ergopraxis 2008; 01(2): 14
DOI: 10.1055/s-0030-1261820
wissenschaft

Wissenschaft erklärt: Studien kritisch lesen – Vertrauen ist gut, Kontrolle besser

Sabine Mangold
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Publication Date:
09 July 2010 (online)

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Mit wissenschaftlichen Studien verhält es sich wie mit künstlerischen und literarischen Werken: Die Spannbreite reicht vom niedrigen bis zum hohen Niveau. Für die therapeutische Praxis sollten wir jedoch möglichst hochwertige wissenschaftliche Arbeiten zu Rate ziehen. Erfahren Sie hier, wie Sie Studien zur Wirksamkeit von ergotherapeutischen Behandlungsverfahren mit einem kritischen Auge lesen.

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Dr. sc. nat. Sabine Mangold, Biologin, Ergotherapeutin, ist in der Forschung der Uniklinik Balgrist und im Zentrum für Ausbildung im Gesundheitswesen Kanton Zürich tätig.

Bei der Beurteilung einer Studie gilt es, verschiedene Aspekte differenziert zu hinterfragen. Als Hilfe dienen Kriterien und Leitfragen, welche Sie beispielsweise bei Law [1], der PEDro scale [2] oder bei Sackett [3] in der evidenzbasierten Medizin finden.

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Der Studientyp als Gütemerkmal

Den ersten Hinweis für wissenschaftliche Qualität liefert der Studientyp: Eine Fallstudie mit nur einem Patienten ist weniger repräsentativ als eine Kohortenstudie mit vielen Patienten. Gibt es außer der Behandlungsgruppe eine Kontrollgruppe, in der die Patienten keine Therapie oder ein Placebo erhalten, oder eine Vergleichsgruppe, in welcher die Patienten mit konventioneller Therapie behandelt werden, so handelt es sich um eine noch aussagekräftigere Studie. Diese Vergleiche machen die Wirksamkeit der Therapie sichtbar und verdeutlichen die Unterschiede zwischen den Behandlungsformen.

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Klarheit und Aktualität sind wichtig

Der Zweck der Studie, die Auswahl und Anzahl der Teilnehmer sowie das Vorgehen zur Sammlung und Auswertung der Daten sollten klar beschrieben sein. Überprüfen Sie, ob die angekündigten Ergebnisse vollständig und transparent sind, sonst liegt der Verdacht nahe, die Wissenschaftler würden unerwünschte Resultate verschleiern. Zudem sollten die Diskussion der Ergebnisse und die Schlussfolgerungen nachvollziehbar sein. Forscher müssen ihre Studie in der Einleitung und Diskussion in den aktuellen Forschungsstand einbetten. Achten Sie darauf, ob sie relevante Hintergrundliteratur verwenden und zitieren und den aktuellen Forschungsstand aufzeigen. Die Checkliste von Law (Kasten „Beurteilungskriterien”) kann Ihnen bei der Beurteilung helfen.

Beurteilungskriterien

Law: www.srs-mcmaster.ca

> „Research & Resources” > „Centre for Evidence-Based Rehabilitation” > „View OT Evidence-Based Practice Group Page” > „German” > „quantform, quantguide, qualform, qualguide”

PEDro: www.pedro.fhs.usyd.edu.au > „questions” > „PEDro scale”

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Das Vorgehen bestimmt die Aussagekraft

Die Aussagekraft einer Studie hängt von der genauen wissenschaftlichen Vorgehensweise ab. Bei einer Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Behandlungsmethode steigt die Aussagekraft, wenn die Patienten von den Forschern randomisiert, also nach einem Zufallsprinzip, der Behandlungs- und Kontrollgruppe zugeteilt werden. Um die Studienergebnisse nicht durch Vorurteile der Behandlung gegenüber zu beeinflussen, werden die teilnehmenden Patienten verblindet, wissen also nicht, welche Art von Behandlung sie bekommen. Zudem ist es wichtig, dass die Wissenschaftler überprüfte Erfassungsinstrumente für die Messung des Therapieerfolges benutzen und statistische Gruppenvergleiche durchführen.

Eine wichtige Rolle spielen auch die Bedingungen, wie die Zusammensetzung der untersuchten Patientengruppen. Setzen sich diese zu Studienbeginn hinsichtlich wichtiger Eigenschaften wie dem Alter und der Diagnose der Erkrankung ähnlich zusammen, untermauert dies das Studienergebnis zusätzlich.

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Bei Artikeln sollte man genau hinschauen. (Foto: S. Mangold)

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Praxisrelevanz der Ergebnisse

Bei einer Wirksamkeitsstudie ergeben sich innerhalb der untersuchten Zeit häufig Verbesserungen sowohl in der Behandlungs- als auch in der Kontrollgruppe. Praxisrelevant sind die Ergebnisse, wenn sich die Veränderungen zwischen den Gruppen ausreichend stark unterscheiden. Ein wichtiges Maß ist eine Veränderung von mindestens einem Zehntel der erreichbaren Punktzahl des Erfassungsinstrumentes [4]. Wenn die Skala von 0 bis 50 Punkten geht, müssen sich die Patienten um mindestens 5 Punkte verbessern, damit das Ergebnis praxisrelevant ist, also zum Beispiel von 20 auf 25 Punkte.

Letztendlich muss jeder Leser selbst beurteilen, ob er Erkenntnisse aus der Literatur in der Praxis bei seinen Patienten anwendet. Er muss entscheiden, ob er die Methode in der eigenen Institution überhaupt durchführen kann, ob die Ergebnisse auf eigene Patienten übertragbar sind und ob der Patient die Methode akzeptiert.

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Bei Artikeln sollte man genau hinschauen. (Foto: S. Mangold)