PPH 2011; 17(3): 121
DOI: 10.1055/s-0031-1279793
PPH|Szene
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bruno’s Welt- Geschüttelt, nicht gerührt.

Bruno Hemkendreis
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Publikationsdatum:
21. Mai 2011 (online)

Mir geht es oft ähnlich wie James Bond, und wahrscheinlich geht es vielen so, die sich einmal für die Arbeit in der psychiatrischen Pflege entschieden haben. Ich will die Welt retten, oder sie wenigstens an einem kleinen Punkt verbessern. Damit bin ich vor Jahren angetreten, auch wenn es mir damals nicht so bewusst war.

Im Laufe der Jahre bin ich – wiederum ähnlich wie Bond – vielen scheinbar ausweglosen Situationen begegnet, die sich jedoch alle irgendwie lösen ließen.

Das gibt ein Quantum Trost, welches nötig ist, um die zu ertragen, die zwar nicht die ganze Welt, wohl aber das Gesundheitssystem mit einem Jahresumsatz von ca. 250 Milliarden Euro beherrschen wollen.

Es sind Politiker auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, es sind Funktionäre der Kostenträger und Lobbyisten der unterschiedlichen Anbieter von Leistungen in dem System. Leider musste ich immer wieder erleben, wie einige von ihnen versuchten, sich mit allen Mitteln einen Teil vom Kuchen zu sichern, ohne dabei auch nur ansatzweise das Patientenwohl im Sinn zu haben.

Ein gutes Beispiel dafür ist es, dass in Sonntagsreden gerne der Grundsatz „ambulant vor stationär” zitiert wird, weil jeder Zuhörer nachvollziehen kann, dass es doch zu Hause am schönsten ist, das sichert Zustimmung.

Aber die Kostenträger wie auch die Gesetzgeber – für die diese Redner sprechen –verhindern beispielsweise durch nicht erfüllbare Auflagen in etlichen Regionen in Deutschland ambulante psychiatrische Pflegedienste, obwohl laut Deutschem Bundestag „…die ambulante psychiatrische Behandlungspflege als fester Bestandteil der ambulanten psychiatrischen Versorgung verankert werden muss”. Ebenso werden Angebote zur mobilen Rehabilitation systematisch blockiert. Facharztsitze für Psychiatrie werden zugunsten von Psychotherapie reduziert, es gibt schon einige Landstriche, in denen keine niedergelassenen Psychiater mehr tätig sind, weil sie nur noch die lukrativere Psychotherapie anbieten. Soziotherapie wird wegen zu schlechter Vergütung und zu hohem bürokratischen Aufwand praktisch nicht verordnet. Die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden, und interessanterweise trägt keiner der Politiker oder sonstigen Entscheidungsträger jemals Schuld an der Situation.

In Verhandlungen über einen Vertrag zur Integrierten Versorgung für schwer und chronisch psychisch kranke Menschen fragte mich ein Topmanager einer großen Krankenkasse – unter vier Augen –, ob ich ernsthaft glaube, dass man mit diesem Klientel Reklame machen könne. Bei mir löste der Einwand das Gefühl aus, dass unseren Bemühungen, die Versorgungssituation dieser Menschen zu verbessern, der ausgestreckte Goldfinger gezeigt wurde.

Dagegen stehen all diese „bewegenden” Sonntagsreden von Politikern oder hochrangigen Vertretern der Kostenträger auf den unterschiedlichsten Symposien und Kongressen. Da wird der Mensch, der Patient, für eine halbe Stunde empathisch in den Mittelpunkt gestellt und die Wichtigkeit von ambulanter Behandlung und Pflege betont. Nur manchmal werde ich den Verdacht nicht los, dass eigentlich nur Wähler oder Kunden bewegt werden sollen.

Und wenn ich nach einer solchen Veranstaltung überlege, was diese Reden bei mir bewegt haben, muss ich wieder an Bond denken und feststellen: Mich hat es geschüttelt, nicht gerührt.

Kommentare willkommen!

Ist Bruno‘s Welt auch Ihre Welt - teilweise wenigstens? Erkennen Sie sich wieder? Erhebt sich bei Ihnen ein Einwand, oder regt sich der Wunsch nach Bekräftigung?

Bruno Hemkendreis freut sich auf Ihre Anregungen:

Bruno Hemkendreis

eMail: BrunosWelt@thieme.de

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