Suchttherapie 2011; 12(3): 120-121
DOI: 10.1055/s-0031-1277203
Schwerpunktthema

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise bei alkoholhaltigen Getränken hinsichtlich des Fetalen-Alkoholsyndroms (FAS) – Kontra

Leagally Required Warnings with Regard to Fetal Alcohol Syndrome (FAS) for Alcoholcontaining Beverages – ContraA. Wiesgen-Pick
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Publication Date:
09 August 2011 (online)

Kontra

In Deutschland gibt es keine gesetzliche Verpflichtung für Warnhinweise auf alkoholhaltigen Getränken im Handel, die auf die mögliche Schädigung des Ungeborenen aufmerksam machen. Sollte dies geändert werden?

Aktuell sehen wir keinen Grund dafür, dass in Deutschland eine gesetzliche Verpflichtung für Warnhinweise eingeführt werden müsste. Vergleichen Sie hierzu die nachfolgenden Antworten.

Es wird häufig argumentiert, dass sich Konsument/innen nach kurzer Zeit an Warnlabels (wie z. B. auf Zigarettenpackungen) gewöhnen und diese dann kaum mehr wahrnehmen. Sind Warnhinweise überhaupt ein geeignetes Präventionsmedium, vor allem im Bereich schwangerer Frauen?

Bevor die generelle Forderung für Warnhinweise aufkommt, sollte genau angeschaut werden, ob sie effektiv sind und eine nachweisbare Wirkung auf das Verhalten der Konsumenten/innen haben. Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft gibt es keine evidenzbasierten Erkenntnisse dahingehend, dass Warnhinweise generell einen Einfluss auf riskantes Konsumverhalten – insbesondere bei schwangeren und stillenden Frauen – hätten.

Überdies ist es sehr wahrscheinlich, dass Gewöhnungseffekte sehr schnell die Wahrnehmung solcher Hinweise dämpfen.

Aus unserer Sicht sollte die Wirkung des Warnhinweises zur Kennzeichnung nicht überschätzt werden.

Aber die wichtigste Funktion hat der diskutierte Warnhinweis doch bereits erfüllt, ohne dass es gesetzliche Regelungen gibt: Nämlich, dass über das Thema „Verzicht auf Alkohol während der Schwangerschaft” in der Öffentlichkeit gesprochen wird. Dadurch wird auf den konsequenten Verzicht auf alkoholische Getränke während der Schwangerschaft und Stillzeit aufmerksam gemacht und sensibilisiert.

Dieses ist aus unserer Sicht grundsätzlich richtig und gut. Aber es sind auch andere Wege denkbar, ein wichtiges Thema auf die Agenda zu bringen, als sofort nach neuen gesetzlichen Regelungen zu rufen – nämlich z. B. Informations- und Aufklärungsinitiativen – die nachhaltig und umfassend durchgeführt werden.

Welche Vorgehensweise sollte gewählt werden, um die in Deutschland immer noch sehr hohen Zahlen für Alkoholkonsum in der Schwangerschaft zu senken? Gibt es empirische Evidenzen, was hier besonders wirksam ist?

Generell ist festzuhalten: Jedes Kind, das mit FAS zur Welt kommt, ist eines zu viel. Grundsätzlich vertritt der „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung” die Auffassung, dass gezielte Prävention und Aufklärung von schwangeren und stillenden Frauen am effektivsten ist. Frauen sollten aus Überzeugung und Einsicht auf den Konsum von alkoholhaltigen Getränken verzichten. Der „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung” ist davon überzeugt, dass ein Gespräch mit den Gynäkologen und den Hebammen, die Beschäftigung mit einer Website und/oder die Lektüre einer kurzen und verständlichen Broschüre viel erreichen können. In der letzten Konsequenz muss auch das familiäre Umfeld mitspielen und unterstützend wirken. Im Rahmen der Initiative „Verantwortung von Anfang an!” verteilte der „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung” des BSI seit 2009 bis Anfang 2011 über 750 000 Broschüren mit dem Appell des Verzichtes auf alkoholische Getränke in der Schwangerschaft und Stillzeit. Diese wurden zielgenau mit dem Mutterpass an die Schwangeren abgegeben und erreichen damit die Frauen „im richtigen Moment”.

Überdies informiert die Website www.verantwortung-von-anfang-an.de und rät zum konsequenten Verzicht auf alkoholhaltige Getränke während der Schwangerschaft und Stillzeit. Diese Initiative wird der „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung” des BSI nachhaltig fortsetzen. Wir begrüßen die umfassende Unterstützung dieser Initiative und können nur appellieren, dass inhaltlich gute präventive Maßnahmen der unterschiedlichen Institutionen zum vorgenannten Thema weiter ausgebaut und nachhaltig durchgeführt werden. Auch den Vorschlag der Drogenbeauftragten Mechthild Dyckmans, auf dem Beipackzettel von Schwangerschaftstests Hinweise zum Verzicht auf Alkohol während Schwangerschaft und Stillzeit aufzunehmen, unterstützt der „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung”. Denn je früher Frauen eine Schwangerschaft erkennen und informiert sind, desto früher können sie ihr Konsumverhalten anpassen.

Sollte auf Gebinden, wie Flaschen und Dosen, die alkoholhaltige Getränke enthalten, ähnlich wie bei einem Medikament auf die Wirkungen und Nebenwirkungen sowie Risiken hingewiesen werden?

Mit einem Warnhinweis zu Risiken und Nebenwirkungen wird sicherlich der Alkoholmissbrauch nicht nachhaltig reduziert. Denn Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit basieren auf einem komplexen Ursachengefüge. Wäre es so einfach, diese Krankheit mit ein paar Warnhinweisen zu verhindern, würde dieses sicherlich auch unter wissenschaftlichen Aspekten bereits längerfristig aktiv betrieben.

Information und Aufklärung über einen gesundheitsverträglichen, risikoarmen Konsum sind aus unserer Sicht sehr wichtig und sollten daher selbstverständlicher Bestandteil der Erziehung zum verantwortungsvollen und mündigen Konsumenten sein. Was im Elternhaus an Vorbildverhalten und suchtpräventiver Erziehung versäumt wurde, lässt sich aber nicht einfach auf das Produkt drucken. Wir wollen die Verantwortung nicht auf Dritte abwälzen, sondern einen Beitrag zur Unterstützung der Alkoholprävention leisten. Daher macht der „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung” auch mit verschiedenen Initiativen darauf aufmerksam, dass in bestimmten Situationen Verzicht auf alkoholische Getränke geboten ist (wie z. B. in der Schwangerschaft und Stillzeit, beim Sport, am Arbeitsplatz, im Straßenverkehr und unterhalb der jugendschutzrechtlichen Altersgrenzen) und klärt auf, dass Genuss nur mit dem richtigen Maß möglich ist – denn Genuss und Eigenverantwortung bedingen einander. Nähere wichtige Informationen finden Sie auf der Website www.massvoll-geniessen.de. Diese ist eine Art „virtueller Beipackzettel”, der allen Verbraucher/innen zur Verfügung steht.

Korrespondenzadresse

Dipl.-Volksw. A. Wiesgen-Pick

Geschäftsführerin

Bundesverband der Deutschen Spirituosen-

Industrie und -Importeure e. V. (BSI)

Urstadtstraße 2

53129 Bonn

Email: info@bsi-bonn.de

URL: http://www.spirituosen-verband.de

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