Zeitschrift für Palliativmedizin 2011; 12(06): 253
DOI: 10.1055/s-0031-1295611
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechung

Contributor(s):
Klaus Reckinger
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Publication History

Publication Date:
07 November 2011 (online)

 
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Praktische Palliativmedizin: Leitfaden und Checklisten für die bedürfnisorientierte Behandlung
Claud Regnard und Mervyn Dean
2010, 403 Seiten, Verlag Hans Huber, Bern, 49,95 €, ISBN 978-3-456-84870-9

Palliativmedizin versteht sich als eigenständiges Fachgebiet, das viele gesellschaftlichen Themen berührt, nicht nur die medizinischen. Ein multiprofessionelles Team stellt sich immer wieder neuen Herausforderungen in der Begleitung sehr persönlicher individueller Schicksale. Um diese Aufgabe zu erfüllen, müssen professionelle Begleiter nicht nur ihr Fachwissen sicher beherrschen sondern auch bereit sein, ihr Handeln und ihre Motive selbstreflektorisch zu klären, damit die Betroffen bestärkt werden können, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Immer wieder sieht sich das Team mit komplexen Situationen konfrontiert, deren Lösung nicht immer offensichtlich ist. Der Wunsch nach möglichst konkreten Handlungsempfehlungen, zumindest in Teilbereichen, wird nachvollziehbar.

Mit dem Buch "A Guide to Symptom Relief in Palliative Care" verfolgen Claud Regnard und Mervyn Dean diesen Ansatz, das jetzt in der deutschsprachigen Übersetzung von Sibylle Tönjes unter dem Titel " Praktische Palliativmedizin – Leitfaden und Checklisten für die bedürfnisorientierte Behandlung" vorliegt. Häufig vorkommende Problemstellungen aus den Bereichen Gesprächsführung, Symptomkontrolle und Arzneimittelwechselwirkungen werden thematisiert, in Form von Checklisten wichtiger Fragestellungen in Teilaspekte gegliedert und tabellarisch beantwortet. Alternativ steht ein Fließtext zur Verfügung, der die Stichpunkte aufgreift und vertieft. Diese Struktur ermöglicht dem Leser einen schnellen Orientierungsrahmen. Besonders in der Symptomkontrolle wird Wert darauf gelegt, möglichst konkret durch Benennung von Medikamenten, Dosierungen und Applikationsintervallen Handlungsalternativen aufzuzeigen. Auf die Diskussion der komplexen Ausgangssituation wird bewusst verzichtet und nur differenziert in Krankheitsstadien mit "kurzer" und "langer Prognose".

Leider ist der Titel der deutschsprachigen Übersetzung etwas irreführend, denn der Inhalt beschränkt sich auf die verschiedenen Aspekte der Symptomkontrolle und Gesprächsführung. So wird man Themen wie die Begleitung von Familien, die Multiprofessionalität in der Teamarbeit, Ethik und Recht, soziale und spirituelle Aspekte vergeblich suchen. Alle wichtigen physischen und psychischen Symptome sind dagegen behandelt, einschließlich krisenhafter Notfälle. Sehr ausführlich und gut ist das Kapitel Arzneimittel-Wechselwirkungen gelungen. Allerdings stehen für diese Fragestellungen heute tagesaktuelle Online-Quellen zur Verfügung.

Die wörtliche Übersetzung des Originaltextes ohne palliativmedizinische Expertise, entfremdet häufig den Sinn des Originaltextes und wirkt befremdlich. Es fehlt die Adaptation an die Gegebenheiten in Deutschland. Empfohlene Medikamente sind in Deutschland nicht üblich oder werden unter anderem Namen vertrieben. So ist das Codein als Monosubstanz zur Schmerztherapie in Deutschland nicht erhältlich und das 7-Tage Buprenorphin Pflaster ist als Norspan® auf dem Markt und nicht, wie im Buch benannt, als Transtec PRO®.

Von diesen Einschränkungen einmal abgesehen, bietet der Titel "Praktische Palliativmedizin" allen Einsteigern einen schnellen und weitreichenden Einblick in wichtige Aspekte bei häufig vorkommenden Problemstellungen, getragen von der jahrelangen Erfahrung und Kompetenz der Autoren. Auch für alle, die einmal über den Tellerrand schauen wollen und interessiert sind an den Unterschieden in der palliativmedizinischen Versorgung zwischen England und Deutschland, ist dieses Werk sicher eine Empfehlung.

Dipl. Phys. Klaus Reckinger, Herten