kritisierte
Konrad Einig, Leiter Personalmanagement im Koblenzer Stiftungsklinikum Mittelrhein.
An deutschen Krankenhäusern sind ferner Angebote zur Kinderbetreuung bislang Mangelware.
Eine Studie des Deutschen Krankenhausinstituts ergab, dass lediglich 19,2 % aller
Kliniken eine betriebliche Kinderbetreuung vorhalten.
Wie bedeutsam ein Betriebskindergarten für die Personalgewinnung und -bindung sein
kann, belegt indes das Beispiel des DRK-Krankenhauses Kirchen. Bereits in den Vorstellungsgesprächen
werde auf die Möglichkeit hingewiesen, den Nachwuchs während der Arbeitszeiten im
Kindergarten des Krankenhauses unterbringen zu können, machte Klaus Schmidt, Kaufmännischer
Direktor der Klinik, deutlich. ”Insbesondere beim ärztlichen Dienst stößt das Angebot
auf großes Interesse.“ Dies habe im Ergebnis zu einer Zunahme der Bewerbungen und
eine höhere Personalbindung geführt, so Schmidt.
Flexible Arbeitszeitangebote sind auch deshalb von enormer Bedeutung, da es unter
anderem vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung aller Voraussicht nach
in den nächsten Jahren zu einem dramatischen Fachkräftemangel kommen wird. Dr. Annegret
Schoeller von der Bundesärztekammer (BÄK) wies darauf hin, dass Studien zufolge die
Personallücke im ärztlichen Bereich bis 2030 schätzungsweise auf 165 000 Kräfte anwachsen
wird. Im nicht-ärztlichen Bereich blieben zum selben Zeitpunkt möglicherweise sogar
786 000 Stellen unbesetzt.
”Bislang ist Teilzeitarbeit die häufigste Antwort auf die Doppelbelastung durch Arbeit
und familiäre Pflichten“, sagte Schoeller. ”Sinnvoller wäre jedoch der Ausbau von
Betreuungsmöglichkeiten, um die Teilzeitarbeit zurückzudrängen und damit das Fachkräftepotenzial
insbesondere bei Frauen besser auszuschöpfen.“
Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
Familienfreundlichkeit könne zudem ein wichtiger Erfolgsfaktor im Wettbewerb und die
besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt sein, betonte Bernd Decker
vom Verband der Krankenhausdirektoren. Dabei konkurrieren Krankenhäuser sowohl untereinander
als auch mit niedergelassenen Praxen um qualifiziertes Personal.
Eine geringere Fluktuationsrate und eine höhere Zufriedenheit rechneten sich auch
betriebswirtschaftlich für Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen, ist
die Gesundheitsministerin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer überzeugt. Sinnvolle Lösungsansätze,
die mehr Flexibilität ermöglichten, seien beispielsweise Weiterbildungsangebote in
Teilzeit, Telearbeitsplätze sowie Fortbildungsmöglichkeiten während der Elternzeit
beziehungsweise Beratungsangebote für Wiedereinsteiger in den Beruf.
Um familienfreundliche Angebote im Gesundheitswesen flächendeckend realisieren zu
können, bedürfe es der gemein-samen Anstrengung von Politik, Unternehmen und der ärztlichen
Selbstver-waltung, mahnte Schoeller. Andere europäische Staaten, wie Frankreich und
die skandinavischen Länder, seien hier schon weiter.