ergopraxis 2011; 4(10): 10-12
DOI: 10.1055/s-0031-1292663
wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

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Publication Date:
07 October 2011 (online)

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Achtsamkeitstraining – Unterstützt die Selbstwahrnehmung

Ergotherapiestudenten können durch ein Achtsamkeitstraining lernen, bewusster mit sich selbst und ihren Klienten umzugehen. Dies zeigt eine qualitative Studie von Dr. Graham Stew, Studiengangsleitung an der Fakultät für Gesundheitsberufe der University of Brighton, England.

20 Ergotherapiestudenten nahmen an einem vierwöchigen Achtsamkeitstraining teil, zu dem sie sich einmal pro Woche für 90 Minuten einfanden. Dabei erlernten sie die Strategie „body scan“, bei der man seine Aufmerksamkeit dem Körper schrittweise widmet - von den Zehen bis zum Kopf. Mithilfe der Strategie „sitting meditation“ machten sie sich zwar ihr Körpergefühl, ihre Gedanken und ihre Emotionen bewusst, lenkten den Fokus jedoch auf ihre Atmung zurück. Beim „3-minute-breathing space“, einer Art MiniMeditation, konzentrierten sie sich auf ihre Atmung, den Körper und den Moment. Die sogenannte ungezwungene Aufmerksamkeit konnte jeder Student im Laufe des Tages nach eigenem Ermessen anwenden. Ihre Erfahrungen mit dem Training und den Strategien beschrieben die Studenten im Rahmen von Interviews, Evaluationsfragebögen, E-Mails und Tagebüchern. Sie bewerteten die erlernten Achtsamkeitsstrategien als hilfreich, um sich selbst zu erkunden und authentischer aufzutreten. Dabei empfanden sie es zugleich als herausfordernd und bereichernd, von ihrem aktivitätsorientierten Lebensstil in einen beobachtenden Zustand zu wechseln. Dieser half ihnen dabei, sich unabhängig von dem unermüdlichen Strom der eigenen Gedanken und Gefühle wahrzunehmen. Aus ihrer Sicht wirkten sich die Techniken darüber hinaus positiv auf ihre Studienleistungen aus und ermöglichten es ihnen, sich intensiver auf die Klienten einzulassen.

Aus diesen Ergebnissen folgert Dr. Graham Stew, dass ein Achtsamkeitstraining Ergo-therapiestudenten darin unterstützen kann, bewusster mit den Herausforderungen des alltäglichen Lebens umzugehen - sowohl beruflich als auch privat.

fk

BJOT 2011; 74: 269–276

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Psychiatrie – Kompetenztraining unterstützt soziale Integration und Rollenbewältigung

Psychisch erkrankte Menschen profitieren von einem ergotherapeutischen Training, das sich auf ihre sozialen Fertigkeiten, allgemeinen Lebenskompetenzen oder Aktivitäten des täglichen Lebens bezieht. Dies zeigt die systematische Übersichtsarbeit eines ergothera-peutischen Forschungsteams um Professor Robert W. Gibson vom medizinischen College in Georgia, USA.

Die Forscher untersuchten auf der Grundlage bestehender Studien, wie sich ergotherapeutische Interventionen auf die soziale Integration und Rollengestaltung von Menschen mit psychischen Einschränkungen auswirken. Auf CINAHL, Medline, PsycINFO oder Cochrane nutzten sie als Suchbegriffe die Terminologie aus dem ..Occupational Therapy Practice Framework“ (OTPF). Diese kombinierten sie mit gängigen Begriffen aus der Mental-Health-Literatur. Auf diese Weise identifizierten sie 52 Arbeiten. Es handelte sich dabei um Forschungsprojekte mit hoher methodischer Qualität wie Systematische Reviews, Metaanalysen oder RCT-Studien. Außerdem waren klinische Studien mit Kontrollgruppen und Interventionsstudien mit einer Vorher-Nachher-Testung dabei. Die Arbeiten umfassten eine breite Palette an ergotherapeutischen Interventionen: vom Training sozialer und alltagsbezogener Kompetenzen über arbeitsbezo-gene Maßnahmen bis hin zu neurokognitiven und klientenzentrierten Ansätzen.

Den Ergebnissen zufolge schneidet das soziale Kompetenztraining am besten ab, da es zu moderaten bis starken Effekten führt. Auch ein Training allgemeiner Lebens- und ADL-Kompetenzen kann betroffene Menschen darin unterstützen, sich effektiver in ihr soziales Umfeld zu integrieren. Darüber hinaus können Menschen mit psychisch bedingten Handlungseinschränkungen von einem neurokog-nitiven Training profitieren. Die behandelnde Ergotherapeutin sollte die funktionellen Übungen allerdings mit einem Kompetenztraining kombinieren und einen deutlichen Bezug zu den Betätigungsbereichen „Arbeit“, „soziale Partizipation“ oder „iADL“ herstellen. Für klientenzentrierte Ansätze besteht ebenso eine positive, aber begrenzte Evidenz. Aus Sicht der Forscher können diese Ergebnisse Ergotherapeuten darin unterstützen, ihren Fokus auf eine zeitgemäße psychiatrische Praxis zu legen und den ergotherapeutischen Auftrag empirisch zu untermauern.

fk

AJOT 2011; 65: 247–256

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Genderperspektive – Klassische Rollenvorstellungen bereits in der Ausbildung reflektieren

Klassische Rollenvorstellungen beeinflussen Ergotherapiestudenten bei der Auswahl von Aktivitäten für die Behandlung ihrer Klienten. Zu diesem Fazit gelangte die Ergotherapeutin Dr. Gunilla Liedberg gemeinsam mit ihrer Kollegin Prof. Gunnel Hensing an der Linköping Universität im schwedischen Kungsgatan.

Die beiden Forscherinnen führten eine Querschnittstudie mit 107 Studenten durch. Davon waren 99 Frauen und 8 Männer. Alle Teilnehmer erhielten entweder ein männliches oder ein weibliches fiktives Fallbeispiel - Erik oder Erika. Auf einer Liste mit 16 Aktivitäten sollten sie jeweils drei Tätigkeiten auswählen, die sie einerseits dem Klienten bzw. der Klientin anbieten und andererseits selbst bevorzugen würden. Insgesamt wählten die Studenten für ihre Klienten am häufigsten die Aktivitäten „Kochen“, „eine Cafeteria besuchen“ oder „Gartenarbeit“ aus. Viele Themen wie „Aero-bic“ oder„Angeln“ ordneten sie vorrangig einem der beiden Geschlechter zu. Auch bei den von ihnen selbst präferierten Tätigkeiten setzten sich klassische Rollenvorstellungen durch. So bevorzugten die Studentinnen Tätigkeiten wie „Kochen“ oder „eine Cafeteria besuchen“. Bei den männlichen Teilnehmern rangierten hingegen „Gewichtstraining“ und „Angeln“ auf den ersten Plätzen.

Damit Ergotherapiestudenten ihre klassischen Rollenvorstellungen kritisch reflektieren lernen, plädieren die Forscherinnen dafür, Gendertheorien in den Lehrplan der Ergotherapie-ausbildung aufzunehmen.

fk

BJOT 2011; 74: 277–283