RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0030-1261829
Chronische Erkrankungen und Behinderungen – Heilkraft des Töpferns
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
06. Juli 2010 (online)
Die Töpferei beinhaltet vielfältige gesundheitsfördernde Aspekte. Alexandra Timmons und Elaine MacDonald beschrieben im Rahmen ihrer Masterarbeit an der University of Brighton in Eastbourne, England, Erfahrungen chronisch kranker und behinderter Menschen mit Ton. Die Ergotherapeutinnen rekrutierten die Teilnehmer ihrer Feldstudie durch einen Aufruf in einer internationalen Fachzeitschrift für Keramik. Fünf Frauen und ein Mann mit chronischen physischen Beschwerden konnten für ihre Teilnahme zwischen einem halbstrukturierten narrativen Interview per Telefon, einer persönlichen Befragung und einem schriftlichen Bericht über ihre Erfahrungen mit dem Werkstoff Ton wählen. Die Fragen zielten auf ihre Erfahrungen mit der Töpferei, der Krankheit und darauf, wie das Töpfern die Krankheit beeinflusst. Die Antworten fassten die Forscherinnen zusammen, ließen sie von den Studienteilnehmern kontrollieren und kommentieren. Das Resultat war eine Einteilung der Aussagen in die vier Bereiche „Produktivität und Kreativität”, „physisches und psychisches Wohlbefinden”, „soziale Interaktionsmöglichkeiten” und „Alchimie und Magie”. Die Studienteilnehmer berichteten von Freude und Befriedigung durch den Prozess und das Ergebnis des Töpferns. Sie empfanden diese als förderlich für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit. Für alle Befragten war es wichtig, durch Töpferkurse, Ausstellungen oder Geschäfte mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Sie lernten im kreativen Ausdruck behinderte oder kranke Anteile von Körper oder Seele zeitweilig zu vergessen, in ihre Gesamtpersönlichkeit zu integrieren oder sogar Funktionen zu verbessern. Die Ergebnisse sind eine Bestätigung für den ergotherapeutischen Ansatz mit kreativen Tätigkeiten wie dem Töpfern, ganzheitlich Gesundheit zu fördern.
dawo
Kommentar
Ton verfügt über die Qualität, gleichzeitig verschiedenste Sinne anzusprechen. Seine Beschaffenheit ruft Reaktionen hervor, die von Abwehr bis zu Erdverbundenheit reichen. Die Formbarkeit kann sowohl in Gebrauchsgegenstände als auch in emotional ausdrucksstarke Objekte münden. Um den Ton auf sensibelste Art bearbeiten zu können, muss er zunächst geschlagen und weich gemacht werden. Je nach Lagerungsform riecht er angenehm erdig oder alt und schimmelig. Daneben beinhaltet und regt er – wie jede Form kreativen Ausdrucks – Kommunikation an. Menschen, die eine Fachzeitschrift für Keramik kaufen, unterstelle ich ein besonderes Gespür für dieses Material. Je nach Persönlichkeit, Erkrankung oder Behinderung kann der Ton aber ebenso leicht zu Frustration führen, wenn er bricht, die Ansprüche des Töpfernden zu hoch sind oder körperliche Einschränkungen die Bearbeitung behindern. Für eine annähernd objektive Studie halte ich es deshalb für sinnvoll und erforderlich, auch Menschen einzubeziehen, die weniger positive Erfahrungen mit Ton gemacht haben.
Daniela Wolter, Ergotherapeutin