Suchttherapie 2011; 12(04): 149-150
DOI: 10.1055/s-0031-1295617
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gefragt – Substitution und Recht – Neues aus der Rechtsprechung

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Publication Date:
10 November 2011 (online)

 

? Bei der Take-Home-Verordnung von Methadon oder Polyamiden besteht die Gefahr der intravenösen Injektion, die zur Nierenschädigung führen kann. Muss ich Patienten deswegen auch bei unauffälligem Drogenscreening auf Einstichstellen untersuchen? Muss ich ihn mündlich auf die Gefahren des beigemengten Glycerols hinweisen? Sollte ich bei gleichzeitiger Einnahme von Antidepressiva ein EKG durchführen, um nach einer ST-Streckensenkung zu fahnden?

Zutreffend beschreiben Sie die Problematik des nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs von Methadon oder Polyamidon in Zusammenhang mit intravenösen Injektionen. Daher ist es grundsätzlich geboten, auch bei einem unauffälligen Drogenscreening den Patienten auf Einstichstellen zu untersuchen. Diese Untersuchung muss nicht zwingend bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt stattfinden. Man sollte jedoch in unregelmäßigen und nicht erkennbaren Zeitabständen entsprechende Untersuchungen durchführen.

Grundsätzlich muss wegen des nichtbestimmungsgemäßen Gebrauchs nicht auf die Gefahren des beigemengten Glycerols hingewiesen werden. Die Aufklärungspflicht betrifft dem Grunde nach nur die Risiken, die bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauchs eintreten können. Dennoch erscheint es uns sachgerecht zu sein, im Rahmen der Behandlung des Patienten auf die möglichen Risiken des beigemengten Glycerols hinzuweisen. Entsprechendes sollte auch unbedingt dokumentiert werden.

Bei der Frage der gleichzeitigen Einnahme von Antidepressiva sind zweierlei Gesichtspunkte zu beachten: zum einen, ob überhaupt der Patient substitutionsgeeignet ist oder, ob nicht ein gefährdender Beigebrauch vorliegt, der die Substitutionsbehandlung ausschließt. Diesbezüglich ist auf § 5 Abs. 2 BtMVV, § 8 "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" (ehemals BUB-Richtlinien) und Nr. 12 "Richtlinien für Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger" der Bundesärztekammer zu achten. In allen 3 Regelungsbereichen ist gleich, dass eine Substitutionsbehandlung beendet werden muss, wenn ein gefährdender Beigebrauch von problematischen Substanzen vorliegt. Aus rein haftungsrechtlicher Sicht ist daher zu empfehlen, im Einzelfall ein EKG durchzuführen.

? Wenn ein Patient die psychosoziale Betreuung nicht einhält, darf ich ihm dann die weitere Behandlung verweigern, obwohl doch jeder Patient das Recht auf Substitution hat?

Bei der Fragestellung gehen wir davon aus, dass dem Grunde nach eine psychosoziale Betreuung erforderlich ist und sie deswegen auch durchgeführt werden muss.

§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 sieht die Einbeziehung einer psychosozialen Betreuung vor, wenn diese erforderlich ist. Auch § 8 "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" sieht vor, dass eine Sitzung abgebrochen werden muss, wenn eine dauerhafte Nichtteilnahme des Patienten an einer erforderlichen psychosozialen Betreuung vorliegt. Im Prinzip gleichlautend verlangt auch Nr. 12 "Richtlinie zur Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger", dass eine Beendigung der Behandlung vorgenommen werden muss, wenn der Patient an einer vereinbarten psychosozialen Begleitmaßnahme nicht teilnimmt.

Daraus ergibt sich, dass kein unbeschränktes Recht des Patienten auf eine Substitutionsbehandlung besteht. Er hat sich gerade bei der Substitutionsbehandlung an die erforderlichen "Spielregeln" zu halten, die sich aus den oben genannten Regelungen klar und unmissverständlich ergeben. In letzter Konsequenz müsste daher in der Tat überlegt werden, ob die Substitutionsbehandlung verweigert wird. Dies ist sicherlich eine Ultima-Ratio-Entscheidung, die erst auf Grundlage einer ausführlichen und umfassenden Beratung des Patienten durchgeführt wird. Vom Arzt ist unter Beachtung der Richtlinie der Bundesärztekammer zu verlangen, dass hier auf den Patienten umfassend Einfluss genommen wird, sich an der psychosozialen Betreuung zu beteiligen.

? Als substituierender Arzt wurde ich vom RP Darmstadt, der Kontrollbehörde für den BtM-Verkehr, aufgefordert, sämtliche Apotheken-Bestandslisten aus dem Zeitraum vom 1.7.10 bis 31.1.11 für die 20 von mir betreuten und in Apotheken der Region täglich mit Methadon-HCl 1% Lsg. zum unmittelbaren Verbrauch versorgten Patienten als Kopien (ca. 140 Blatt DIN A4) vorzulegen. Begründet wurde dies mit dem Wortlaut der BtMVV § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 6. Frage: Ist dieser wenig sinnvolle Aufwand tatsächlich von mir zu leisten oder gibt es für substituierende Ärzte Ausnahmeregelungen?

Ohne jeden Zweifel handelt es sich hierbei um einen erheblichen Arbeitsaufwand. Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BtMG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Satz 3 BtMVV ist die Kontrollbehörde für den BtM-Verkehr berechtigt, sich die erforderlichen Belege vorlegen zu lassen. Die Vorlagepflicht trifft nach § 13 Abs. 2 Nr. 6 BtMVV grundsätzlich den Arzt. Eine Ausnahmeregelung für substitutierende Ärzte gibt es nicht, vielmehr bestimmt gerade § 13 Abs. 2 Nr. 6 BtMVV ausdrücklich die entsprechende Nachweisführung für die Substitutionsbehandlung.

Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser Aufforderung um einen Verwaltungsakt handelt, gegen den man sich grundsätzlich wehren kann. Der Widerspruch gegen eine solche Aufforderung hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung, es sei denn, die sofortige Vollziehung des Bescheids ist angeordnet worden. Argumentativ ist dies natürlich schwierig, da die Behörde den BtM-Verkehr kontrollieren soll. Das einzige Argument könnte sein, dass diese Aufforderung unverhältnismäßig ist, da zu viele Unterlagen angefordert werden.

? Ein Patient will in ein Land außerhalb des Schengener Abkommens in den Urlaub fahren (z. B. nach Nordzypern oder in die Türkei). Muss ich ihm die Take-Home-Mitgabe verweigern, wenn er es versäumt hat, seine Schengen-Bescheinigung im Gesundheitsamt abstempeln zu lassen?

Nach § 5 Abs. 8 BtMVV kann für einen Zeitraum von bis zu 30 Tagen innerhalb eines Jahres, das nicht mit dem Kalenderjahr zu verwechseln ist, das Substitutionsmittel verordnet werden. Dies kommt im Regelfall im Urlaub in Betracht. Die Entscheidung darüber, ob er in ein Land des Schengender Abkommen reist oder in ein anderes Land, hat primär der Patient zu treffen. Er hat sich auch darum zu kümmern, dass er eine entsprechende Bescheinigung nach Art. 75 des Schengender Durchführungsübereinkommens (SDÜ) mit sich führt. Es liegt also primär in der Verantwortung des Patienten und nicht in der Verantwortung des Arztes, ob und inwieweit er die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Ein Recht zur Verweigerung der Verordnung besteht nicht. Es sollte jedoch der Patient unbedingt darauf hingewiesen werden, dass er sich die entsprechenden Bescheinigungen geben lässt.

Dr. Bernd Weber, Kassel
Jörn Schroeder-Printzen, Potsdam

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(Bild: Ingo llja Michels)
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