Im Jahr 2009 ließen sich 70 568 Patienten aus dem Ausland in deutschen Krankenhäusern
behandeln. Das sind 4,3 % mehr als im Vorjahr. Wegen einer ambulanten Behandlung suchten
schätzungsweise 105 000 internationale Patienten eine Klinik auf. Ihr Anteil an der
Gesamtzahl aller Klinikpatienten liegt damit bei 0,4 % und somit noch weit unter dem
von der Europäischen Kommission angenommenen Wert von rund 2 %.
Bei einer Befragung von 35 Kliniken durch die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg kam auch
heraus, dass die Nutzung deutscher Einrichtungen durch ausländische Patienten stark
nach Kliniken und Abteilungen variiert. So verzeichnen vor allem Krankenhäuser in
Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg einen hohen Zulauf.
Die meisten Patienten stammen aus den Benelux-Ländern
Dennoch ist Jens Juszczak, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule und verantwortlich
für die Studie, überzeugt: ”Deutsche Kliniken werden von einer möglichen Zunahme innereuropäischer
Behandlungsreisen profitieren.“ Schon jetzt sei eine stärkere Nachfrage aus Ländern
wie den Niederlanden oder Polen zu verzeichnen. ”Inwieweit die ausländischen Kostenträger
mit dieser Nachfrageentwicklung Schritt halten, bleibt allerdings abzuwarten“, so
Juszczak.
Bei den westeuropäischen Staaten liegen die Benelux-Länder als Quellmarkt für deutsche
Kliniken weit vorn. 73,5 % der befragten Einrichtungen haben in 2009 Patienten von
dort behandelt. Spitzenreiter ist die Niederlande. Von hier kamen 7000 Patienten zur
stationären Versorgung. ”Das liegt unter anderem daran, dass das deutsche Gesundheitssystem
in vielen Bereichen günstiger arbeitet als das niederländische“, erklärt Juszczak.
Es folgten Frankreich mit 6000 Patienten sowie Österreich mit 5500 Patienten und Polen
mit etwa 4800 Patienten.
Ein vergleichbarer Trend lässt sich bei den ambulant versorgten Patienten in Krankenhäusern
hierzulande feststellen. Auch Russen scheint es mehr und mehr zur Behandlung nach
Deutschland zu ziehen. Verglichen mit 2004 stieg ihr Anteil in 2009 um 354 %. Aus
den Vereinigten Arabischen Emiraten waren die Zahlen hingegen rückläufig.
Besonders gefragt sind bei der ausländischen Klientel Leistungen der Orthopädie, Inneren
Medizin, Allgemein- und Viszeralchirurgie, der Unfall- und orthopädischen Chirurgie
sowie der Kardiologie und Onkologie. Juszczak schätzt, dass die ausländischen Patienten
den Kliniken Erlöse in Höhe von rund 850 Millionen Euro pro Jahr einbringen.
Abb. 1 Prozentuale Veränderung 2004 bis 2009.
Politische Rahmenbedingungen noch unzureichend
Seiner Ansicht nach bemühen sich allerdings noch viel zu wenig deutsche Kliniken gezielt
um ausländische Patienten. Nur 10 % der insgesamt 2100 Krankenhäuser hierzulande würden
aktiv um Patienten aus anderen Staaten werben, merkt der Diplom-Betriebswirt an.
Erschwerend hinzu kommen einer Studie des Klinikportals Hospitalscout zufolge die
oft fehlenden oder intransparenten Informationen über die Qualität der ausgewählten
Klinik. Die Anfang März verabschiedete EU-Richtlinie zu den Rechten der Patienten
bei grenzüberschreitenden Behandlungen könnte hier möglicherweise Fortschritte bringen.
Noch allerdings kennen nur die wenigsten Patienten die neuen Regelungen. So ergab
eine Befragung der Techniker Krankenkasse bei rund 20000 Versicherten, dass 90% noch
nie etwas von der Richtlinie gehört haben. In anderen Ländern dürfte es ähnlich aussehen.
Dass Kliniken hierzulande noch recht zurückhaltend um ausländische Patienten werben,
führt Juszczak auch auf die politischen Rahmenbedingungen zurück. Für die Versorgung
von Patienten aus dem Ausland gelten dieselben Abrechnungsvorschriften nach DRG wie
für inländische Patienten. ”Der Betreuungsaufwand ist für die ausländische Klientel
häufig aber ungleich höher, bedenkt man Serviceleistungen wie Übersetzungen, Fahrdienste
und ähnliches“, kritisiert Juszczak. Ihm schwebt als Vorbild die Schweiz vor, in der
Ärzte Leistungen für ausländische und inländische Patienten nach unterschiedlichen
Basisfallwerten abrechnen können.