Zusammenfassung
Untersucht man die Zugangswege von Männern und Frauen mit Problemen mit Alkohol und
anderen Drogen in die Suchthilfe, dann wird sehr schnell klar, dass formaler und institutioneller
Druck wichtige Variablen bei der Entscheidung für eine Suchtbehandlung sind. In diesem
Beitrag werden Zwangs- und Quasi-Zwangs- Behandlungen genauer untersucht. In Deutschland
finden Zwangsbehandlungen im engeren Sinn im Maßregelvollzug statt. In diesem Kontext
ist die Autonomie der Klientel in fundamentaler Weise einschränkt. Der Zwang ist weniger
offensichtlich in Quasi-Zwangskontexten, in denen die Klientel über mehr Entscheidungsfreiheit
verfügt. Folgende Beispiele sind typisch für Quasi-Zwangskontexte: eine Drogentherapie
anzufangen um eine Gefängnisstrafe wegen Drogendelikten zu vermeiden („Therapie statt
Strafe“); eine Alkohol- oder Drogenbehandlung aufzunehmen um den Führerschein wiederzuerlangen
oder um den Arbeitsplatz zu erhalten, wenn der Arbeitgeber mit Entlassung droht; und
schließlich um den vollen Satz der Sozialhilfe zu bekommen, wenn die Arbeitsagentur
eine entsprechende Behandlung für zwingend ansieht. Untersucht man die Effektivität
der Zwangs- und Quasi-Zwangsbehandlungen ergibt sich ganz pauschal, dass bis zu 50%
der Klientel davon profitiert. Studien weisen darauf hin, dass die Erfolgsraten auch
in diesen Settings weiter verbessert werden können. Einmal mehr kommt eine besondere
Bedeutung der therapeutischen Allianz zwischen Behandlern und Behandelten zu, die
unter Berücksichtigung der Restriktionen des jeweiligen Settings unterschiedlich ausgestaltet
werden kann. Dafür sind entsprechende theoretische Modelle zu entwickeln, die in der
Praxis auf ihre Effektivität untersucht werden müssen.
Abstract
The study of the pathways of men and women with substance use disorders into drug
treatment shows quite clearly that formal and institutional pressures are important
variables regarding the decision to enter substance use treatment. The review describes
coercive and quasi-compulsory substance use treatment in more detail. In Germany,
besides others, coercive substance use treatment takes place in high security prisons.
The setting restricts the autonomy of the clients fundamentally. Coercion is less
obvious in quasi-compulsory settings which give the clients some freedom of choice.
The following examples are typical of quasi-compulsory setting: entering drug treatment
on formal order instead of serving time in prison due to drug-related criminality
(“treatment instead of imprisonment”); engaging in alcohol or drug treatment to get
back one's driver license or to stay on the job when employers threaten with lay-offs;
and finally to get the bonuses of welfare payments when public placement offices threatens
with financial sanctions if clients do not start substance use treatment. Studies
which evaluate the effects of coercive and quasi-compulsory alcohol- and drug treatments
show that up to 50% of the clients profit from it. There are indications on how to
improve the effects of substance use treatment within such setting. Once again, the
therapeutic alliance between treatment personnel and clients is of foremost importance
which needs to be modeled according to the restrictive settings. Therefore, models
on how to improve the therapeutic alliance in coercive and quasi-compulsory settings
are badly needed and their effects need to be studied in practice.
Schlüsselwörter
Zwang - Quasi-Zwang - psychotrope Substanzen - Abhängigkeit/Sucht - Behandlung - Effektivität
Key words
coercion - quasi-compulsory treatment - psychotropic substances - dependence/addiction
- treatment - treatment effects