Frauenheilkunde up2date 2011; 5(2): 74-84
DOI: 10.1055/s-0031-1271422
Forum

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Softmarker und Serumbiochemie – Schwangerschaft zwischen Risiko und (Un-)Gewissheit

F. Voigt, M. W. Beckmann, T. W. Goecke
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Publikationsdatum:
11. April 2011 (online)

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Einleitung

In den letzten 30 Jahren hat sich das Verständnis von Schwangerschaft und Geburt gewandelt. Was früher ungeplant, ganz nebenbei und größtenteils unbemerkt im Körper der werdenden Mutter heranwuchs, ist heute vielfach genau geplant, sehnlichst gewünscht und rückt nicht selten bereits 14 Tage nach Konzeption mit Ausbleiben der Menstruation ins Zentrum der Gedanken und des Handelns von Frau und Mann. 

Im Rahmen der ersten, in den Mutterschaftsrichtlinien verankerten Ultraschalluntersuchungen vom Beginn der 8. bis Ende der 12. Schwangerschaftswoche (SSW) geht es meistens um die simple Darstellung der intrauterinen Embryonalanlagen mit positiver Herzaktion. Im Rahmen des ersten Routineultraschalls (siehe dazu: „Die Embryonalperiode aus sonografischer Sicht”, Frauenheilkunde up2date 05 / 2010) werden in der Regel aber auch Aspekte der körperlichen Integrität miterfasst, wie z. B.: 

Extremitätenknospen Hydrops Schädelkalotte

Untersuchungen wie die Messung der Nackentransparenz (NT), die in Kombination mit biochemischen Markern der Abschätzung des Risikos für chromosomale Veränderungen dienen, sind gemäß Mutterschaftsrichtlinien nicht Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge und bedürfen einer vorherigen Aufklärung. Mit Inkrafttreten des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) am 01.02.2010 ist diese Aufklärung verbindlich geregelt und eine unabdingbare Voraussetzung für das Ersttrimesterscreening (siehe dazu auch den Forumbeitrag 01 / 2011: 2–5). Das Ersttrimesterscreening besteht in Deutschland aktuell aus einer qualifizierten Ultraschalluntersuchung durch einen zertifizierten Untersucher zwischen der 11 + 0 und 13 + 6 SSW sowie einer mütterlichen Blutuntersuchung auf die Marker PAPP-A (Pregnancy-associated Plasma Protein A) und freies β-hCG (humanes Choriongonadotropin). Bei eventuellen Auffälligkeiten müssen sich im Sinne des Schwangerenkonfliktgesetzes (Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten – BGB; http://bundesrecht.juris.de/beratungsg) weitere Aufklärungs- und Beratungsgespräche anschließen. 

Im Durchschnitt treten chromosomale Veränderungen mit einer Häufigkeit von etwa 6 auf 1000 Lebendgeburten auf, wobei Aneuploidien und speziell eine Trisomie 21 mit einer Prävalenz von 1 : 800 die größte Gruppe darstellen [1]. Das Basis- oder Hintergrundrisiko eines Paares für ein Kind mit chromosomalen Veränderungen steigt mit zunehmendem Alter v. a. der Frau. Bei gesellschaftlich bedingter Zunahme des Anteils älterer Schwangerer steigt ebenso der Bedarf an suffizienter, pränataler Diagnostik. Das durchschnittliche Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes betrug 2008 in Deutschland 30,4 Jahre (Statistisches Bundesamt). 

Wurde aus Ermangelung an Alternativen in den 1970er-Jahren jeder Schwangeren > 35 Jahre eine Amniozentese zur Karyotypisierung angeboten, gibt es seit den 1980er-Jahren nicht invasive Möglichkeiten, das wahrscheinliche Risiko auf ein chromosomal krankes Kind pränatal genauer einzuschätzen. Diese bestanden zunächst aus einem der beiden folgenden Testverfahren: 

„Triple-Test” – heute nur noch sehr selten durchgeführt; Bestimmung von α-Fetoprotein (AFP), freiem Estriol und freier β-Kette des Choriongonadotropins (β-hCG) in der 15.–18. SSW Quadrupel-Test; AFP, freies Estriol, freies β-hCG, Inhibin A und differenzierter Organultraschall im 2. Trimenon.

Beide Testverfahren, die die sogenannten biochemischen Softmarker im maternalen Blut untersuchen, haben mittlerweile wegen der im Vergleich zu heutigen Methoden geringen Aussagekraft kaum noch klinische Relevanz. 

Durch Weiterentwicklung der Ultraschalltechniken ist es seit den 1990er-Jahren möglich, die große Mehrheit der aneuploiden Feten ohne invasive Diagnostik zu erkennen, und zwar durch eine Kombination folgender Faktoren: 

mütterliches Alter Serumbiochemie Ultraschalluntersuchung

In Deutschland hat sich inzwischen das sogenannte „kombinierte Screening” etabliert, im Rahmen dessen zwischen der 11 + 0 bis 13 + 6 SSW eine Risikokalkulation für eine Aneuploidie (Trisomie 13, 18 und 21) durchgeführt wird. Die dafür relevanten Marker sind wie folgt: 

mütterliches Alter Nackenfaltendicke die mütterlichen Serummarker PAPP-A und freies β-hCG 2.

Der sonografische und die biochemischen Marker sind dabei nicht signifikant assoziiert, sodass sie sich durch eine Kombination im Rahmen des Screenings ergänzen [3]. 

In den letzten 10 Jahren sind neben der Nackenfaltendicke zusätzliche sonografische Marker beschrieben worden, welche unabhängig von der Nackenfaltendicke die Detektionsrate aneuploider Feten weiter erhöhten und die Zahl der falsch positiven Ergebnisse minimieren [4]. Daraus resultierte in den vergangenen Jahren eine deutliche Reduktion der Rate invasiver diagnostischer Maßnahmen (Chorionzottenbiopsie, Amniozentese, Cordozentese) zur Karyotypisierung der Feten, was nicht zuletzt zu einer deutlichen Abnahme von iatrogenen Schwangerschaftsverlusten beigetragen hat. 

Literatur

F. Voigt

Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen

Universitätsstraße 21–23

91054 Erlangen

eMail: franziska.voigt@uk-erlangen.de