ergopraxis 2011; 4(11/12): 16-17
DOI: 10.1055/s-0031-1295669
wissenschaft

Ergotherapeutisches Trainingsprogramm bei ADHS – Familienmensch und ADHS-Spezialistin

Simone Gritsch
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Publication Date:
11 November 2011 (online)

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Nachdem Bettina Arasin das ETP-ADHS entwickelt hatte, wollte sie wissen, wie wirksam das Programm tatsächlich ist. Sie entschied sich für eine Doktorarbeit. Eine reife Leistung für eine dreifache Mutter mit eigener Praxis, deren Diplomarbeit 20 Jahre zurückliegt.

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Evaluation des Ergotherapeutischen Trainingsprogramms (ETP) bei ADHS

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Die Doktorarbeit

Das Ergotherapeutische Trainingsprogramm (ETP) für Kinder mit ADHS orientiert sich an ergotherapeutischen Grundprinzipien und Behandlungsansätzen, verfolgt bewährte verhaltenstherapeutische Prinzipien und beinhaltet Elemente neuropsychologischer Trainings. Sein Gedächtnisstrategietraining beeinflusst die exekutiven Funktionen des Gehirns und gibt den Kindern Anreize, ihr Verhalten zu steuern und Handlungen zu planen. Dabei trainieren sie vor allem die zentrale Aufrichtung, ein angemessenes Arbeitstempo, Zielgenauigkeit und Ausdauer. Das Besondere: Die begleitende Elternarbeit unterstützt die Erziehungskompetenz der Eltern und wirkt nachhaltig auf das Familienleben ein. Außerdem ist das Training an die schulischen Anforderungen der Kinder angepasst und integriert deren Lehrer systematisch in die Therapie.

Bettina Arasin ging in ihrer Studie den Fragen nach, ob das ETP wirksam ist und ob die zusätzliche Gabe von Medikamenten einen Einfluss auf seine Trainingseffekte hat. Sie wollte herausfinden, ob das ETP die Kernsymptome der Aufmerksamkeitsstörung direkt beeinflusst und ob die Erfolge auch nach der Therapie erhalten bleiben. 58 Kinder im Alter zwischen 6 und 10 Jahren mit ADHS nahmen gemeinsam mit ihren Familien an der Studie teil. Davon bekamen 32 Kinder Medikamente. Zufällig zugeteilt, bildeten 38 Kinder die ETP-ADHS-Interventionsgruppe und 20 die Kontrollgruppe. Die Behandlung umfasste 19 Trainingseinheiten für die Kinder der Interventionsgruppe, drei Umfeldberatungen mit deren Eltern und zwei Termine mit den Lehrern. Die Daten wurden zu Beginn und am Ende der Intervention sowie ein halbes Jahr danach erfasst.

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Ergebnisse

Bettina Arasin hat herausgefunden, dass ...

  • > ETP die Alltagssituation der Kinder in den Familien verbesserte.

  • > das kindliche Verhalten auch sechs Monate nach dem Training weniger auffällig war.

  • > sich die Hyperaktivität der Trainingsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant reduzierte.

  • > sich die Auffälligkeiten des kindlichen Verhaltens verringerten.

  • > der Effekt unabhängig von der Einnahme von Medikamenten war - Medikamente haben somit keinen bedeutsamen Einfluss auf die Wirksamkeit des Trainings.

  • > sich laut Eltern die Symptome der Hyperaktivität und der Aufmerksamkeitsstörung durch das Training reduzierten.

  • > durch die Elternarbeit und den konsequenten Einsatz von häuslichen Übungen die Trainingseffektivität auch über das Training hinaus stabil blieb.

  • > Kinder mit ADHS ihre Symptomatik durch das ETP verbesserten. Sie waren weniger impulsiv und konnten sich besser steuern. Dadurch wurden sie auch im Alltag selbstständiger und eigenverantwortlicher.

  • > Lehrer und Eltern ähnliche Entwicklungen bei den Kindern bemerkten.

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Fazit

Zusammenfassend hält Bettina Arasin fest, dass ...

  • > Kinder und Eltern das Trainingsprogramm positiv bewerten.

  • > das ETP-ADHS sowohl die Kernsymptome der ADHS reduziert als auch die Familienatmosphäre verbessert.

  • > sich Eltern durch das ETP-ADHS informiert, gestützt und hilfreich begleitet fühlten.

  • > das ETP-ADHS ein qualifizierter Baustein im multimodalen Konzept der Behandlung der ADHS sein kann.

  • > die Veränderungen auf die Teilnahme am Training zurückzuführen sind.

  • > das ETP-ADHS eine wirkungsvolle Intervention darstellt.

Bettina Arasin ...

... absolvierte 1972 eine Ausbildung zur Lehrerin für Gymnastik und Textiles Gestalten. 1987 schloss sie ein weiterführendes Psychologiestudium in Braunschweig mit dem Diplom ab. 2010 promovierte sie an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln mit dem Thema „Evaluation des Ergothera-peutischen Trainingsprogramms bei ADHS“.

Seit 1982 gestaltet sie zusammen mit ihrem Mann und den drei Kindern das Unternehmen „Familie“. Beruflich hält sie schwerpunktmäßig Vorträge, Seminare und Fortbildungen für Erzieher, Lehrer und Ergo-therapeuten zum Thema „ADHS“. Außerdem unterrichtet sie am Fortbildungshaus „Therapie und Wissen“ und in der „Heimerer Akademie“. Gemeinsam mit Britta Winter, Lehrtherapeutin für Ergotherapie, entwickelte und evaluierte sie das bei Thieme erschienene „Ergotherapeu-tische Training für ADHS-Kinder“. Für diesen Bereich hat sie das Trainingsprogramm „Starke Muskeln -Wacher Geist“ für Kinder mit schwachem Haltungshintergrund und Konzentrationsschwächen entwickelt. Freiberuflich ist sie in ihrer psychologischen Praxis und als Übungsleiterin in der Gesundheitsprävention tätig.

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