Laryngorhinootologie 2012; 91(03): 204
DOI: 10.1055/s-0031-1301342
Leserbrief und Antwort
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kritische Anmerkungen zur CME Fortbildung „Tracheotomie, Tracheostomie“ Erstveröffentlichung in: Allgemein und Viszeralchirurgie up2date; 2010; 5: 297–312 und Zweitveröffentlichung in Laryngo-Rhino-Otol 2011; 90: 766–783 von H. Bartels, R. Bogdanski

E. Klemm
1   Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Klinikum Ernst von Bergmann GmbH Potsdam, Potsdam
,
M. Jungehülsing
2   HNO-Facharzt, Plastische Operationen, freiberuflicher Gutachter, Städtisches Klinikum Dresden- Friedrichstadt, Dresden
,
S. Koscielny
3   leitender Oberarzt der Klinik für Hals- , Nasen- und Ohrenheilkunde, Universität Jena, Jena
,
F. Pabst
4   Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt, Dresden
,
A. Nowak
5   Chefarzt der Klinik für Hals- Nasen- Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Plastische Operationen, Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt, Dresden
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. Februar 2012 (online)

Die Behandlungen von Früh- und Spätkomplikationen jeder Art von Tracheotomien, insbesondere auch bei Intensivtherapiepatienten, gehören zum interdisziplinären Management. Der vorliegende CME Beitrag erfordert unter laryngologischen und interdisziplinären intensivmedizinischen Aspekten kritische Anmerkungen und Klarstellungen auch unter dem Gesichtspunkt, dass Tracheotomien keine Bagatelleingriffe sind, die in dem Beitrag auch nicht chirurgischen Disziplinen empfohlen werden.

Die kritischen Anmerkungen zur vorliegenden CME Fortbildung umfassen folgende Aspekte:

  1. Bei der Punktionstracheotomie nach Ciaglia wird in Tab. 1 auf S. 769 empfohlen „Weitung des Kanals mit konischen Dilatatoren“. Die Abwendung von konischen Dilatatoren wurde von Ciaglia 1999 [2] wegen zu hoher Traumatisierung der Trachea mit Disposition zu Spangenbrüchen empfohlen. Deshalb sollte heute die Empfehlung lauten „mit konischem Einzeldilatator“, zum Beispiel Blue Rhino.

  2. Bei der Dilatationstracheotomie nach Griggs Tab. 1 S. 769 wird auf Abbildung 6 S. 775 verwiesen. Es handelt sich in dieser Abbildung jedoch nicht wie angegeben um eine klassische Perkutane Dilatationstracheotomie (PDT), sondern um die Darstellung einer Koniotomie, die von Griggs et al. [3] in dieser Form nicht beschrieben wurde und der heutigen Lehrmeinung entgegenwirkt, dass perkutane Dilatationstracheotomien als Notfalltracheotomien ausgeschlossen sind.

  3. Die Höhenangaben zum Zugang einer Tracheotomie / Tracheostomie werden im Beitrag auf den S. 769 und 778 unterschiedlich definiert. Festzuhalten ist, dass nach heutiger Lehrmeinung ein Vorgehen zwischen der 2. bis 4. Trachealspange zu wählen ist. Dieser Forderung widerspricht die Abbildung 3 auf S. 772, in der eine Tracheotomie zwischen der 1. und 2. Trachealspange dargestellt wird. Noch gravierender ist eine fehlerhafte Darstellung einer Punktionstracheotomie am Ringknorpel in Abbildung 4 auf S. 773. Eine zu hohe Punktion in Höhe des Ringknorpels ist eine sichere Basis für die Ausbildung späterer schwerer laryngotrachealer Stenosen [1]. Dies geschieht zu Zeitpunkten, da einstige Intensivtherapiepatienten lange aus dem Gesichtsfeld der Intensivtherapeuten verschwunden sind. Behandlungspflichtige späte Trachealstenosen mit Häufigkeiten von 2 bis 12% je nach Methode der PDT [4] sind keine Bagatellen und verursachten in den letzten 15 Jahren in Dresden-Friedrichstadt bei 73 Patienten Folgekosten von 1 020 000 Euro.

  4. Die Abbildung 7 auf S. 776 weist eine fehlerhafte laryngotracheale Anatomie aus.

  5. Die Problematik von Trachealspangenbrüchen in 5–50% in klinischen und bis zu 66% in autoptischen Studien [4] als methodischer Risikofaktor bei PDT bleibt im CME Beitrag unerwähnt. Unkontrollierte Trachearingfrakturen disponieren zu späteren Trachealstenosen [2] [4] als Spezifikum der PDT. Bei chirurgischen Tracheotomien ist das mit 0,9% eine Seltenheit [5].

  6. Die im Beitrag von Bartels und Bogdanski auf S. 767 genannte Rate von 5% Trachealstenosen nach offen chirurgischen Tracheostomien muss nach heutigem Operationsstandard in der HNO-Heilkunde auf 1,25% reduziert werden [5].

  7. Eine Erwähnung tödlicher tracheotomie-assoziierter Zwischenfälle bei PDT ist in dem CME Beitrag ausgeblieben. Im Schrifttum der letzten 10 Jahre sind 69 Fälle niedergelegt [4]. Eine Beschreibung sollte nicht zur Verunsicherung tracheotomierender Ärzte beitragen, sondern wären auch ein Beitrag zum Notfall- und Qualitätsmanagement.

Die Unterzeichnenden geben mit Nachdruck zu bedenken, dass ein CME Beitrag der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung dient. Die Mängel der vorliegenden Arbeit sind bei praktischer Umsetzung geeignet, die Komplikationsraten bei Tracheotomien zu befördern. Auch werden CME Beiträge gern zitiert und als Grundlage für Leitlinien verwendet. Gerade die sehr einprägsamen Farbabbildungen sind in ihren Darstellungen geeignet, dem Leser als Handlungsanweisung im Gedächtnis zu bleiben. Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert, weshalb wir in interdisziplinärer Kollegialität und aus medicolegalen Gründen bitten, unsere kritischen Anmerkungen zur Kenntnis zu nehmen.

 
  • Literatur

  • 1 Christenson TE, Artz GJ, Goldammer JE, Spiegel JR, Boon MS. Tracheal stenosis after placement of percutaneous dilational tracheotomy. Laryngoscope 2008; 118: 222-227
  • 2 Ciaglia P. Technique, complications and improvements in percutaneous dilatational tracheostomy. Chest 1999; 115: 1229-1230
  • 3 Griggs WM, Worthley LI, Gilligan JE, Thomas PD, Myburg JA. A simple percutaneous tracheostomy technique. Surg Gynecol Obstet 1990; 170: 543-545
  • 4 Klemm E, Nowak A Hrsg Kompendium der Tracheotomie. Indikationen, Methoden, Durchführung, Vermeidung und Therapie von Komplikationen, Trachealchirurgie, Airway-Management. Springer Heidelberg; 2011
  • 5 Straetmans J, Schlöndorff G, Herzhoff G, Windfuhr JP, Kremer B. Complications of midline-open tracheotomy in adults. Laryngoscope 2010; 120: 84-92