Z Geburtshilfe Neonatol 2010; 214(6): 252-253
DOI: 10.1055/s-0030-1269935
Stellungnahme

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme
Aktuelle Ergebnisqualität der Versorgung von Frühgeborenen <1 500 g Geburtsgewicht als Grundlage für eine Regionalisierung der Risikogeburten

A. Trotter, F. Pohlandt, Z Geburtsh Neonatol 2010; 214: 55-61
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eingereicht 15.09.2010

angenommen 29.11.2010

Publication Date:
04 January 2011 (online)

Stellungnahme zu den Leserbriefen von M. Vochem und H. Hummler. Z Geburtsh Neonatol 2010; 214: 126–127

Wir danken den Autoren der Leserbriefe für das Interesse an unserem Artikel und für Ihre kritischen Hinweise.

In dem Leserbrief zu unserem Artikel von Herrn Dr. Vochem [1] werden die auf der Homepage abrufbaren Daten zur Ergebnisqualität als ungeeignet für die Fragestellung des Vergleichs von großen und kleinen Kliniken angesehen, da sie die Konzentration von komplexen Fällen in größere Kliniken nicht berücksichtigen. Auch Hummler [2] kritisiert die fehlende Risikoadjustierung. Es ist grundsätzlich richtig, dass die bisherige Datenerhebung keine Adjustierung der Ergebnisse auf komplexe Fälle erlaubt, wie wir bereits dargestellt haben. Die Zahl der prognoseentscheidenden Diagnosen bietet jedoch eine Annäherung, nach Unterschieden in den versorgten Kollektiven zu suchen. Die Rate an prognoseentscheidenden Diagnosen in den Kliniken unterschied sich nicht signifikant (p=0,57) zwischen Kliniken mit einer Versorgungsfrequenz ≥50 Frühgeborenen (FG) <1 500 g (3,7%) und Kliniken mit niedrigerer Versorgungsfrequenz (3,3%). Wie ebenfalls bereits in unserem Artikel diskutiert, ist bisher keine klare Definition seitens des G-BA erfolgt, welche Diagnosen als prognoseentscheidend zu werten sind.

Herr Vochem verweist auf Tab. 1 des Olgahospitals in Stuttgart, nach der im 5 Jahreszeitraum 17 der 35 FG mit IVH > Grad II und 8 der 15 FG mit Retinopathie-Operation aus anderen Kinderkliniken zuverlegt wurden. Fraglich nur, warum z. B. für die Mortalität diese Angaben nicht gemacht wurden.

Wie richtig angemerkt, wurde in den Statistiken einzelner Kliniken angegeben, dass auch palliativ im Kreissaal versorgte FG berücksichtigt wurden. Angaben hierzu wurden in den Tabellenlegenden bei 7 von 8 Kliniken mit ≥50 FG und bei 15 von 20 Kliniken mit <50 FG gemacht. Bei den übrigen Kliniken sind dazu keine eindeutigen Angaben gemacht worden. Damit ist die Aussage, dass die „meisten” Kliniken erst im Jahr 2009 und 2010 mit der Erfassung dieser FG begonnen haben, nicht nachvollziehbar. Die fehlende Übereinstimmung der Perinatalstatistik und der Neonatalerhebung für FG <750 g wurde in unserer Arbeit diskutiert (im Jahr 2007 fehlten 21% der lebend geborenen FG <750 g GG in der Neonatalerhebung). Diese Datenlücke muss geschlossen werden, um überhaupt zu aussagekräftigen Ergebnisdaten bei FG <750 g bzw. <26 SSW zu kommen.

Die Erwähnung der risikoadjustierten Studie von Bartels [3], die auf einen statistischen Zusammenhang zwischen Fallzahl und Mortalität für FG < 29 SSW hinweist (übrigens nicht für FG mit 26 SSW) beschreibt ein Kollektiv aus den Jahren 1991–1999, also lange vor den strukturellen Vorgaben des G-BA. Die Hypothesen generierenden Ergebnisse von damals (Level of Evidence 3, [4]) sollte nicht unbesehen auf die Verhältnisse nach dem G-BA Beschluss 2005 übertragen werden.

Solange es keine strukturierten Daten über die Morbidität der von kleineren in größere Kliniken verlegten FG gibt, bleibt es eine Vermutung, dass die Ergebnisqualität der größeren Kliniken durch eine höhere Morbidität der zuverlegten Kinder beeinträchtigt wird. Hier wäre es wünschenswert, wenn z. B. der G-BA die Vorgabe formulieren würde, dass die Mortalitäts- und Morbiditätsdaten immer der primär versorgenden Klinik zugeordnet werden.

Hummler beschreibt, dass im Jahr 2008 nur noch 51,5 % der Todesfälle mit Geburtsgewicht < 1 500 g der amtlichen Statistik in der Neonatalerhebung abgebildet wurden, während es im Jahr 2000 noch 70,3 % waren. Nach den von uns erhobenen G-BA Daten sind 91 von 1 164 FG < 1 500 g (7,8%) und 115 (< 28 Tage Mortalität) von 1127 nach Angaben des statistischen Landesamtes (10,2 %) verstorben. Das heißt, dass 79 % (91/115) der Todesfälle aus der amtlichen Statistik in den G-BA Daten abgebildet sind. Von den 24 in den G-BA Daten im Vergleich zur Landesstatistik fehlenden Todesfällen sind 18 Fälle FG mit einem GG unter 500 g. Die um 26 höhere Zahl der lebendgeborenen FG nach G-BA Daten resultiert vorrausichtlich aus einer Mehrfachzählung verlegter Kinder. Wenn man diese Zahl als Annäherung für in große Zentren verlegte FG deutet, werden etwa 2,3 % aller FG < 1 500 g verlegt. Diese kleine Zahl von verlegten FG relativiert die vermutete Benachteiligung von großen Kliniken bei Betrachtungen zur Mortalität

Hummler weist richtig darauf hin, dass beim grafischen Vergleich der Mortalitäten der einzelnen Bundesländer (Abb. 2) ein Fehler unterlaufen ist. Im Band 214 Nr. 3 sind die korrigierten Grafiken als Erratum veröffentlicht.

Wir stimmen Hummler darin zu, dass die Studie von Rogowski [5] nur Kliniken mit einer jährlichen Fallzahl bis hinab zu 17 (Interpolation aus Abb. 1) ausgewertet und darüberhinaus Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 500 g davon ausgeschlossen hat. Zudem ist nicht bekannt, ob sich nicht die strukturellen Gegebenheiten während der Jahre 1995–2000 in den Kliniken des Vermont Oxford Network unterschieden von denen in den deutschen Kliniken mit den strukturellen Vorgaben des G-BA-Beschlusses 2005. Aus der Analyse von Rogowski lassen sich also keine Schlüsse auf die heutigen Behandlungsergebnisse von Kindern unter 500 g Geburtsgewicht in den 5 (von 28) kleineren Kliniken (<17 VLBW jährlich) in Baden-Württemberg ableiten. Das war auch nicht unsere Absicht. Vielmehr wollten wir allein darauf hinweisen, dass es große Kliniken mit vergleichsweise hoher und kleine Kliniken mit niedriger Mortalität gab, in gleicher Weise in unserer wie jener Studie. Aber die Studie von Rogowski unterstützt nicht die Hypothese, dass Regionalisierung nach dem Prinzip einer Mindestmenge grundsätzlich geeigneter ist, Ergebnisqualität zu verbessern, als Regionalisierung nach der individuellen Ergebnisqualität einer Einrichtung. Für die Gruppe der Kinder <500 g Geburtsgewicht ergab sich in unserer Studie eine niedrigere Sterblichkeit in größeren Kliniken, ebenso in der Gruppe 500–749 g Geburtsgewicht. Die Einschränkungen zu Aussagen über diese Gewichtklasse wurden in der Diskussion unseres Artikels erläutert.

Die Autoren beider Leserbriefe haben kürzlich mit Daten aus der Neonatalerhebung einen Vergleich zwischen 5 großen Kliniken und den übrigen Kliniken in Baden-Württemberg hinsichtlich der Ergebnisqualität angestellt [2]. Auch in jener Arbeit waren die Ergebnisse nicht für peripartale Risikofaktoren adjustiert, weil die Neonatalerhebung dies nicht möglich macht. Wir räumen ein, dass die Beweiskraft unserer Analyse nicht konfirmativ sondern wegen der methodischen Schwächen nur Hypothesen generierend ist (Level of Evidence 3, [4]). Das gilt in gleicher Weise allerdings auch für die Analyse von Vochem, Hummler und anderen Mitarbeitern aus dem Jahr 2006 sowie für alle zuvor publizierten Arbeiten zu diesem Thema. Dieses Wissen könnte zu einem respektvollen Umgang miteinander in dieser Streitfrage führen statt mit den Bewertungen „richtig” und „falsch” zu schlagen.

Literatur

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. A. Trotter

Klinik für Kinder und Jugendliche

Hegau-Bodensee Klinikum Singen

Virchowstraße 10

78224 Singen

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Prof. Dr. med. F. Pohlandt

Fünf-Bäume-Weg 138/1

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Fax: +49/0731/381 548

Email: frank.pohlandt@uni-ulm.de

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