Dialyse aktuell 2010; 14(10): 596-597
DOI: 10.1055/s-0030-1270264
Forum der Industrie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Langzeitergebnisse nach Nierentransplantation verbessern – Ist die optimale Immunsuppression gefunden?

Further Information

Publication History

Publication Date:
15 December 2010 (online)

 
Table of Contents

Mit dieser Fragestellung setzte sich das Satellitensymposium der Astellas Pharma GmbH, München, anlässlich der 19. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) am 08.10.2010 in Hamburg auseinander. Eine optimale immunsuppressive Therapie nach einer Transplantation soll eine bestmögliche Prävention von akuten Abstoßungen bei möglichst gutem Verträglichkeitsprofil sicherstellen. In der häufig zitierten ELiTE[1]-SYMPHONY-Studie lieferte eine 3-fach-Kombination mit niedrig dosiertem Tacrolimus nach Antikörperinduktion die besten Ergebnisse [1]. Ein weiterer Ansatzpunkt zur Verbesserung des langfristigen Therpieerfolgs nach einer Transplantation besteht darin, die Variabilität der Tacrolimusspiegel zu reduzieren und somit eine stabile Exposition zu gewährleisten. Einen Beitrag hierzu kann die retardierte Formulierung von Tacrolimus (Advagraf®) aufgrund ihres verlängerten Resorptionsprofils leisten.

#

Calcineurininhibitoren sind nach heutiger Evidenz unverzichtbar

"Calcineurininhibitoren (CNI) sind seit mehreren Jahrzehnten das Rückgrat der Immunsuppression", erklärte Dr. Nils Heyne, Tübingen. Über 90 % der organtransplantierten Patienten erhalten einen CNI als Basisimmunsuppressivum, wobei heutzutage bei de-novo-Patienten Tacrolimus am häufigsten eingesetzt wird [2]. Mit heutigen dosisoptimierten, tacrolimusbasierten Regimen in Kombination mit MMF (Mycophenolatmofetil), Steroiden und einer Antikörperinduktion werden, so Heyne, ausgezeichnete Ergebnisse erzielt [1]. Die vorliegende Evidenz der Datenlage hat dazu geführt, dass die KDIGO-Leitlinien (KDIGO: "Kidney Disease: Improving Global Outcomes") generell eine CNI-basierte Immunsuppression zur Erhaltungstherapie nach einer Nierentransplantation empfehlen und Tacrolimus als CNI der ersten Wahl vorschlagen [3].

Aufgrund der Nephrotoxizität der CNI wurden in prospektiven Studien verschiedene Ansätze zur Vermeidung oder Minimierung der CNI-Gabe bzw. zu deren Absetzen untersucht. "Die SYMPHONY-Studie hat gezeigt, dass der de-novo-Einsatz eines mTOR-Inhibitors (mTOR: "mammalian target of rapamycin") anstelle eines CNI nicht ohne Probleme ist", erklärte Heyne. Verglichen mit dem Tacrolimusarm war die Nierenfunktion signifikant schlechter und die Abstoßungs- und Transplantatverlustraten waren signifikant höher (Abb. [1]) [1], [4]. Die CNI-Reduktion bzw. das Absetzen bei stabilen Patienten nach 1 Jahr ist, wie Registerdaten zeigen, mit einem schlechteren Transplantatüberleben assoziiert [5]. Aufgrund der Datenlage empfehlen die KDIGO-Leitlinien, die CNI-basierte immunsuppressive Therapie in der Nachsorge des nierentransplantierten Patienten besser fortzuführen als abzusetzen [3].

Zoom Image

Abb. 1 Nierenfunktion unter verschiedenen immunsuppressiven Regimen. mod. nach [1]

#

Stabile Exposition durch retardierte Tacrolimusformulierung

Ein weiterer Ansatz zur Optimierung der Tacrolimustherapie und zur Verbesserung der Langzeitergebnisse ist eine minimierte Variabilität der Tacrolimusexposition. Denn wie eine aktuelle Studie zeigte, ist eine hohe Variabilität der Tacrolimusblutspiegel nicht nur mit einer signifikant höheren Abstoßungsrate assoziiert, sondern sie ist auch ein signifikanter Risikofaktor für Transplantatverluste (p = 0,003) [6]. Die Variabilität der Blutspiegel von Tacrolimus zu vermindern, kann daher ein wichtiger Ansatzpunkt sein, um das Transplantatüberleben gerade auch in der längerfristigen Nachsorge der Patienten zu verbessern.

Wie Prof. Oliver Witzke, Essen, erläuterte, kann die Variabilität der Tacrolimusexposition beim einzelnen Patienten auf eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen sein. Hierzu zählen Non-Compliance oder auch pharmakokinetische Wechselwirkungen mit der Komedikation, die zu Änderungen der Blutspiegel führen können. Die unterschiedliche gastrointestinale Motilität und Funktion, Durchfallerkrankungen oder Infektionen können ebenfalls die Tacrolimusexposition klinisch bedeutsam beeinflussen.

Gelöstes Tacrolimus wird im Allgemeinen rasch resorbiert. Bei der Tacrolimusformulierung mit unmittelbarer Freisetzung sind die proximalen Dünndarmabschnitte die Hauptabsorptionsorte. In diesen Abschnitten wird Cytochrom 3A-Isoenzyme, insbesondere 3A4, stark exprimiert, sodass hier ein ausgeprägter präsystemischer Metabolismus von Tacrolimus stattfinden kann [7], [8].

Bei der retardierten Formulierung von Tacrolimus (Advagraf®) ist aufgrund der protrahierten Wirkstofffreisetzung das Resorptionsprofil verlängert. Die Resorption kann daher über einen längeren Darmabschnitt erfolgen, wobei mögliche Variabilitäten durch eine präsystemische Metabolisierung im proximalen Darm reduziert werden können (Abb. [2]). Dies führt, wie Witzke anhand von Studiendaten zeigte, zu einem flacheren und gleichmäßigeren Blutspiegelprofil und einer geringeren intraindividuellen Variabilität im Vergleich zu einer nicht retardierten Tacrolimusformulierung (Abb. [3]) [9], [10], [11].

Zoom Image

Abb. 2 Unterschiedliche Absorption von Tacrolimus aus einer Formulierung mit unmittelbarer Freisetzung und einer retardierten Formulierung mit verlängerter Freisetzung (Advagraf®).

Zoom Image

Abb. 3 24-Stunden-Blutspiegelprofile nach Umstellung von Prograf® auf Advagraf®. nach [9], [10]

Neben der Galenik und den vielfältigen physiologischen Faktoren spielen die Mitarbeit und Therapietreue (Compliance, Adhärenz) des Patienten eine bedeutende Rolle, erinnerte Witzke, damit langfristig eine möglichst stabile Tacrolimusexposition aufrechterhalten bleibt. Non-Compliance ist auch bei Transplantierten weit verbreitet und kann zu beträchtlichen Schwankungen der Exposition der Immunsuppressiva führen. Non-Compliance ist ein wichtiger Risikofaktor für späte akute Abstoßungen und kann das Risiko für einen Transplantatverlust nach einer Nierentransplantation deutlich erhöhen [12], [13]. Durch die verminderte Einnahmefrequenz (morgendliche Einmalgabe) kann man die Compliance fördern [14]. In welchem Ausmaß sich die Compliance so verbessern lässt, soll am Essener Transplantationszentrum in einer Beobachtungsstudie untersucht werden.

#

Mit "Tacrolimus 1-mal täglich" exzellente Ergebnisse erzielen

Die therapeutische Äquivalenz der retardierten (Advagraf®) und der unmittelbar freisetzenden Formulierung von Tacrolimus (Prograf®) wurde in einem breit angelegten weltweiten Studienprogramm sowohl beim de-novo-Einsatz als auch bei der Umstellung stabiler Patienten auf die retardierte Formulierung nachgewiesen. Die Ergebnisse einer großen europäischen, randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie belegen die therapeutische Äquivalenz beider Formulierungen nach 1 Jahr [15]. Nach Beendigung der 1-jährigen Studie konnten die Patienten an einem Follow-up über weitere 2 Jahre teilnehmen. Das Transplantat- und Patientenüberleben war unter der retardierten Formulierung über den Gesamtbeobachtungszeitraum von 3 Jahren exzellent. Die Rate spät-akuter Abstoßungen war mit unter 3 % niedrig. Über den gesamten Zeitraum hinweg war die Nierenfunktion bei sehr guten Funktionsraten stabil (Abb. [4]) [16].

Zoom Image

Abb. 4 Nierenfunktion unter Advagraf® im Follow-up über 2 Jahre. nach [16]

Die Ergebnisse des 5-Jahres-Follow-up der Phase-II-Studien sind laut Hugo "mehr als exzellent". Unter einer de-novo-Immunsuppression mit der retardierten Tacrolimusformulierung lag nach einer Nierentransplantation die Patientenüberlebensrate nach einer Kaplan-Meier-Schätzung bei 100 %. Aus den Erfahrungen dieser Studie leitete Hugo die Empfehlung ab, bei der Neueinstellung auf die retardierte Tacrolimusformulierung keine zu häufigen Dosisanpassungen vorzunehmen. Dosisanpassungen sollten nach klinischen Gesichtspunkten und normalerweise nur alle 3 Tage vorgenommen werden [15].

Ebenfalls auf dem Kongress der DTG präsentiert wurden die Ergebnisse einer europäischen, multizentrischen Studie, in der Patienten von der unmittelbar freisetzenden auf die retardierte Formulierung umgestellt worden waren. Wie die Ergebnisse zeigen, ist eine Umstellung ohne erhöhtes Risiko für Abstoßungsreaktionen oder Beeinträchtigung der Nierenfunktion durchzuführen [17].

Dr. Hedwig Weisser, München

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Astellas Pharma GmbH, München.

Die Beitragsinhalte stammen vom Satellitensymposium "Ist die optimale Immunsuppressive Therapie gefunden?" anlässlich der 19. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG), veranstaltet von der Astellas Pharma GmbH, München.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der Medizin & Markt GmbH, München.

#

Literatur

  • 01 Ekberg H, et al. N Engl J Med. 2007;  357 2562-2575
  • 02 Meier-Kriesche H U, et al. Am J Transplant. 2006;  6 1111-1131
  • 03 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Transplant Work Group . Am J Transplant. 2009;  9 (Suppl. 3) S1-S157
  • 04 Ekberg H, et al. Am J Transplant. 2009;  9 1876-1885
  • 05 Opelz G, Döhler B. Transplantation. 2008;  86 371-376
  • 06 Borra LCP, et al. Nephrol Dial Transplant. 2010;  25 2757-2763
  • 07 Berggren S, et al. Mol Pharm. 2007;  4 252-257
  • 08 Canaparo R, et al. Clin Exp Pharmcol Physiol. 2007;  34 1138-1144
  • 09 Data on File, Astellas Pharma. 
  • 10 Alloway R, et al. Transplant Proc. 2005;  37 867-870
  • 11 Floman S, et al. Transplant Proc. 2005;  37 1211-1213
  • 12 Vlaminck H, et al. Am J Transplant. 2004;  4 1509-1513
  • 13 Butler J A, et al. Transplantation. 2004;  77 786-789
  • 14 Weng F L, et al. J Am Soc Nephrol. 2005;  16 1839-1848
  • 15 Krämer B K, et al. 2010 Sep 14. doi: 10.1111/j.1600-6143.2010.03256.x. [Epub ahead of print]. 
  • 16 Krämer B K, et al. DTG 2010; Poster P 057. 
  • 17 Krämer B K, et al. DTG 2010; Poster P 058. 

01 Efficacy Limiting Toxicity Elimination

#

Literatur

  • 01 Ekberg H, et al. N Engl J Med. 2007;  357 2562-2575
  • 02 Meier-Kriesche H U, et al. Am J Transplant. 2006;  6 1111-1131
  • 03 Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Transplant Work Group . Am J Transplant. 2009;  9 (Suppl. 3) S1-S157
  • 04 Ekberg H, et al. Am J Transplant. 2009;  9 1876-1885
  • 05 Opelz G, Döhler B. Transplantation. 2008;  86 371-376
  • 06 Borra LCP, et al. Nephrol Dial Transplant. 2010;  25 2757-2763
  • 07 Berggren S, et al. Mol Pharm. 2007;  4 252-257
  • 08 Canaparo R, et al. Clin Exp Pharmcol Physiol. 2007;  34 1138-1144
  • 09 Data on File, Astellas Pharma. 
  • 10 Alloway R, et al. Transplant Proc. 2005;  37 867-870
  • 11 Floman S, et al. Transplant Proc. 2005;  37 1211-1213
  • 12 Vlaminck H, et al. Am J Transplant. 2004;  4 1509-1513
  • 13 Butler J A, et al. Transplantation. 2004;  77 786-789
  • 14 Weng F L, et al. J Am Soc Nephrol. 2005;  16 1839-1848
  • 15 Krämer B K, et al. 2010 Sep 14. doi: 10.1111/j.1600-6143.2010.03256.x. [Epub ahead of print]. 
  • 16 Krämer B K, et al. DTG 2010; Poster P 057. 
  • 17 Krämer B K, et al. DTG 2010; Poster P 058. 

01 Efficacy Limiting Toxicity Elimination

 
Zoom Image

Abb. 1 Nierenfunktion unter verschiedenen immunsuppressiven Regimen. mod. nach [1]

Zoom Image

Abb. 2 Unterschiedliche Absorption von Tacrolimus aus einer Formulierung mit unmittelbarer Freisetzung und einer retardierten Formulierung mit verlängerter Freisetzung (Advagraf®).

Zoom Image

Abb. 3 24-Stunden-Blutspiegelprofile nach Umstellung von Prograf® auf Advagraf®. nach [9], [10]

Zoom Image

Abb. 4 Nierenfunktion unter Advagraf® im Follow-up über 2 Jahre. nach [16]