ergopraxis 2012; 5(03): 11-14
DOI: 10.1055/s-0032-1306973
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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02 March 2012 (online)

 

Empowerment in der Rehabilitation – Klienten möchten sich aktiv beteiligen

Klienten mit Apoplex erleben ihren Rehaprozess positiver, wenn sie diesen aktiv mitgestalten können. Das zeigt die systematische Übersichtsarbeit des Ergotherapeutenteams um Dr. Esther Steultjens von der Hogeschool Arnhem en Nijmegen, Niederlande.

Die Forscher suchten in Datenbanken wie Medline und CINAHL nach qualitativen Studien, in denen Klienten mit Apoplex ihre Erfahrungen während der Rehabilitation beschrieben. Letztendlich fassten sie die Ergebnisse von zwölf Studien aus sechs Ländern mit insgesamt 269 Teilnehmern zusammen. Demnach wollen Klienten mit Apoplex ihren Rehaprozess aktiv beeinflussen und sich durch therapeutische Angebote „empowered“ fühlen. Dieses Kernanliegen spiegelt sich in verschiedenen Erwartungen und Bedürfnissen wider. Zunächst wünschen sie sich, respektiert und wertgeschätzt zu werden. Sie erwarten, dass Therapeuten einfühlsam mit ihnen kommunizieren und kooperieren. Um den Therapieverlauf mitbestimmen zu können, benötigen sie ausreichende Informationen über Behandlungsmöglichkeiten. So können sie ihrem Bedürfnis nachkommen, den Rehaprozess zu kontrollieren und Verantwortung zu übernehmen. Ebenso hilfreich erleben Klienten praktische Anleitungen, um sich an die veränderte Lebenssituation anzupassen. Sie wünschen sich, dass Therapeuten neben physischen Belangen auch psychosoziale Veränderungen berücksichtigen. Diese dürften sich auf Partner- oder Freundschaften sowie auf das Rehageschehen auswirken.

Das Forschungsteam empfiehlt behandelnden Ergotherapeuten, auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen selbst- und fremdbestimmter Therapiegestaltung zu achten. Auf diese Weise erleben Klienten ihren Rehabilitationsprozess positiv, ohne sich durch ein Zuviel an Verantwortung zu überfordern.

Saja

WtvE 2011; 3; 4–13


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Psychoseerfahrung – Durch „Learning by Doing“ das Leben neu ordnen

Eine Psychoseerfahrung kann die Handlungsgeschichte und die Handlungsbedürfnisse eines heranwachsenden Menschen nachhaltig beeinflussen. Zu diesem Schluss kam die Ergotherapeutin Jocelyn Brown von der Dalhousie Universität in Halifax, Kanada.

Die Forscherin interviewte fünf psychoseerfahrene junge Erwachsene zwischen 24 und 29 Jahren. Jeder Proband nahm an drei Interviews teil, die sich auf die Phase vor, während und nach der Psychose bezogen. Ihren Angaben zufolge erlebten die Befragten bereits in der Kindheit erste Krankheitssymptome wie Halluzinationen oder Ängste, die sie jedoch für unbedeutend hielten. Diese frühen Vorboten erschwerten es ihnen, unbeschwert an kindlichen Aktivitäten teilzunehmen, die schulischen Anforderungen zu erfüllen oder mit Freunden zu spielen. Die akute Phase unterbrach ihr bisheriges Leben abrupt und brachte viele schmerzhafte Erfahrungen mit sich. Misserfolge in Schule und Arbeit häuften sich, wichtige Freundschaften zerbrachen. Nach dieser Episode begannen alle Teilnehmer, ihr Leben neu zu ordnen. Sie versuchten, ihre familiären Beziehungen zu stabilisieren und engagierten sich vorzugsweise in produktiven Tätigkeiten. Dabei knüpften die ausgewählten Handlungen meist an frühere Gewohnheiten und Interessen an. Durch ihre Handlungserfahrungen lernten die Teilnehmer, über welche Fähigkeiten und Möglichkeiten sie tatsächlich verfügten. Ihrer Zukunft sehen alle Befragten optimistisch entgegen. Sie möchten ihr Leben selbst steuern und Handlungsentscheidungen möglichst autonom treffen. Aus ihrer Sicht beeinflusst die Psychose nur einen Teil ihres Lebens, über den sie hinauswachsen können.

Um betroffene Klienten optimal in ihrem „Learning by Doing“-Prozess zu begleiten, sollten Ergotherapeuten eine entwicklungsorientierte Sichtweise mit einem klientenzentrierten Ansatz kombinieren. Damit psychoseerfahrene junge Erwachsene geeignete Lösungswege entwickeln können, benötigen sie umfassende Informationen über die bestehenden Möglichkeiten. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit lässt sich zudem stärken, indem die Klienten frühzeitig wieder eine produktive Tätigkeit aufnehmen.

fk

CJOT 2011; 78: 156–163

Kommentar

Häufig stehen wir als Therapeuten vor der Herausforderung, Menschen in Lebenssituationen zu begleiten, die wir persönlich nie erlebt haben. So können uns beispielsweise die Psychoseerfahrungen von Klienten mit den Grenzen unseres Wissens und unserer Erfahrung konfrontieren. Im Dialog mit ihnen versuchen wir möglichst schnell zu erfassen, wie wir sie optimal unterstützen und begleiten können. Um Konkreteres zu erfahren, setzen wir Gesprächstechniken oder Assessments ein. Eine zusätzliche Möglichkeit bieten uns Studien wie die von Jocelyn Brown, die einen Einblick in das Innere betroffener Menschen gewähren. Sie weiten unseren Blick dafür, wie Menschen ihre Situation erleben und welche Bedürfnisse sich daraus ergeben können.

Ganz in Ruhe dürfen wir uns an dieser Stelle mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit psychoseerfahrene junge Erwachsene von ergotherapeutischen Angeboten profitieren. Oder wie Ergotherapeuten den Prozess „Learning by Doing“ optimal unterstützen. Der Vorteil dieser Herangehensweise: Wir bereiten uns auf zukünftige Herausforderungen vor und unterliegen keinem Erfolgsdruck, wie er im Praxisalltag immer wieder auftreten kann.

Florence Kranz, BcOT, cand. M.A. Gesundheitsmanagement


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Schmerztherapie – Psychologische Konzepte integrieren

Fast jeder fünfte Erwachsene in Europa leidet an chronischen Schmerzen. Ergotherapeuten können betroffene Klienten in ihrer Alltagsbewältigung unterstützen, indem sie Elemente aus der Cognitive Behavioural Therapy (CBT) und Acceptance and Commitment Therapy (ACT) nutzen. Zu diesem Ergebnis kamen die Ergotherapeutin Esther Rothenberger und ihre Kollegen von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich, Schweiz.

In ihrer Übersichtsarbeit werteten die Forscher 12 Artikel aus, die sie in elektronischen Datenbanken wie OTDBase und CINAHL ermittelt hatten. Demnach wirken sich beide Behandlungsverfahren positiv auf das Verhalten von Menschen mit chronischen Schmerzen aus. Die CBT zielt vorrangig darauf ab, dass Klienten ihre Schmerzen kontrollieren lernen und Alltagssituationen besser bewältigen. Ergotherapeuten nutzen bereits Elemente dieses Konzeptes im ergotherapeutischen Prozess. Zum Beispiel, wenn sie Assessments wie das COPM einsetzen oder gemeinsam mit ihren Klienten alltagsnahe Bewältigungsstrategien erarbeiten. Die ACT spielt in der ergotherapeutischen Praxis bislang keine nennenswerte Rolle. Dieses Konzept unterstützt betroffene Klienten darin, schmerzhafte Zustände zu akzeptieren und weiterhin aktiv zu bleiben. Es verfügt über vier Eckpfeiler, die auch für die ergotherapeutische Behandlung grundlegend sind: Akzeptanz, Achtsamkeit, Wertschätzung und engagiertes Handeln.

Die ACT könnte laut Forschern das ergotherapeutische Angebot sinnvoll ergänzen. Sie eignet sich insbesondere für Klienten, die ihre Schmerzen nicht ausreichend kontrollieren können. Lernen die Klienten, ihre Schmerzen anzunehmen, können sie bedeutsame Betätigungen weiterhin ausführen und so am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

dawo

ergoscience 2011; 6: 90–97


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Ergotherapieausbildung – Das Klientengespräch bewusst gestalten

Ergotherapeuten müssen angemessen zuhören und kommunizieren können, um eine positive Beziehung zu ihren Klienten aufzubauen. Bereits in der Ausbildung bevorzugen sie eine Form der Gesprächsführung, die von einem tieferen Interesse für andere Menschen zeugt. Dies geht aus einer Querschnittsstudie des Ergotherapeuten Dr. Ted Brown von der ergotherapeutischen Fakultät der Monash-Universität in Australien hervor.

210 Studenten eines ergotherapeutischen Bachelorstudiengangs füllten zwei Fragebögen zu ihrem Zuhör- und Kommunikationsverhalten aus - das Listening Styles Profile und das Communicator Style Measure. Den Ergebnissen zufolge bevorzugen die Studenten einen personenorientierten Zuhör-Stil. So achten sie im Dialog besonders darauf, welche Gefühle ihr Gegenüber ausdrückt. Oftmals nutzen sie auch einen inhaltsbezogenen Zuhör-Stil, der sich auf die vermittelten Fakten und Details konzentriert. Ihr Kommunikationsverhalten beschreiben sie am häufigsten als freundlich und aufmerksam. Diese bevorzugten Gesprächsstile entsprechen den Rollenerwartungen, welche vermutlich auch die Gesellschaft an Ergotherapeuten stellt. Sie eignen sich dazu, erfolgreich mit Klienten, Familien und anderen Berufsgruppen zu interagieren. Die Studie lässt allerdings offen, ob die Studenten das beschriebene Verhalten auch tatsächlich in der Praxis umsetzen.

Aus Sicht des Forschers sollte die theoretische und praktische Ausbildung angehende Ergotherapeuten dazu anregen, ihre Zuhör-und Kommunikationsstile zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

fk

BJOT 2011; 74: 387–393


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