Einleitung
Die angeborene Analbuminämie ist eine ausgesprochen seltene Erkrankung. Seit der Erstbeschreibung 1954 [2] wurden bisher (Februar 2012) lediglich 50 Fälle in der Weltliteratur beschrieben
[17]; es wird eine Inzidenz von < 1 : 1 Million vermutet [5]. Neben Beschreibungen aus europäischen Ländern existieren Kasuistiken aus Nord-
und Südafrika, USA und Kanada, Russland, Irak, Israel und Japan [3]
[7]
[11]
[12]
[16]
[17].
Klinisch ist die Erkrankung durch Müdigkeit, Ödeme und niedrigen Blutdruck gekennzeichnet.
Da diese Symptome aber häufig nur diskret ausgeprägt sind, wird die Diagnose meist
per Zufall durch die Serum-Eiweiß-Elektrophorese gestellt. Dabei ist das hervorstechende
Merkmal die ausgeprägte Verminderung des Albumins. Zusätzlich finden sich eine stark
erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sowie eine Hyperlipidämie mit erhöhten Werten
von LDL-Cholesterin und meist auch Triglyzeriden.
Die Analbuminämie, die als Neumutation entstehen kann oder autosomal rezessiv vererbt
wird, ist Folge von Defekten des Albumingens auf dem Chromosom 4, Genlocus q13.3 [5]
[7]. Während bei homozygoten Individuen allenfalls noch minimale Albuminmengen nachweisbar
sind, sind bei heterozygoten Trägern nur geringfügige Verminderungen der physiologischen
Albuminkonzentration (35 – 55 g/l) nachweisbar.
Männer und Frauen sind von der Analbuminämie gleich häufig betroffen. Beim weiblichen
Geschlecht wird bei einem Teil der Fälle eine Lipodystrophie beschrieben. Dies ist
ein Überbegriff für eine umschriebene, unproportionierte Unterhautfettverminderung
(Lipoatrophie) oder -vermehrung (Lipohypertrophie). Tritt letztere in der unteren
Körperhälfte („lower limb obesity“) in Kombination mit Ödemen, Schmerzen und Hämatomen
auf, handelt es sich um das Krankheitsbild des Lipödems.
Das Lipödem ist eine nur bei Frauen auftretende, chronisch progrediente, umschriebene und z. T.
disfigurierende Unterhautfettvermehrung unklarer Ätiologie. Krankheitstypisch sind
ödembedingte Spannungs-, Berührungs- und Druckschmerzen sowie eine auffallende Hämatomneigung
[19]
[22]
[24].
Diese 1940 erstmals beschriebene Erkrankung [1], bei der eine autosomal dominante Vererbung vermutet wird [6], war als eigene Entität lange umstritten [9]. Bis Ende des 20. Jahrhunderts konnte nur ein Teilaspekt des Lipödems durch konservative
Maßnahmen behandelt werden; mit manueller Lymphdrainage und anschließender Kompression
(kombinierte physikalische Entstauung, KPE) ließen sich lediglich die Ödeme und die
dadurch erzeugten Beschwerden vermindern. Seit etwa einem Jahrzehnt ist es nun auch
möglich, das krankhaft vermehrte Unterhautfettgewebe operativ mittels Liposuktion
zu reduzieren; beide Behandlungsverfahren sind Bestandteil der aktuellen Leitlinien
zum Lipödem [21]
[24].
Fallberichte
Patientin 1 (N. F., 42 Jahre)
Anamnese
Bei der 42-jährigen türkischen Patientin war im 25. Lebensjahr im Rahmen einer Durchuntersuchung
eine Analbuminämie festgestellt worden. Sie litt unter ständiger Müdigkeit und Beinödemen.
Nach der Schwangerschaft im Alter von 38 Jahren erfolgte eine „dramatische“ Zunahme
der Beinumfänge bei gleichzeitiger Gewichtsvermehrung von etwa 70 auf 90 kg. Damit
einhergehend verstärktes Auftreten vorwiegend abendlicher Schwellungen mit Spannungsgefühl,
ausgeprägter Druckempfindlichkeit und Neigung zu Blutergüssen. Eine vom 21. bis 25. Lebensjahr
durchgeführte konservative Therapie mit manuellen Lymphdrainagen 2 × pro Woche und
Tragen von rundgestrickten Kompressionsstrümpfen bewirkte keine deutliche Befund-
bzw. Beschwerdebesserung.
Familienanamnese
Von den insgesamt 5 Kindern der Familie ist außer bei ihr (Pat. 1) auch bei der 3
Jahre jüngeren Schwester (Pat. 2, E. M.) eine Analbuminämie bekannt (s. u.). Eine
weitere Schwester (M. B., 23 Jahre) konnte ebenfalls von uns untersucht werden. Bei
ihr zeigte sich eine unauffällige Serum-Elektrophorese ([Abb. 1], unten); damit konnte eine Analbuminämie sicher ausgeschlossen werden. Bei der Mutter
besteht eine Hypercholesterinämie; ob zusätzlich eine Albuminverminderung vorliegt,
war nicht eruierbar. Bei dem 63-jährigen Vater und der 60-jährigen Mutter sind keine
gesundheitlichen Probleme, insbesondere keine Herzerkrankungen, bekannt.
Abb. 1 Elektrophoresen von Pat. 1 und Pat. 2 (Analbuminämie) im Vergleich mit der gesunden
Schwester (Normalbefund).
Befund
Bei einer Größe von 154 cm und einem Gewicht von 91,6 kg (BMI 38,4 kg/m2 = Adipositas Grad 2) fand sich bei schlankem Rumpf eine ausgeprägte Disproportion
zum voluminösen Unterkörper ([Abb. 2 a]). Es bestanden sowohl an Hüften und Gesäß als auch an Ober- und Unterschenkeln deutliche
Vermehrungen des Unterhautfettgewebes von relativ fester Konsistenz mit überhängenden
subkutanen Gewebeanteilen in der Knöchelregion medial, lateral und ventral.
Abb. 2 a Pat. 1. Analbuminämie mit Lipödem, präoperativ. b Pat. 1. Z. n. 4 Liposuktionen mit Entfernung von 18 300 ml Fettgewebe.
Palpatorisch Knotenbildung subkutan, Druckschmerz an Ober- und Unterschenkeln, vereinzelt
Hämatome, eindrückbare Ödeme prätibial. Mäßig verdickte Hautfältelung an den Zehen
bei unauffälliger Fußform, keine Dellbarkeit der Fußrücken; das Stemmer’sche Zeichen
war negativ, die Bisgaard’schen Kulissen waren fettbedingt verstrichen. Auch an den
Ober- und Unterarmen Vermehrung von Unterhautvolumen mit Stufenbildung in der Ellbogenregion.
Laborbefunde
Besonders auffällig war – bei mäßig erniedrigtem Gesamteiweiß – die Elektrophorese
mit ausgeprägter Erniedrigung des Albumins bei Vermehrung der Globuline ([Abb. 1], oben). Weitere relevante Laborbefunde sind in [Tab. 1] dargestellt; dabei zeigte sich eine erhöhte BSG bei unauffälligem CRP, eine starke
Erhöhung von Cholesterin im Serum sowie die vermehrte Ausscheidung des alpha-1-Mikroglobulins
im Urin. Erhöht waren ferner alpha-1-Antitrypsin, Transferrin, Fibrinogen, thyroxinbindendes
Globulin (TbG) und Cholinesterase.
Tab. 1
Analbuminämie. Relevante Laborwerte.
Untersuchung
|
Patientin 1
|
Patientin 2
|
Referenzbereich
|
Einheit
|
BSG (1 h)
|
62
|
78
|
0 – 13
|
mm
|
Serumproteine/Metabolite
|
alpha-1-Antitrypsin
|
3,60
|
3,70
|
0,9 – 2,0
|
g/l
|
Transferrin
|
5,70
|
6,20
|
2,3 – 4,3
|
g/l
|
alpha-2-Coeruloplasmin
|
0,59
|
0,66
|
0,2 – 0,6
|
g/l
|
IgG
|
1708,00
|
1730,00
|
564 – 1765
|
mg/dl
|
IgA
|
154,00
|
294,00
|
85 – 385
|
mg/dl
|
IgM
|
192,00
|
239,00
|
45 – 250
|
mg/dl
|
Kreatinin
|
0,70
|
0,80
|
0,4 – 1,2
|
mg/dl
|
CRP
|
3,00
|
3,30
|
< 6,0
|
mg/l
|
C3c-Komplement
|
1,50
|
2,00
|
0,9 – 1,8
|
g/l
|
Fibrinogen
|
5,50
|
6,30
|
2,4 – 5,0
|
g/l
|
Thyroxine-Binding-Globulin
|
43,80
|
49,10
|
11,3 – 28,9
|
mg/l
|
Albumin
|
< 0,35
|
< 0,35
|
35 – 55
|
g/l
|
Gesamteiweiß
|
5,10
|
5,60
|
6,6 – 8,7
|
g/dl
|
Serumelektrophorese
|
Albumin
|
8,00
|
6,10
|
59 – 70,6
|
%
|
alpha-1-Globulin
|
10,00
|
10,60
|
2,1 – 4,4
|
%
|
alpha-2-Globulin
|
22,00
|
25,00
|
5,2 – 9,7
|
%
|
beta-Globulin
|
28,50
|
26,90
|
7,3 – 12,2
|
%
|
gamma-Globulin
|
31,50
|
31,40
|
11,2 – 19,9
|
%
|
Enzyme
|
GPT
|
19,00
|
16,00
|
< 34
|
U/l
|
GOT
|
27,00
|
25,00
|
< 31
|
U/l
|
Cholinesterase
|
15110,00
|
13985,00
|
4650 – 10440
|
U/l
|
Lipoproteine
|
Cholesterin
|
491,00
|
488,00
|
130 – 200
|
mg/dl
|
Triglyzeride
|
102,00
|
253,00
|
40 – 150
|
mg/dl
|
HDL-Cholesterin
|
107,00
|
85,00
|
> 35
|
mg/dl
|
LDL-Cholesterin
|
364,00
|
352,00
|
< 155
|
mg/dl
|
Elektrolyte
|
Kalium
|
4,20
|
4,80
|
3,6 – 5,2
|
mmol/l
|
Natrium
|
142,00
|
141,00
|
135 – 150
|
mmol/l
|
Kalzium
|
2,19
|
2,15
|
2,1 – 2,6
|
mmol/l
|
Gerinnung
|
Quick
|
94,00
|
120,00
|
70 – 120
|
%
|
INR
|
1,03
|
0,90
|
0,9 – 1,2
|
|
PTT
|
38,00
|
32,00
|
20 – 40
|
sec
|
Urinproteine
|
Gesamteiweiß
|
< 50
|
< 50
|
< 70
|
mg/l
|
IgG
|
< 3
|
5,00
|
< 10
|
mg/g Krea
|
Albumin
|
< 10
|
< 10
|
< 20
|
mg/l
|
alpha-1-Mikroglobulin
|
23,50
|
57,70
|
< 12
|
mg/l
|
alpha-1-Mikroglobulin
|
36,32
|
24,93
|
< 14
|
mg/g Krea
|
alpha-2-Makroglobulin
|
< 2,4
|
< 2,4
|
< 6
|
mg/l
|
beta-2-Mikroglobulin
|
< 0,2
|
< 0,2
|
< 2
|
mg/l
|
Therapie
Über einen Zeitraum von 9 Monaten (Juli 2010 bis März 2011) wurden die sechs in [Tab. 2] aufgeführten Liposuktionen durchgeführt; dabei wurden insgesamt 22 400 ml Fettgewebe
entfernt. Alle operativen Eingriffe wurden im Rahmen der Abrechnungsbestimmungen zur
Hessischen Beihilfeverordnung (HBeihVO) als beihilfefähig anerkannt. Neben einer ausgeprägten
Formverbesserung ([Abb. 2 b] zeigt den Befund nach 4 Sitzungen) wurde auch bezüglich Müdigkeit in den Beinen,
Schwere- und Spannungsgefühl sowie Schwellneigung eine deutliche Besserung angegeben.
Tab. 2
Fettgewebsreduktion durch Liposuktion (pro Sitzung).
Patientin 1
|
-
Hüften und Oberschenkel außen
-
Oberschenkel innen und Knie innen
-
Unterschenkel innen und außen
-
Gesäß
-
Ober- und Unterarme
-
Oberschenkel vorne und hinten
|
6500 ml
4200 ml
3700 ml
3900 ml
1700 ml
2400 ml
--------
22 400 ml
|
Patientin 2
|
-
Unterschenkel innen und außen
|
4300 ml
|
Patientin 2 (E. M., 39 Jahre)
Anamnese
Bei der 3 Jahre jüngeren Schwester bestanden ebenfalls seit der Pubertät „dicke Beine“;
auch bei ihr kam es während der ersten Schwangerschaft im Alter von 34 Jahren zu einer
deutlichen Zunahme der Beinumfänge bei einer Gewichtsvermehrung von 62 auf 84 kg.
Trotz postpartaler Reduktion auf 77 kg zeigte sich kaum eine Umfangsreduktion an den
Beinen; zusätzlich kam es zum Auftreten von Beschwerden mit Beinschwellungen, Druckempfindlichkeit
der Unterschenkel und Neigung zu Blutergüssen. Seit über 20 Jahren wurden Kompressionsstrumpfhosen
(früher rund-, jetzt flachgestrickt, KKL II) getragen, die eine weitgehende, aber
nicht vollständige Schmerzfreiheit bewirkten. Manuelle Lymphdrainagen wurden zuletzt
vor 15 Jahren durchgeführt.
Befund
Bei einer Größe von 151 cm und einem Gewicht von 74,4 kg (BMI 32,5 kg/m2 = Adipositas Grad 1) fand sich morphologisch ebenfalls eine Disproportion mit schlankem
Ober- und voluminösem Unterkörper ([Abb. 3 a]). Die subkutan gelegene Umfangsvermehrung war besonders an den Unterschenkeln ausgeprägt
([Abb. 3 c]).
Abb. 3 a Pat. 2. Analbuminämie mit Lipödem, präoperativ. b Pat. 2. Z. n. Liposuktion der Unterschenkel. c Pat. 2. Unterschenkel präoperativ. d Pat. 2. Z. n. Entfernung von 4300 ml Fettgewebe.
Laborwerte
Zusätzlich zu den bei der Schwester bereits aufgeführten Veränderungen waren auch
noch die Triglyzeride deutlich erhöht ([Tab. 1]).
Therapie
In der ersten Sitzung Entfernung von 4300 ml Fettgewebe aus den Unterschenkeln ([Abb. 3 b] und [Abb. 3 d]). Dadurch beidseitige Umfangsverminderung in Wadenmitte von 9 cm mit Besserung der
Beschwerden. Die Kosten des Eingriffs wurden ebenfalls von der Krankenkasse (IKK)
übernommen.
Besprechung
Von einer angeborenen Analbuminämie wird gesprochen, wenn die mittels Immunoassay bestimmte Serum-Albumin-Konzentration
unter 1 g/l liegt [18]
[20]; in diesen Fällen ist in der Serum-Eiweiß-Elektrophorese die Albuminbande nahezu
verschwunden.
Da Albumine für 80 Prozent des kolloid-osmotischen Drucks des Plasmas verantwortlich
sind, wären bei einer Analbuminämie eine ausgeprägte Hypotonie und eine starke Ödemneigung
zu erwarten.
Die kongenitale Verminderung der Albumine wird vom Körper durch eine vermehrte Synthese
von Nicht-Albumin-Proteinen kompensiert; zu diesen gehören z. B. – neben Coeruloplasmin
und thyroxinbindendem Globulin – positive Akut-Phase-Proteine (alpha-1-Antitrypsin,
C3, Fibrinogen) und ein negatives Akut-Phase-Protein (Transferrin). Deren Vermehrung
erhöht nicht nur den kolloid-osmotischen Druck, sondern hält ferner wohl auch die
Transportfunktion der Eiweiße aufrecht. Zusätzlich könnten Kompensationsmechanismen
des Kreislaufs (Druckänderung in den Kapillaren) an der Aufrechterhaltung eines weitgehend
normalen Blutdrucks beteiligt sein.
Während die erworbene Hypalbuminämie bei schweren Erkrankungen, wie z. B. dem nephrotischen
Syndrom, mit einer schlechten Prognose korreliert ist [20], sind bei Patienten mit angeborener Analbuminämie die klinischen Erscheinungen der
Proteinverminderung immer „erstaunlich unscheinbar“ [16]; die Diagnose wird daher meist zufällig und meist erst im Erwachsenenalter (Durchschnittsalter
24 Jahre) gestellt [12]
[20].
Ein unseres Wissens bisher nicht beschriebener Befund war die Erhöhung des alpha-1-Mikroglobulins
im Urin. Diese ist meist Folge einer Schädigung des Tubulusapparates der Nieren. Da
sich im vorliegenden Fall jedoch kein Anhalt für einen Nierenschaden fand, könnte
auch eine erhöhte Expression des alpha-1-Mikroglobulins aufgrund der Analbuminämie
vermutet werden. Normalerweise wird dieses Protein glomerulär filtriert und anschließend
in den Nierentubuli rückresorbiert. Bei erhöhtem Anfall wäre eine Überschreitung der
Rückresorptionskapazität denkbar.
Der Grund für die auffallend erhöhte Blutsenkungsreaktion ist die Änderung des Verhältnisses
zwischen dem reduzierten Albumin und den erhöhten Globulinen [12]. Die normalen Werte der CRP demonstrieren, dass es sich nicht um eine entzündlich
bedingte Reaktion handelt.
Ob die „up-regulation“ der Nicht-Albumin-Proteine auch die Erhöhung des Cholesterins
(und vereinzelt der Triglizeride) verursacht, ist nicht bekannt; diesbezüglich wurde
auch eine reduzierte intravaskuläre Lipolyse als Folge der Albuminverminderung diskutiert
[10]. Ebenso ist unklar, ob die verstärkte Lipogenese pathophysiologisch entscheidend
für das vermehrte Subkutanvolumen des Lipödems bei den betroffenen Frauen ist.
Bezüglich der Therapie der immer vorhandenen Hypercholesterinämie (mit der potenziellen
Spätfolge in Form der Arteriosklerose) gibt es keine klaren Empfehlungen. Ob aufgrund
der Erhöhung von LDL-Cholesterin – u. U. zusammen mit Triglyzeriden – eine Dauerbehandlung
mit Lipidsenkern in Form einer Primärprophylaxe sinnvoll ist, wird in der Literatur
nicht eindeutig beantwortet [4]. Einerseits wurde eine Therapie mit Statinen empfohlen [16] bzw. nach deren Einsatz eine Normalisierung der Cholesterin- und Triglyzeridwerte
beschrieben [12]; andererseits wurde erwähnt, dass die bestehende Hyperlipidämie wohl nicht zu einer
Arteriosklerose führt [20]. So wurden bei Nachuntersuchungen der ersten zwei in der Literatur beschriebenen
Patientinnen über den Zeitraum von 1953 bis 1992 trotz kontinuierlich hoher Cholesterinwerte
keine Hinweise für eine Arteriosklerose bzw. für thrombotische Ereignisse gefunden
[15]. Demgegenüber berichtet eine Kasuistik über einen Mann mit Analbuminämie, bei dem
bereits im 37. Lebensjahr aufgrund einer ausgeprägten koronaren Herzkrankeit eine
Bypassoperation notwendig war [8].
Für Patienten mit Analbuminämie ist zu beachten, dass Medikamente mit klinisch bedeutsamer
Albuminbindung, wie insbesondere Herzglykoside, Phenprocoumon (MarcumarR), Furosemid und Phenytoin, aber auch Diclofenac, Ibuprofen, Tolbutamid und Cotrimoxazol,
mit Vorsicht eingenommen werden sollten. Zum einen kann eine Dosisreduktion sinnvoll
sein, da aufgrund des höheren Anteils des freien Wirkstoffs im Plasma eine stärkere
Wirkung vorliegen kann. Zum anderen kann sich aber auch durch die fehlende Albuminbindung
die Eliminationshalbwertzeit verkürzen, sodass eine höhere Dosierung notwendig ist
[14]. Daher werden teilweise einschleichende Dosierungen unter enger klinischer Beobachtung,
u. U. mit Bestimmungen des Plasmaspiegels, empfohlen.
Wie groß bei Analbuminämie im Einzelfall das Risiko der Entwicklung eines Lipödems ist, ist ebenso unklar. Insgesamt weist nur ein kleiner Teil der betroffenen Frauen
diese Erkrankung auf. Bei der Aufstellung von insgesamt 50 Fällen im „Register of
Analbuminemia Cases“ fanden sich bei 22 Frauen 4 Betroffene (18 %) mit Lipödem [17]; werden unsere beiden Patientinnen mit einbezogen, liegt diese Zahl bei 25 %. Unter
Berücksichtigung der Häufigkeit von stationär behandelten Lipödempatientinnen in deutschen
lymphologischen Kliniken mit einer Größenordnung von 8 bis 17 % [19] kann dies – trotz fehlender epidemiologischer Studien zum Lipödem in der Normalbevölkerung
– als eine überzufällige Häufung angesehen werden.
Bei den Lipödempatientinnen lässt sich durch das sichere Verfahren der Liposuktion
in Tumeszenz-Lokalanästhesie [13] – meist in Kombination mit konservativer Behandlung – eine deutliche Verbesserung
der Körperform mit Normalisierung der Gesamtproportionen erreichen; zusätzlich kommt
es zur Verminderung bzw. zum Verschwinden der lipödem-typischen Beschwerden [22]
[23].
2011 wurde erstmals über die operative Behandlung eines Patienten mit Analbuminämie
anlässlich eines Bypasses bei koronarer Herzkrankheit berichtet [8]; dabei wurden präoperativ Albumininfusionen bis zum Erreichen normaler Plasmawerte
gegeben. Über die Behandlung eines die Analbuminämie begleitenden Lipödems mittels
Liposuktion existieren unseres Wissens bisher nur zwei Kasuistiken; in beiden Fällen
wurden die Eingriffe in Vollnarkose durchgeführt [12]
[18]. Bei einer Patientin trat bei der ersten Liposuktion eine Poplitealvenenthrombose
und beim zweiten Eingriff eine Phlegmone gluteal auf [12]. In der zweiten Kasuistik wurde über keine Komplikationen berichtet [18]. Sowohl in diesen beiden Fällen als auch bei unserem Geschwisterpaar erfolgte keine
vorherige Albumingabe.
Fazit für die Praxis
Prinzipiell sollte bei allen Patientinnen mit Lipödem und erhöhten Blutfettwerten
(Hyperlipidämie) – insbesondere in Kombination mit einer erhöhten Blutsenkungsreaktion
– an das sehr seltene Krankheitsbild der Analbuminämie gedacht und eine Serum-Protein-Elektrophorese
durchgeführt werden. Während die Analbuminämie normalerweise kaum Probleme bereitet,
kann das immer Beschwerden bereitende Lipödem operativ mittels Liposuktion in Tumeszenz-Lokalanästhesie
erfolgreich behandelt werden.