Suchttherapie 2011; 12(3): 119-120
DOI: 10.1055/s-0031-1277204
Schwerpunktthema

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise bei alkoholhaltigen Getränken hinsichtlich des fetalen Alkoholsyndroms (FAS)

Leagally Required Warnings with Regard to Fetal Alcohol Syndrome (FAS) for Alcoholcontaining Beverages – ProW. Farke
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Publication Date:
09 August 2011 (online)

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In Deutschland gibt es keine gesetzliche Verpflichtung für Warnhinweise auf alkoholhaltigen Getränken im Handel, die auf die mögliche Schädigung des Ungeborenen aufmerksam machen. Sollte dies geändert werden?

Die gesetzliche Verpflichtung, alkoholische Getränke mit Warnhinweisen zum Schutz des ungeborenen Lebens zu versehen, ist dringend angeraten, da in Deutschland jährlich ca. 4 000 Kinder mit alkoholbedingten Schäden geboren werden. Aufgrund dieses Risikos ist es erforderlich, sowohl Schwangere als auch diejenigen, die eine Schwangerschaft planen, über die Risiken des Alkoholkonsums für das ungeborene Kind zu informieren. Zudem würden die politischen Entscheidungsträger in Deutschland mit einer gesetzlichen Regelung zu Warnhinweisen auf alkoholischen Getränken bekanntes Terrain betreten. Denn 2004 wurde zur Verbesserung des Jugendschutzes vor den Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums die Kennzeichnung spirituosenhaltiger Alkopops mit dem Warnhinweis „Abgabe an Personen unter 18 Jahren verboten, § 9 Jugendschutzgesetz” gesetzlich vorgeschrieben. Was für die Verbesserung des Jugendschutzes gilt, sollte auch für den Schutz des ungeborenen Lebens gelten. Außerdem erweisen sich Warnhinweise und andere Informationen auf der Basis der freiwilligen Selbstverpflichtung in der Umsetzung als wenig effektiv. So vereinbarte 2007 die britische Regierung mit der Alkoholindustrie, alkoholische Getränke freiwillig mit Warnhinweisen und weiteren Informationen zum Alkoholkonsum zu versehen ([Abb. 1]). Ein Jahr nach der Vereinbarung ergab eine Studie des National Health Departments, dass nur 2,4 % der untersuchten Proben alkoholischer Produkte (N=458) mit denen vom UK Chief Medical Officer empfohlenen Richtlinien zum risikoarmen Konsum in dem vereinbarten Format versehen waren. Weitere vereinbarte Hinweise, wie z. B. zu Alkohol und Schwangerschaft, wurden entweder in einem äußerst kleinen Format oder gar nicht auf den Produkten platziert.

Abb. 1 Beispiel aus Großbritannien. Warnhinweise und empfohlene Richtlinien zum Alkoholkonsum (NHS).

Es wird häufig argumentiert, dass sich Konsumenten nach kurzer Zeit an Warnlabels (wie z. B. auf Zigarettenpackungen) gewöhnen und diese dann kaum mehr wahrnehmen. Sind Warnhinweise überhaupt ein geeignetes Präventionsmedium, vor allem im Bereich schwangerer Frauen?

Warnhinweise auf alkoholischen Getränken erhöhen das Risikobewusstsein gegenüber den Folgen des Alkoholkonsums, da diese Maßnahme den größten Teil der Bevölkerung erreicht. Als besonders effektiv haben sich auch zielgruppenspezifische Botschaften erwiesen, wie z. B. kein Alkoholkonsum in der Schwangerschaft. Studienergebnisse zeigen, dass schwangere Frauen diese Hinweise deutlich häufiger wahrnehmen und dadurch stärker motiviert sind, sich mit anderen über dieses Thema auszutauschen. Allerdings wurden auch Gewöhnungseffekte im Zusammenhang mit den Warnhinweisen beobachtet. Umstritten ist, ob diese Hinweise auf den Flaschen zur Reduktion des Alkoholkonsums führen, da hierfür ein Nachweis bisher nicht erbracht werden konnte.

Welche Vorgehensweise sollte gewählt werden, um die in Deutschland immer noch sehr hohen Zahlen für Alkoholkonsum in der Schwangerschaft zu senken? Gibt es empirische Evidenzen, was hier besonders wirksam ist?

Besonders gute Effekte werden erzielt, wenn Warnhinweise in umfassende Präventionskonzepte eingebunden sind und mit großangelegten Informationskampagnen gekoppelt werden. Zum Beispiel wurde in Frankreich zusammen mit Einführung der gesetzlichen Verpflichtung, alle alkoholischen Getränke mit dem Warnhinweis zu versehen, keinen Alkohol während der Schwangerschaft zu trinken, eine nationale Informationskampagne für relevante Gesundheitsberufe und eine Medienkampagne durchgeführt. Die Öffentlichkeit wurde vor und nach Einführung des Warnhinweises befragt. Die Befragung ergab, dass das Risikobewusstsein der französischen Bevölkerung bezüglich des Themas Alkoholkonsum und Schwangerschaft innerhalb des Untersuchungszeitraums kontinuierlich zunahm. Darüber hinaus entwickelte sich zunehmend eine ablehnende Haltung gegenüber dem Alkoholkonsum in der Schwangerschaft. Weiterhin ist es für die Wirksamkeit von Warnhinweisen erforderlich, gesetzlich verankerte Kriterien für deren Gestaltung und Inhalt festzulegen. So wurde in Untersuchungen nachgewiesen, dass bestimmte Gestaltungsmerkmale einzuhalten sind, damit die Botschaften von den Kunden generell wahrgenommen werden. Insbesondere sollten eine Mindestgröße und die Platzierung des Warnhinweises, z. B. auf der Frontseite, festgelegt werden. Als besonders effektiv erweist sich die Kombination von Piktogrammen und Text (s. [Abb. 2]). Der Hinweis auf eine Internetseite, die ausführliche Informationen zum Thema bereitstellt, erhöht zusätzlich die Effektivität dieser Maßnahme. Viele Hersteller alkoholischer Getränke nutzen mittlerweile auf freiwilliger Basis das Piktogramm auf ihren Produkten. Jedoch ist dieses häufig in kaum wahrnehmbarer Größe auf den rückseitigen Labels der Flaschen platziert.

Abb. 2 Vorschlag für eine Kombination aus Piktogramm und Text (EUROCARE 2009, Preliminary library of alcohol health information and warning labels).

Sollte auf Gebinden, wie Flaschen und Dosen, die alkoholhaltige Getränke enthalten, ähnlich wie bei einem Medikament auf die Wirkungen und Nebenwirkungen sowie Risiken hingewiesen werden?

Es bestehen durchaus Parallelen zwischen Alkohol und Medikamenten. Aufgrund der toxischen Wirkung des Alkohols können beim Konsum gesundheitliche Risiken für den Konsumenten selbst und für Dritte, wie z. B. in der Schwangerschaft, entstehen. Insbesondere bei Konsumgütern, von denen eine Gesundheitsgefährdung ausgeht, ist dem Kunden beim Kauf von alkoholischen Getränken das Recht einzuräumen, zu erfahren, was Alkoholkonsum bewirken kann und in welchen Situationen der Gebrauch von Alkohol riskant ist und besser vermieden werden sollte. Es sollten auch alkoholfreie Getränke (z. B. alkoholfreies Bier) in eine Kennzeichnungspflicht eingeschlossen werden, da diese zwar nur äußerst geringe Mengen Alkohol enthalten, aber für Alkoholabhängige ein hohes Rückfallrisiko darstellen. Primär zielen Warnhinweise darauf ab, die Konsumenten über die Risiken eines Produkts hinreichend sowie unabhängig zu informieren und sind im Sinne moderner Konsumenteninformation und -souveränität heutzutage unverzichtbar.

Korrespondenzadresse

W. FarkeMPH 

Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen

(KatHO NRW)

Deutsches Institut für Sucht- und

Präventionsforschung (DISuP)

Wörthstraße 10

50668 Köln

Email: w.farke@katho-nrw.de

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