Suchttherapie 2011; 12(03): 134-140
DOI: 10.1055/s-0031-1284361
Originalarbeit
George Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Früherkennung und Behandlung alkoholbezogener Störungen: Eine Prä-Post-Studie zur Verbesserung der Vernetzung von Hausarzt und Suchtberatung

Early Detection and Treatment of Alcohol-Related Disorders: a Pre-Poststudy to Improve the Integration of General Practitioner and Alcohol Counselling Service
J. Röhrig
1   Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum, Freiburg
,
S. Flaig
1   Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum, Freiburg
,
W. Niebling
2   Lehrbereich Allgemeinmedizin, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg
,
D. Ruf
1   Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum, Freiburg
,
S. Wahl
1   Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum, Freiburg
,
M. Berner
1   Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum, Freiburg
3   Rhein-Jura Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Bad Säckingen
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Publication Date:
09 August 2011 (online)

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Zusammenfassung

Einleitung:

Als wesentliches Hindernis einer effektiven Sekundärprävention alkoholbezogener Störungen stellt sich die unzureichende Vernetzung des deutschen Suchthilfesystems dar. Insbesondere die Schnittstelle zwischen Hausarzt und suchtspezifischen Angeboten wird häufig als Hürde beschrieben. Die vorliegende Studie untersucht die Frage, ob strukturelle Interventionen dazu beitragen, dass Betroffene verstärkt und in einem früheren Erkrankungsstadium von Hausärzten an Suchtberatungsstellen überwiesen werden.

Methoden:

Die 4 Freiburger Suchtberatungsstellen dokumentierten über einen halbjährigen Zeitraum in allen Erstgesprächen die soziodemografischen und alkoholbezogenen Angaben sowie Vermittlungswege ihrer Klienten mithilfe eines standardisierten Erfassungsbogens. Anschließend wurden alle Freiburger Hausärzte (N=231) zur Teilnahme am Projekt eingeladen, welches ihnen eine unbürokratische und direkte Vermittlung von Patienten an Suchtberatungsstellen mit zuverlässiger Rückmeldung zusicherte. In der anschließenden Interventionsphase, bei der sich 10% der Hausärzte (Projektärzte) beteiligten, erfolgte die Dokumentation in den Beratungsstellen analog zur Kontrollphase.

Ergebnisse:

In der Interventionsphase stieg der Anteil überwiesener Patienten an der Gesamtzahl aller Erstgespräche signifikant an (p=0,002). Die Projektärzte waren an dieser Steigerung maßgeblich beteiligt. Es zeigte sich, dass Klienten, die bisher noch keinen Kontakt zum Suchthilfesystem hatten, signifikant häufiger durch Hausärzte an Suchtberatungsstellen überwiesen wurden (p<0,001). Bezüglich des Krankheitsstadiums konnten keine signifikanten Effekte gefunden werden.

Diskussion:

Die Schnittstelle zwischen Arzt und Beratungsstelle konnte durch strukturelle, niedrigschwellige Angebote verbessert werden. Es wurde gezeigt, dass der Hausarzt eine wichtige Vermittlungsfunktion zum Suchthilfesystem besitzt. Um Patienten in einem frühzeitigeren Erkrankungsstadium zu übermitteln, bedarf es möglicherweise zusätzlicher inhaltlicher Interventionen.

Abstract

Introduction:

A major barrier to effective secondary prevention of alcohol-related disorders in Germany is the insufficient integration of the addiction help system. In particular the interface between general practitioners and specific addiction services is often described as an obstacle in the literature. The present study examines the question of whether a structured intervention can lead to a higher number of patient referrals to alcohol counselling services and to referrals of patients in an earlier stage of the disease.

Methods:

Over a period of 6 months the 4 alcohol counselling services in Freiburg documented their initial contacts with their clients (sociodemographic and alcohol-related data and source of referral) with a standardised questionnaire. All general practitioners in Freiburg (N=231) were then invited to participate in the project, which enabled them to refer patients directly to the counselling services and receive reliable feedback. In the following intervention period, in which 10% of general practitioners in Freiburg took part (study physicians), referrals were documented in the same way as in the control period.

Results:

In the intervention period the rate of referral increased significantly (p=0,002). The study physicians were responsible for the improvement. Furthermore clients, who had never been in contact with the addiction help system before, were significantly more likely to be referred to the counselling services by general practitioners (p<0,001). In relation to the stage of disease no significant effects could be found.

Discussion:

An easy to replicate, accessible offer improved the interface between general practitioners and alcohol counselling services. Convincing evidence that general practitioners play an important role as gate-keepers to the addiction help system was found. Physicians may require specific training to increase referrals of patients in an earlier stage of the disease.