Klinische Neurophysiologie 2011; 42(04): 254-255
DOI: 10.1055/s-0031-1285853
Erfahrungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erfahrungsbericht zum Projekt Untersuchung der Regulierung axonaler Exzitabilität in peripheren sensorischen und motorischen Axonen mittels der „Threshold tracking“ – Methode [*]

Report of Experience with the Project “Study of the Regulation of Axonal Excitability in Peripheral Sensory and Motor Axons by Means of the Threshold Tracking Methods”
D. Czesnik
1   Abteilung Klinische Neurophysiologie, Zentrum Neurologie, Universitätsmedizin Göttingen
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
25 August 2011 (online)

Hintergrund

Die axonale Exzitabilität eines Neurons hängt von verschiedenen Parametern ab. Passive biophysikalische Eigenschaften eines Axons wie sein Durchmesser und auch das spezifische Repertoire zahlreicher Ionenkanäle, -pumpen und -austauscher führen zu einer für einen Axontyp charakteristischen Exzitabilität [1]. Im Gesunden sind human- wie auch tierexperimentell die meisten genannten Parameter gut untersucht. Gegenstand der aktuellen Forschung ist (i) die Charakterisierung der axonalen Exzitabilität unter pathologischen Bedingungen, (ii) die Untersuchung regulierender Mechanismen: dazu gehören zum einen die Erforschung der Bedeutung extrinsischer Faktoren (wie bspw. pH, Temperatur, spezifische Pharmaka) aber auch intrinsischer Faktoren wie bspw. verschiedene intrazelluläre Kaskaden und (iii) die subzelluläre Lokalisation und elektrophysiologische Charaktersierung der Subtypen von Ionenkanälen, -pumpen und -austauschern.

Methodisch stehen zur Beantwortung o. g. Fragen zum einen in-vitro Methoden wie die patch-clamp Methode oder Imaging-Methoden mit zellulärer Auflösung zur Verfügung. Diese Methoden werden vorrangig tierexperimentell genutzt und können nur bedingt an humanem Material eingesetzt werden.

Die „Threshold tracking“ Methode hingegen ermöglicht eine indirekte Untersuchung der zugrundeliegenden Mechanismen axonaler Exzitabilität. Mithilfe des Trond – Protokoll ist es möglich, in-vivo Untersuchungen an humanen peripheren Nerven durchzuführen und dabei verschiedene Exzitabilitätsparameter [2] zu messen.

Ein wesentliches Prinzip der Methode ist, das Reaktionsverhalten eines peripheren Nervens auf einen Teststimulus in Abhängigkeit eines vor, während oder nach dem Teststimulus applizierten konditionieren­den Pulses zu beschreiben. Als Obser­vable dient bei motorischen Nervenfasern das motorische Summenaktionspo­tentzial abgeleitet vom Muskel und bei sensorischen Fasern das sensorische Summenaktionspotenzial. Entscheidend dabei ist, dass die Antwort auf den Teststimulus eine definierte schwellennahe Größe hat. Verändert nun ein konditionierender Puls die Reaktion auf den Teststimulus, wird dieser in seiner Stärke computerkontrolliert angepasst, bis die definierte Größe wieder erreicht wird. Der konditionierende Puls variiert je nach Protokoll in Länge, Amplitude (unterschwellig oder überschwellig) und im Intervall zum Teststimulus. In Zusammenschau aller abgeleiteter Parameter lässt sich indirekt eine Aussage über involvierte Ionenkanäle, -austauscher und -pumpen treffen [1] [2].

Symptome zahlreicher neurologischer Erkrankungen sind mit einer veränderten peripheren axonalen Exzitabilität verbunden [1]. Hierzu gehören einerseits Neuropathien unterschiedlicher Genese (metabolisch [3] [4], toxisch [5] [6] oder demyelinisierend) und Erkrankungen des Rückenmarks [7]. Andererseits zeigen aber auch neurologische Erkrankungen, deren klinisches Bild durch zentralner­vöse Symptome gekennzeichnet ist, eine veränderte periphere axonale Exzitabilität. Hierzu gehören verschiedene Kanalkrankheiten, wie bspw. die episodische Ataxie vom Typ 1 [8] und vom Typ 2 [9], oder auch bestimmte generalisierte Epilepsien [10].

Die Untersuchung der für die axonale Exzitabilität verantwortlichen Mechanismen mithilfe der „Threshold tracking“ Methode bietet somit die Erforschung pathophysiologischer Zusammenhänge am Menschen in-vivo und somit auch die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze.

*

* gefördert durch das Stipendium für junge Wissenschaftler der DGKN


 
  • Literatur

  • 1 Krishnan AV, Lin CS, Park SB et al. Axonal ion channels from bench to bedside: a translational neuroscience perspective. Prog Neurobiol 2009; 89: 288-313
  • 2 Bostock H, Cikurel K, Burke D. Threshold tracking techniques in the study of human peripheral nerve. Muscle Nerve 1998; 21: 137-158
  • 3 Krishnan AV, Lin CS, Kiernan MC. Activity-dependent excitability changes suggest Na+/K+ pump dysfunction in diabetic neuropathy. Brain 2008; 131: 1209-1216
  • 4 Lin CS, Krishnan AV, Lee MJ et al. Nerve function and dysfunction in acute intermittent porphyria 2008; 131: 2510-2519
  • 5 Krishnan AV, Goldstein D, Friedlander M et al. Oxaliplatin-induced neurotoxicity and the development of neuropathy. Muscle Nerve 2005; 32: 51-60
  • 6 Kiernan MC, Isbister GK, Lin CS et al. Acute tetrodotoxin-induced neurotoxicity after ingestion of puffer fish. Ann Neurol 2005; 57: 339-348
  • 7 Lin CS, Macefield VG, Elam M et al. Axonal changes in spinal cord injured patients distal to the site of injury. Brain 2007; 130: 985-994
  • 8 Tomlinson SE, Tan SV, Kullmann DM et al. Nerve excitability studies characterize Kv1.1 fast potassium channel dysfunction in patients with episodic ataxia type 1. Brain 2010; 133: 3530-3540
  • 9 Krishnan AV, Bostock H, Ip J et al. Axonal function in a family with episodic ataxia type 2 due to a novel mutation. J Neurol 2008; 255: 750-755
  • 10 Kiernan MC, Krishnan AV, Lin CS et al. Mutation in the Na+ channel subunit SCN1B produces paradoxical changes in peripheral nerve excitability. Brain 2005; 128: 1841-1846