Neonatologie Scan 2012; 01(01): 41
DOI: 10.1055/s-0032-1310215
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Analgesie: Muttermilch oder Glukose zur Schmerzprävention?

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Publication Date:
23 August 2012 (online)

Schmerzhafte Blutabnahmen aus der Ferse mit Lanzetten stimulieren bei Neugeborenen spezifische Hirnareale und wiederholte Eingriffe führen zu einer Herabsenkung der Schmerzschwelle. Um dies zu vermeiden, werden bei Neugeborenen süße Lösungen angewendet, die das Schmerzempfinden reduzieren sollen. Im Vergleich schnitt nun Glukoselösung besser ab als Muttermilch.

Auch „späte“ Frühgeborene (34. – 36. Gestationswoche) haben ein erhöhtes Morbiditätsrisiko und bedürfen besonderer Kontrollen. Das glykämische Monitoring erfordert z. B. wiederholte Blutabnahmen. Bei solchen Kindern, die mindestens 1 und höchstens 3 Tage alt waren, führten Bueno et al. ihre Nicht-Unterlegenheitsstudie durch. Alle Patienten hatten einen Apgar-Score ≥ 7 und wiesen keine organischen oder mentalen Auffälligkeiten auf. Sie hatten Normalgewicht und eine durchschnittliche Größe. Die Kinder wurden in 2 Gruppen randomisiert, die vor dem Einstich in die Ferse 2 ml frische Muttermilch oder 2 ml 25 %-ige Glukoselösung erhielten. Die Flüssigkeit wurde auf den vorderen Zungenabschnitt gebracht und war so präpariert, dass der Inhalt der Pflegekraft nicht bekannt wurde. Die Blutabnahme erfolgte 2 min später und automatisiert (Akku-Check). Die Mimik der Kinder wurde in Videoaufnahmen festgehalten. Die geschulten Analysten wussten nicht, welche Flüssigkeit die Kinder bekommen hatten. Primäre Zielvariable war die Schmerzstärke in den 3 min nach dem Eingriff (Premature Infant Pain Profile, PIPP-Score). Die Hypothese lautet, dass die analgetische Wirksamkeit von Muttermilch der von Glukoselösung nicht unterlegen ist.

56 Frühgeborene erhielten Muttermilch und 57 die 25 %-ige Glukoselösung. Die Gruppen waren hinsichtlich der Geburtscharakteristika und der Schwangerschaften vergleichbar. Die PIPP-Werte der Kinder, die Zuckerlösung bekommen hatten, waren zu jedem Analysezeitpunkt signifikant geringer. In den ersten 30 s hatten 25,6 % vs. 60 % der Patienten einen PIPP-Score ≥ 7 (p = 0,002). Nach Erhalt der Glukose schrien die Kinder seltener. Die Inzidenzen betrugen 42,2 % und 78,6 % (p = 0,001). Auch die Schreidauer war nach Gabe von Glukose signifikant kürzer. Nebenwirkungen des Lanzetteneinstichs waren eine verminderte Sauerstoffsättigung, Übelkeit, Erbrechen und ein Abfall der Herzfrequenz. Die Häufigkeit unterschied sich zwischen den Gruppen nicht signifikant (11,6 % vs. 8,9 %; p = 0,736). Für 26 Kinder lagen inkomplette Datensätze vor. Diese wurde in einer Intention-to-treat-Analyse verwendet. Dabei bestätigten sich die Ergebnisse.