Arzneimittelforschung 2010; 60(11): 701
DOI: 10.1055/s-0031-1300719
PMS-Symposium: Innovative Therapies in Hepatology
Editio Cantor Verlag Aulendorf (Germany)

Quantitatives HBsAg, HBV-Genotypen, Real Time-PCR für HBV-DNA – Entwicklungen in der Diagnostik der Hepatitis B

Wolfgang Jilg
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Universität Regensburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. Dezember 2011 (online)

Die serologische Diagnostik der Hepatitis B mittels des Nachweises der Antigene HBsAg und HBeAg sowie der Antikörper Anti-HBs, Anti-HBc-IgG und -IgM und Anti-HBe erlaubt in den meisten Fällen bereits eine eindeutige Diagnose einer akuten, chronischen oder abgelaufenen Hepatitis B aus nur einer Serumprobe. Neue Entwicklungen wie die quantitative HBsAg-Bestimmung und vor allem die Einführung molekularbiologischer Methoden wie Hybridisierung, Polymerasekettenreaktion (PCR) und DNA-Sequenzierung konnten aber in den letzten Jahren die diagnostischen Möglichkeiten noch deutlich ausweiten und ermöglichen heute die Diagnosestellung im Falle unklarer serologischer Befunde, Aussagen über die Infektiosität eines Hepatitis-B-Patienten, eine bessere Charakterisierung und prospektive Beurteilung einer akuten oder chronischen Infektion und begleitende Untersuchungen zur Steuerung einer antiviralen Therapie.

Durch die Einführung der Polymerasekettenreaktion in die Hepatitis-B-Diagnostik wurden die verschiedenen Nukleinsäurehybridisierungsmethoden wie Dot-Blot-Hybridisierung oder die „branched DNA”-Technik zum Nachweis von HBV-DNA praktisch vollständig ersetzt. Heute eingesetzte PCR-Verfahren sind voll automatisierbar, werden überwiegend quantitativ, als sogenanntes „Real Time”-Verfahren (RT-PCR), durchgeführt und sind in der Lage, HBV-DNA-Konzentrationen bis herab zu 50–60 Kopien/ml (entsprechend 10–12 IU/L) verlässlich zu messen. Sie werden im Blutspendewesen ebenso verwendet wie in der Routinediagnostik zur Viruslastbestimmung und dienen neben dem reinen Nachweis des Erregers der Beurteilung der Infektiosität chronischer Virusträger und der Verlaufskontrolle der Therapie von Patienten mit chronischer Hepatitis B. Hier erlaubt die Messung der Viruslast prospektive Aussagen über den Therapieerfolg und ermöglicht die frühzeitige Feststellung einer Resistenzentwicklung.

Die Bestimmung des HBV-Genotyps erfolgt heute ebenfalls mittels PCR und anschließenden Hybridisie-rungsverfahren oder DNA-Sequenzierung. Genotypen und Subgenotypen haben einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung und sind von Bedeutung für die Therapieentscheidung. Die Genotypisierung wird daher vor Beginn einer Interferontherapie empfohlen. Ein weites Feld für den Einsatz von PCR und Sequenzierung ist die Identifizierung von Virusmutanten und -varianten. Sie spielen eine Rolle als sogenannte „Diagnostik-Escape-Mutanten” und „Vakzine-Escape-Mutanten”, die aufgrund von Veränderungen im HBsAg, dem Oberflächenprotein des Virus, unter Umständen von den Routinetests für HBsAg nicht entdeckt bzw. von durch die Hepatitis-B-Impfung induzierten Antikörpern nicht neutralisiert werden.

Die neueste Entwicklung ist die „Wiederentdeckung” der quantitativen HBsAg-Bestimmung, die sich mangels geeigneter Tests früher nicht durchsetzen konnte. Neue, automatisierte Testverfahren erlauben nun eine Quantifizierung von HBsAg über einen weiten Konzentrationsbereich und führten zu interessanten neuen Erkentnissen über diesen Marker. So zeigen aktuelle Studien zum Beispiel, dass der Verlauf der HBsAg-Konzentration während einer Interferontherapie eine bessere Vorhersage über das dauerhafte Ansprechen auf die Therapie ermöglicht als die Bestimmung der viralen Nukleinsäure. Untersuchungen an chronischen Virusträgern lassen den Schluss zu, dass in den verschiedenen Phasen der Infektion die HBsAg-Konzentration mit den klinischen Erscheinungen und der Virusaktivität der Patienten korreliert. Zusammen mit einer quantitativen HBV-DNA-Bestimmung könnte dieser Test eine bessere Charakterisierung eines chronischen Virusträgers erlauben und eine Optimierung des weiteren Vorgehens bei diesen Patienten ermöglichen.

Diese neuen Verfahren stellen eine wichtige Bereicherung der Diagnostik der Hepatitis B dar. Ihr Einsatz in klinischen Studien wird aber zweifellos auch zu neuen Erkenntnissen über die akute und chronische Hepatitis B führen und zu einem besseren Verständnis der Pathophysiologie dieser komplexen Infektion beitragen.