Zeitschrift für Palliativmedizin 2011; 12(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-0030-1270765
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Forschung in der Palliativmedizin braucht nationale und internationale Plattformen

Christoph Ostgathe
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Publication Date:
27 January 2011 (online)

 

Liebe Leserinnen und Leser,

im Jahr 2010 wurden mehrere richtungweisende randomisiert kontrollierte Studien mit originär palliativmedizinischen Inhalten in einigen der international angesehensten medizinischen Fachjournalen wie dem New England Journal of Medicine oder dem Lancet publiziert. Beispielhaft seien hier die Arbeiten von Temel et al. und Abernathy et al. erwähnt [1] [2]. Ich möchte an dieser Stelle weniger auf die Inhalte der Arbeiten eingehen, als diese Tatsache als Ergebnis und auch als ein Signal deuten.

Warum ist allein die Tatsache einer Publikation aus dem Themenbereich Palliativmedizin in Journals mit einem hohen Impact (NEJM: 47/Lancet: 31; zum Vergleich Palliative Medicine als das Forschungsjournal der Europäischen Palliativgesellschaft (EAPC) hat einen Impact-Faktor von 2) ein Ergebnis? Ergebnis allein schon deswegen, weil die palliativmedizinische Forschung wieder dort anzukommen scheint, wo unsere Pioniere schon mal waren. Cicely Saunders hat bereits Anfang der 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts mehrere wichtige Arbeiten zur Schmerztherapie bei Menschen mit weit fortgeschrittenen Erkrankungen im New England Journal aber auch anderen hochrangigen Fachjournalen publiziert. Zwischenzeitlich nach langjährigen, wiederkehrenden Aussagen, dass Forschung in der Palliativmedizin sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich und/oder ethisch nicht vertretbar sei, hat in den letzten Jahren international die Forschungsaktivität im Bereich Palliativmedizin wieder spürbar zugenommen. Dies ist sicherlich u. a. bedingt durch eine zunehmende Akademisierung des Feldes, durch internationale Förderprogramme (z. B. der Europäischen Union), durch die Weiterentwicklungen in der Methodologie aber auch nicht unwesentlich durch eine verbesserte Vernetzung der national und international aktiv Forschenden. Es wird immer klarer, dass Forschung im Kontext der Versorgung Schwerkranker und Sterbender, anders als zuvor gesagt, nicht nur möglich, sondern – wenn integer geplant und durchgeführt – sogar ethisch geboten ist. Sicher ist die Anzahl der qualitativ hochwertigen Studien im Vergleich zu vielen anderen Fachgebieten noch gering und dennoch sind die aktuellen Publikationsleistungen Ergebnis einer wachsende Forschungslandschaft und einer sich stetig – auch im Wettbewerb – zunehmenden Forschungsqualität. Hier ist noch kein zufriedenstellendes Niveau erreicht, aber auch diese Weiterentwicklung hat letztendlich einen moralischen Motor.

Warum nun auch ein Signal? Aus dem einfachen Grund: Es geht doch! Es müssen ja nicht immer – auch wenn es natürlich perspektivisch erstrebenswert bleibt – das New England Journal oder Lancet sein. Die Zeitschrift für Palliativmedizin als deutschsprachiges, multiprofessionelles Fachjournal für den Bereich Palliativmedizin hat parallel zu der internationalen Entwicklung auch ein erfreuliches Wachstum über die letzten Jahre zu verzeichnen gehabt. Seit der ersten Ausgabe vor mehr als 10 Jahren sind 50 Originalarbeiten, 31 Übersichten und 3 Kasuistiken deutscher, österreichischer und schweizerischer Arbeitsgruppen aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern erschienen. Von ursprünglich 6 Arbeiten pro Jahr sind mittlerweile – durch das nun zweimonatliche Erscheinen – 12 Originalarbeiten möglich. Selbstverständlich werden viele weiterhin bemüht sein, ihre Daten zunächst international mit entsprechendem Impact zu publizieren, aber einige Autoren wählen auch ganz bewusst dieses Journal, weil ihre Ergebnisse unmittelbar für die Versorgung in den deutschsprachigen Ländern von Bedeutung sind und um diese hierdurch einem breiteren deutschsprachigen Publikum (die wenigsten lesen englischsprachige Journals) zugänglich zu machen.

Jetzt aber! Machen sie sich auf, zu denken, zu planen, sich zu vernetzen, Fördergelder zu beantragen, zu forschen, auszuwerten, zu schreiben und einzureichen. Es geht und es geht leichter als man denkt. Es gibt nichts Schöneres – naja vielleicht doch das ein oder andere – als die eigene Arbeit öffentlich zugänglich publiziert zu sehen und sich der Diskussion der anderen Tätigen und Forschenden zu stellen. Vieles wird – da bin ich sicher – entwickelt und landet leider in der Schublade und dann im Vergessen. Viele Doktorarbeiten, Masterthesen, Diplomarbeiten, Abstracts für Poster oder Präsentationen auf nationalen und internationalen Kongressen aus den unterschiedlichsten Professionen mit Berührungspunkten zur Palliativmedizin wurden in den letzten Jahren mit viel Schweiß und wahrscheinlich noch mehr Tränen angefertigt und fristen nun ein Dasein als Staubfänger. Nur 1 von 6 (!) Abstracts, die auf palliativmedizinischen Kongressen angenommen wurden, wurden auch tatsächlich als Originalarbeit publiziert (im Vergleich dazu sind es in anderen Fächern 45%) [3]. Haben sie den Mut ihre Daten einzureichen, einem Peer-Review-Verfahren auszusetzen (in der Regel wird das Projekt dadurch nur besser und man lernt unglaublich viel) und dann vielleicht auch anderen zu präsentieren!

Jedes medizinische Journal ist nur so gut, wie das, was darin publiziert ist. Somit liegt es auch an Ihnen gemeinsam mit uns die Zeitschrift für Palliativmedizin als nationale Plattform weiter zu entwickeln und dieses Forum für Forschung in den deutschsprachigen Ländern noch angesehener zu machen. Also dann – erlauben sie mir am Schluss dieses Wortspiel: LetŽs evidenz!

Ihr
Christoph Ostgathe

Prof. Dr. Christoph Ostgathe, Erlangen

Literatur