Bei Patienten, die eine ambulant erworbene Pneumonie (CAP: community acquired pneumonia)
überlebt haben, zeigt sich im weiteren Verlauf eine erhöhte Sterblichkeit, die jene
der altersentsprechenden Bevölkerung deutlich übersteigt. Bislang gibt es keinen Score
und auch keinen etablierten Biomarker für die Abschätzung der Langzeitprognose nach
CAP.
In früheren CAPNETZ-Studien konnten wir zeigen, dass Procalcitonin (PCT) Patienten
mit einem niedrigen Risiko für eine 28-Tage-Mortalität in allen CRB-65-Score-Klassen
identifizieren kann [1]. Dabei war der prognostische Wert vergleichbar mit dem CRB-65-Score und besser als
die etablierten inflammatorischen Marker C-reaktives Protein (CRP) und Leukozyten
(Leu). In einer Pilotstudie konnten wir zeigen, dass die neuen Biomarker pro-atrial
natriuretic peptide (MR-proANP) und pro-vasopressin (CT-proAVP oder Copeptin) für
die Beurteilung der Kurzzeit-Prognose bei CAP mit dem CRB-65-Score mindestens vergleichbar
sind [2]. Ziel dieser Folgestudie war es, im großen Kollektiv die Wertigkeit der Biomarker
für die Prädiktion der Kurzzeit- und Langzeitmortalität zu untersuchen [3].
Unterlappenpneumonie rechts. Erhöhte MR-proANP- und CT-proAVP-Werte waren für die
Kurz- und Langzeitprognose bei CAP am aussagekräftigsten (Bild: Thieme Verlagsgruppe/Urspeter
Knecht).
MR-proANP und CT-proAVP als stärkste Prädiktoren
MR-proANP und CT-proAVP als stärkste Prädiktoren
Wir nahmen 1740 Patienten (60 ± 18 Jahre, 45% weiblich) mit CAP in die Studie auf.
Das MR-proANP, Copeptin, PCT, CRP, Leu und der CRB-65-Score wurden bei Aufnahme bestimmt.
Die Patienten wurden über 180 Tage nachbeobachtet. MR-proANP- und Copeptin-Spiegel
stiegen mit zunehmendem Schweregrad der CAP. Innerhalb von 28 Tagen starben 78 Patienten
(4,5 %), zusätzlich starben 93 Patienten (5,6 %) zwischen Tag 29 und 180. Bei Patienten,
die innerhalb von 28 und 180 Tagen starben, lagen die Werte von MR-proANP und CT-proAVP
signifikant höher verglichen mit den Werten der Überlebenden. In der ROC-Analyse (ROC:
Receiver Operating Characteristic) für das 28- und 180-Tage-Überleben waren die AUCs
(Area Under the Curve) für CT-proAVP (0,84 und 0,78) und MR-proANP (0,81 und 0,81)
höher, verglichen mit der AUC des CRB-65-Score (0,74 und 0,71, p < 0,05), PCT, CRP
und Leu. In der multivariablen Cox-Regressions-Analyse mit Adjustierung für Komorbidität
und Schweregrad der Pneumonie waren das MR-proANP und CT-proAVP unabhängige und gleichzeitig
die stärksten Prädiktoren der Kurz- und Langzeitmortalität. Außerdem waren sie inflammatorischen
Markern und dem CRB-65-Score überlegen.
Erklärungsansätze für niedrigere Langzeit-Überlebensrate
Erklärungsansätze für niedrigere Langzeit-Überlebensrate
Wie lässt sich das erklären? Die Haupttodesursachen nach einer CAP sind kardiovaskuläre
Erkrankungen und Malignome, aber auch COPD, Niereninsuffizienz und Infektionen. Eine
Erklärung für die Übersterblichkeit der Patienten mit CAP könnte sein, dass bei ca.
der Hälfte der Patienten nach CAP eine subklinische Inflammationsreaktion persistiert,
die mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität assoziiert ist. Eine weitere Erklärung
könnte sein, dass bei den Patienten, die in der Folge an kardiovaskulären Erkrankungen,
Malignomen und Niereninsuffizienz sterben, diese Erkrankungen bei vielen Patienten
vor der CAP und in vielen Fällen auch danach nicht bekannt waren. Dies unterstützt
die Hypothese, dass CAP in vielen Fällen, vor allem bei Älteren, ein Hinweis für eine
lebenslimitierende Erkrankung ist. Die neuen Biomarker MR-proANP und Copeptin sind
bei Vorliegen einer kardiovaskulären Erkrankung, Niereninsuffizienz oder COPD erhöht,
auch wenn hierfür keine anamnestischen Angaben bestehen. Im Rahmen von CAP können
MR-proANP und Copeptin dann noch weiter ansteigen, z.B. als Folge einer Sepsis.
Fazit
Fazit
Was lässt sich aus dieser Studie für die tägliche klinische Praxis ableiten? Die Langzeitmortalität
nach einer CAP-Episode ist exzessiv erhöht, was bisher wenig Beachtung gefunden hat.
Aufgrund oftmals knapper Ressourcen ermöglicht die Bestimmung kardiovaskulärer Biomarker
ein Screening und die Identifikation von Hochrisikopatienten. Bei diesen sollte eine
intensivere Diagnostik und dann auch Therapie der Grunderkrankung erfolgen.
PD Dr. Stefan Krüger, Aachen
Prof. Santiago Ewig, Bochum
Dr. Jan Kunde, Hennigsdorf
Prof. Norbert Suttorp, Berlin
Prof. Tobias Welte, Hannover
und die CAPNETZ-Studiengruppe