Laryngorhinootologie 2011; 90(10): 621
DOI: 10.1055/s-0031-1277220
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Kooperationen mit Krankenhäusern: Im Dschungel der Rechtsprechung

 
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Publication Date:
20 October 2011 (online)

Niedergelassene Ärzte suchen zunehmend Kooperationsmöglichkeiten mit stationären Einrichtungen, um sich ein weiteres Standbein aufzubauen. Gleichzeitig folgen sie damit dem anhaltenden gesundheitspolitischen Ruf nach einer stärkeren Verzahnung der ärztlichen Leistungsbereiche. Dabei bieten sich zahlreiche Varianten der Kooperation an. Dies beginnt bei einer Tätigkeit als Konsiliararzt, Honorararzt oder Belegarzt und geht bis zu einer (Teil-) Anstellung am Krankenhaus. Welche Tätigkeiten bei welcher Art der Kooperation zulässig sind, wird derzeit insbesondere im Zusammenhang mit der Leistungserbringung durch Honorarärzte bzw. Konsiliarärzte unter allen Beteiligten viel diskutiert; auch in der Rechtsprechung ist derzeit noch keine einheitliche Linie erkennbar:

So hat das Sozialgericht Kassel in 3 Parallelentscheidungen mit Urteilen vom 24.11.2010 – S 12 KR 103/10 und 166/10 und 167/10 – festgestellt, dass ein Krankenhaus operative Eingriffe nur durch eigene, angestellte und nicht durch freiberuflich tätige Honorarärzte erbringen dürfe. Das Sozialgericht Kassel beruft sich in seinen Entscheidungen ausdrücklich auf das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen vom 30.04.2008 – L 1 KR 102/07–, welches die Diskussion in Gang gesetzt hatte. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG), nach der auch vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter als Krankenhausleistungen gelten, betreffe lediglich Leistungen mit ergänzender und unterstützender Funktion. Vorliegend sei von dem niedergelassenen Vertragsarzt die Hauptleistung (Operation) erbracht worden. Diese müssen jedoch von einem im Krankenhaus angestellten Arzt erbracht werden, ansonsten entfiele der Vergütungsanspruch des Krankenhauses, da dies nicht mehr als Krankenhauskomplexleistung gewertet werden könne.

Ähnlich wie das Sozialgericht Kassel hat auch die 12. Kammer des Sozialgerichts Fulda im Urteil vom 24.11.2010 – S 12 KR 168/10 – die Möglichkeit der Abrechnung vollstationär erbrachter Krankenhausleistungen durch das Krankenhaus verneint, wenn die Operation durch einen niedergelassenen Vertragsarzt erbracht wird. Anders hatte zuvor die 4. Kammer des Sozialgerichts Fulda entschieden, die in ihrer Entscheidung vom 19.01.2010 – S 4 KR 495/06 – die Zulässigkeit sogenannter Honorarärzte bzw. Konsiliarärzte im Krankenhaus bestätigt hatte.

Im Zusammenhang mit krankenhausplanungsrechtlichen Fragestellungen haben das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. mit Urteil vom 09.02.2010 – 5K 1985/08.S – und das Verwaltungsgericht Hannover im Urteil vom 22.07.2010 – 7 A 3146/08 – die Auffassung vertreten, dass Leistungen von freiberuflich tätigen niedergelassenen Ärzten im Krankenhaus als allgemeine Krankenhausleistungen abrechenbar seien, da diese im Krankenhausbudget zu berücksichtigen seien. Jedenfalls verbiete die Vorschrift des § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KHEntgG die Berücksichtigung derartiger Leistungen nicht.

Erst kürzlich ist vor dem Hintergrund der Diskussionen um Kooperationsmöglichkeiten mit Krankenhäusern zudem eine Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund vom 12.01.2006 – S 10 RJ 307/03 – bekannt geworden. Diese beschäftigte sich mit der Frage der Scheinselbstständigkeit eines Facharztes, der für Aufnahme- und Entlassungsuntersuchungen Honorarzahlungen auf Stundenbasis von einem Krankenhaus erhielt. Das Sozialgericht Dortmund vertrat die Auffassung, dass ein sozialversicherungspflichtiges Anstellungsverhältnis des Facharztes vorliege, da dieser örtlich und zeitlich in die Organisation der Klinik eingebunden sei. Zudem sei er nicht dem Risiko ausgesetzt gewesen, dass er seine Arbeitskraft vergeblich einsetze, da er im Falle des Ausbleibens von Patienten seine Stunden trotzdem vergütet erhielt.

Diese sehr unterschiedlichen gerichtlichen Entscheidungen aus jüngster Zeit machen deutlich, dass die freiberufliche Tätigkeit von niedergelassenen Ärzten am Krankenhaus derzeit mit zahlreichen Unwägbarkeiten und Risiken verbunden ist. Daher kann bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung zu diesen Fragestellungen eine Tätigkeit am Krankenhaus als Honorararzt nicht empfohlen werden.

Diese Bewertungen beziehen sich ausdrücklich nicht auf gesetzlich anerkannte und etablierte Formen der ärztlichen Berufsausübung; insbesondere ist die belegärztliche Tätigkeit niedergelassener Ärzte an Kliniken spezifisch in § 121 SGB V und untergesetzlichen Regelungen vorgesehen, sodass rechtliche Zweifel an dieser Tätigkeit nicht bestehen.

Für niedergelassene Ärzte besteht jedoch abgesehen von den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen kooperativen Tätigkeiten die Möglichkeit, sich neben der vertragsärztlichen Tätigkeit bei einem Krankenhaus in Teilzeit anstellen zu lassen. Mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz wurde in § 20 Abs. 2 Ärzte-Zulassungsverordnung die Regelung aufgenommen, dass die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus mit der Tätigkeit eines Vertragsarztes vereinbar ist. Die Tätigkeit in einem sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnis neben der freiberuflich ausgeübten Praxisarbeit ist daher ebenfalls ausdrücklich vom Gesetzgeber gebilligt.

Zu beachten sind dabei allein die zeitlichen Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG). Das BSG hat in einer Entscheidung vom 30.01.2002 – B 6 KA 20/01 R – bereits darauf hingewiesen, dass eine anderweitige Beschäftigung neben der Tätigkeit als Vertragsarzt bei einer Vollzulassung auf einen zeitlichen Umfang von 13 Stunden pro Woche beschränkt sein müsse, damit der Vertragsarzt für die Versorgung der Versicherten in erforderlichem Umfang zur Verfügung stehe. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat das BSG mit einem aktuellen Urteil nunmehr auch über die Frage entschieden, in welchem Umfang eine Nebentätigkeit neben einer halben Zulassung im Sinne des § 19a Ärzte-Zulassungsverordnung zulässig sei. Das BSG stellte mit Urteil vom 13.10.2010 klar, dass eine Tätigkeit neben einem halben Versorg ungsauftrag in einem Umfang von 26 Wochenstunden zulässig sei.



Rechtsanwalt Dr. A. Wienke

Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwältin A. Mündnich

LL.M. Medizinrecht



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