Arzneimittelforschung 2010; 60(11): 713-714
DOI: 10.1055/s-0031-1300727
PMS-Symposium: Innovative Therapies in Hepatology
Editio Cantor Verlag Aulendorf (Germany)

Nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) – von der Pathophysiologie zur innovativen Therapie

Tilg Herbert
Krankenhaus Hall in Tirol, Abteilung für Innere Medizin und Christian Doppler Forschungslabor für Entzündungsbiologie, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. Dezember 2011 (online)

Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFL) tritt gemeinsam mit Adipositas und Diabetes auf und ist in den meisten Fällen mit Insulinresistenz assoziiert [1]. Die Pathophysiologie dieser Erkrankung ist unvollständig verstanden. Während die Entstehung der Fettleber per se zunehmend besser untersucht ist, ist es unverändert unklar, warum sich in 10–20% der Patienten mit einer Steatose eine Steatohepatitis entwickelt. Verschiedene Mediatoren wie Zytokine und Adipozytokine bzw. genetische Faktoren scheinen hier eine zentrale Rolle zu spielen. Adipozytokine werden vorwiegend im Fettgewebe synthetisiert und haben als Zielorgan u. a. die Leber [2]. Diese Adipozytokine (Adiponectin und Leptin als Hauptvertreter) sind sehr pleiotrop und regulieren verschiedenste Aspekte wie Steatose, Insulinresistenz, Inflammation und zahlreiche Immunvorgänge. Die proinflammatorischen Zytokine TNF-alpha und IL-6 spielen bei NAFL ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie erhalten nicht nur eine Entzündung, sondern regulieren auch zentrale Krankheitsaspekte wie Insulinresistenz. Serumspiegel von IL-6 korrelieren mit dem Ausmaß der Adipositas und der Entzündung in der Leber bei nichtalkoholischer Steatohepatitis (NASH). Adiponectin, das wichtigste anti-entzündliche Adipozytokin, zirkuliert beim Gesunden in hohen Konzentrationen und hat als wichtigste biologische Funktion eine entzündungshemmende. Sobald Adiponectinserumspiegel abnehmen, was bei Adipositas der Fall ist, wird dieses biologische Gleichgewicht gestört und beginnen pro-inflammatori-sche Aktivitäten zunächst vor allem im Fettgewebe und später in der Leber. Es ist allerdings unverändert unklar, was zu einem Abfall der systemischen Adiponectinspie-gel führt. Insgesamt scheint diese TNF-alpha/Adiponec-tinachse besonders relevant zu sein. Adiponectin hemmt nicht nur die Bildung von TNF-alpha, sondern induziert potent die Synthese von anderen anti-entzündlichen Zytokinen wie IL-10- und IL-1-Rezeptorantagonist. Damit ist die Balance zwischen pro- und anti-entzündlichen Mediatoren entscheidend und eine entsprechende Imbalance trägt mit zur Entstehung der Insulinresistenz bei.

PPAR-gamma-Liganden (PPAR: peroxisome prolifera-tor- activated receptor) wie Glitazone sind in der Lage, die Adiponectinspiegel anzuheben. Damit waren solche Substanzen in den letzten Jahren von großem Interesse in der Behandlung von NAFL/NASH. Zudem sind PPAR-gamma-Liganden über verschiedene Wege antientzündlich und ermöglichen den Export von Leberfett, was sie zu idealen Therapiekandidaten für diese Erkrankung macht. Die bisher größte Therapiestudie bei NASH wurde kürzlich publiziert [3]. In dieser amerikanischen Multizenterstudie wurden 247 NASH-Patientlnnen mit Plazebo, Vitamin E (800 IU täglich; 83 Patienten) oder Pioglitazon (30 mg täglich; 80 Patienten) über 96 Wochen behandelt. Primäres Studienziel war der Einfluss dieser Therapie auf die Leberhistologie. Interessanterweise war eine Vitamin E-Therapie signifikant wirksamer als Plazebo bezüglich einer Verbesserung der Leberhistologie. Pioglitazon führte zwar auch zu einer Reduktion der Leberentzündung (34% vs. 19%; p < 0.04), aber weniger ausgeprägt als bei Vitamin E. Beide Therapien verbesserten Leberwerte, Lebersteatose und lobuläre Inflammation, während das Ausmaß der Fibrose nicht beeinflusst wurde. Die Schlussfolgerung der Autoren war, dass Vitamin E im Vergleich zu Plazebo die Leberhistologie bei Nichtdiabetikern signifikant verbessert, während Pioglitazon das primäre Studienziel verpasste, auch wenn Pioglitazon bei einigen sekundären Studienendpunkten signifikant wirksam war.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Pathophysiologie dieser Erkrankung zunehmend besser verstanden wird, auch wenn es unverändert unklar ist, welche Patienten eine NASH entwickeln. Die Rolle genetischer Faktoren rückte zuletzt zunehmend in den Vordergrund. In der Therapie dürfte eine Vitamin E-Therapie einen etwas größeren Nutzen als Pioglitazon zeigen. Beide Therapien sind nicht in der Lage, eine vorhandene Fibrose rückgängig zu machen. Die Suche nach wirksamen Therapien geht weiter.

 
  • Literatur

  • 1 Marchesini G, Forlani G. NASH: from liver diseases to metabolic disorders and back to clinical hepatology. Hepatology. 2002; 35: 497-99
  • 2 Tilg H, Hotamisligil GS. Nonalcoholic fatty liver disease: cytokine-adipokine interplay and regulation of insulin resistance. Gastroenterology. 2006; 131: 934-45
  • 3 Sanyal AJ, Chalasani N, Kowdley KV et al. Pioglitazone, vitamin E, or placebo for nonalcoholic steatohepatitis. N Engl J Med. 2010; 363: 1675-85