Gesundheitswesen 2011; 73(5): 292-297
DOI: 10.1055/s-0031-1271715
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lebenserwartung in und ohne Pflegebedürftigkeit. Ausmaß und Entwicklungstendenzen in Deutschland

Life Expectancy with and without Need for Care. Extent and Development Trends in GermanyR. Unger1 , R. Müller1 , H. Rothgang1
  • 1Zentrum für Sozialpolitik, Bremen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. April 2011 (online)

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Zusammenfassung

In dem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie hoch die periodenbezogene Lebenserwartung die ohne bzw. in Pflegebedürftigkeit zu erwarten ist in Deutschland ausfällt und präsentiert erstmals anhand einer Datengrundlage, welchen Entwicklungen sie zwischen den Perioden 1999–2003 und 2004–2008 unterworfen ist. Hierbei steht vor allem im Vordergrund, ob von einer Ausdehnung der Lebensjahre ohne Pflegebedürftigkeit gesprochen werden kann bzw. davon, ob sich die Lebensjahre in Pflegebedürftigkeit auf einen kürzeren Zeitraum vor dem Tod komprimiert haben (Kompression der Morbidität). Die Analyse basiert auf den Routinedaten der Gmünder Ersatzkasse (GEK), die nach der Methode des Prävalenzraten-Verfahrens von Sullivan ausgewertet werden. Die Analysen liefern den Befund, dass Männer und Frauen in Deutschland im Alter 60 nicht nur mehr Lebensjahre erleben (21,21 gegenüber 20,04 Jahre bei den Männern und 25,1 gegenüber 23,96 Jahre bei den Frauen), sondern auch mehr Lebensjahre frei von Pflegebedürftigkeit verbringen (19,89 gegenüber 18,89 Jahre bei den Männern und 22,37 gegenüber 21,55 Jahre bei den Frauen). Mit diesen zusätzlichen Lebensjahren insgesamt geht jedoch auch einher, dass sich die Lebensjahre in Pflegebedürftigkeit weiter ausgedehnt haben (von 1,15 auf 1,32 Jahre bei den Männern und von 2,41 auf 2,73 Jahre bei den Frauen). Mit anderen Worten kam es sowohl absolut als auch relativ betrachtet nicht zu einer Kompression der Pflegebedürftigkeit auf einen kürzeren Abschnitt vor dem Tod.

Abstract

This article addresses the question if the number of life years men and women can expect to live in good health is increasing and secondly if the life years in long-term care decline to a shorter period before death (compression of morbidity) during the periods 1999–2003 to 2004–2008. The analyses is based on data of a health insurance company (Gmünder Ersatzkasse, GEK), which are calculated, using the prevalence-rate method of Sullivan. The results show that men and women at age 60 can expect to live longer (21.21 years instead of 20.04 years for men and 25.1 years instead of 23.96 years for women) and also live longer free of long-term care (19.89 instead of 18.89 years for men and 22.37 instead of 21.55 years for women). In addition to the prolonged life years, also the number of years a person can expect to live in long-term-care has increased (from 1.15 years to 1.32 years for men and from 2.41 years to 2.73 years for women). Therefore the data suggest that there is no compression of morbidity.

Literatur

1 Für diese Untersuchung wurden die Stammdaten, die den Vitalstatus und den Versicherungsverlauf enthalten sowie die Pflegedaten, die die Pflegeepisoden nach Pflegestufe und Leistungsart enthalten, verwendet.

2 Die Abbildungen beziehen sich auf die Pflegebedürftigen aller Pflegestufen. Jedoch zeigt sich auch bei Differenzierung nach den einzelnen Pflegestufen im Wesentlichen ein ähnliches Bild.

3 Aufgrund der geringen optischen Abweichungen gegenüber der Periode 1999–2003 wird auf deren Darstellung verzichtet.

4 Da sich die Werte auf alle Personen im Alter 60 beziehen, also auch auf diejenigen, die zeitlebens nie pflegebedürftig werden, dürfen sie nicht als individuelle Pflegedauern interpretiert werden.

Korrespondenzadresse

Dr. R. Unger

Zentrum für Sozialpolitik

Parkallee 39

28209 Bremen

eMail: r.unger@zes.uni-bremen.de