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DOI: 10.1055/s-0031-1300728
Akutes Leberversagen: vom Tiermodell zur Therapie
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
30. Dezember 2011 (online)

Das akute Leberversagen (ALV) ist gekennzeichnet durch das rasche Auftreten einer schweren Leberschädigung mit konsekutiver Verschlechterung der Lebersyntheseleistung und der Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie bei Patienten ohne vorbestehender chronischer Lebererkrankung. Die schlechte klinische Spontanprognose von Patienten mit ALV wird durch die Kombination aus schwerer Leberinsuffizienz mit Ikterus und Gerinnungsstörung und hepatischer Enzephalopathie bestimmt. Die klinische Charakteristik des ALV ist abhängig vom zeitlichen Verlauf des Leberversagens. Während bei rapiden Verläufen die hepatische Enzephalopathie mit Hirnödem im Vordergrund steht, ist die Klinik bei langsameren, subakuten Verläufen durch ein einsetzendes Nierenversagen und durch die Entwicklung einer portalen Hypertension gekennzeichnet. Die Inzidenz des ALV in den Vereinigten Staaten von Amerika liegt bei ca. 2000 Fällen jährlich, und etwa sechs Prozent aller leberbezogenen Todesfälle sind auf ein akutes Leberversagen zurückzuführen.
Charakteristisch für den klinischen Verlauf des akuten Leberversagens ist die rasche Entwicklung eines Multiorganversagens. Aus der verminderten Produktion von Opsoninen durch die geschädigten Hepatozyten resultiert frühzeitig eine deutliche Beeinträchtigung des Immunsystems, die klinisch zu mikrobiellen Infektionen und Endotoxinämien führen. Konsekutiv werden Makrophagen aktiviert und setzen verschiedene Zytokine wie Interleukin 6 (IL-6) und Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) frei, die das klinische Bild des Systemic Inflammatory Response Syndrom (SIRS) bedingen. Daher konnte bei Patienten mit akutem Leberversagen deutlich erhöhte IL-6- und TNF-α-Spiegel im Serum und eine vermehrte Expression in der Leber gefunden werden, die für die Prognose des akuten Leberversagens von Bedeutung sind. Aus diesem Grunde könnte die Beeinflussung der Zytokine und die Modifikation der dadurch aktivierten Signalwege eine therapeutische Option für diese Patienten sein.
Experimentell gibt es verschiedene Tiermodelle, in denen Mechanismen des ALV untersucht werden können. Interessanterweise spielen bei der Schädigung der Leber auch in diesen Modellen die Expression von TNF-α und anderer Familienmitglieder eine wichtige funktionelle Rolle. Die Tiermodelle bieten daher eine gute Möglichkeit, die patho-physiologische Relevanz dieser Regulation zu testen.
Nach Bindung an ihre spezifischen Rezeptoren sind TNF-α-Familienmitglieder in der Lage, in den Hepatozyten verschiedene intrazelluläre Signalkaskaden zu aktivieren und dadurch die Zelle zu schädigen. Die schädigenden Signalwege können dabei sowohl zum apoptotischen als auch zum nekrotischen Zelltod der Hepatozyten führen. In der Regel findet sich jedoch ein Mischbild der beiden Schädigungsmuster, die im Rahmen des akuten Leberversagens zur Zerstörung von großen Anteilen der Leber führen.
Da die TNF-α-Familienmitglieder eine zentrale Rolle für die Induktion des Leberzelluntergangs führen, konzentrieren sich die wissenschaftliche Aktivitäten darauf, die Wirkung und die Mechanismen der aktivierten Signalkaskaden genauer zu definieren, um dadurch neue Therapieansätze zu entwickeln, durch die Signalwege moduliert werden können. Ziel des Vortrags soll es daher sein, einen aktuellen Überblick über den Stand der Forschung auf diesem Gebiet zu geben und dadurch mögliche neue diagnostische und therapeutische Perspektiven aufzuzeigen.