Einleitung
Einleitung
Das Granuloma anulare ist eine benigne entzündliche Hauterkrankung, die durch gruppierte
oder in Ringen angeordnete Papeln und histomorphologisch nachweisbare Granulome gekennzeichnet
ist. Die auslösende Ursache ist beim Granuloma anulare weiterhin unklar; Assoziationen
mit Diabetes mellitus Typ 1, Arthritiden und Schilddrüsenerkrankungen, speziell Autoimmunthyreoiditiden
bei Frauen, sind beschrieben [1]. Auch Zusammenhänge mit Arthritiden sind bekannt [2]. Bevorzugte Lokalisationen sind die Akren, besonders die Dorsalseite von Händen,
Fingern, Füßen und Zehen sowie Ellenbogen oder Knie. Es handelt sich primär um gerötete
oder hautfarbene Papeln, die sich nach peripher ausbreiten, wobei das Zentrum später
in das Hautniveau zurücksinkt. Dadurch entstehen die typischen ringförmigen Herde,
die mehrere Zentimeter Größe und bizarre Konfigurationen erreichen können. Man unterscheidet
verschiedene Sonderformen wie die subkutane Form mit hautfarbenen derben subkutanen
Knoten, die Plaqueform mit flächigen rötlichen oder rötlich-braunen Herden oder das
Granuloma anulare disseminatum. Eine seltene Manifestationsform ist ein Granuloma
anulare giganteum. Darunter versteht man plaqueförmige Läsionen, die eine Größenausdehnung
bis 20 cm erreichen können und oft narbig abheilen [3]
[4].
Fallbericht
Fallbericht
Anamnese
Ein 44-jähriger Patient wurde erstmals im Oktober 2005 in unserer Klinik mit einem
histologisch gesicherten Granuloma anulare vorgestellt. Im Juni 2005 war ihm eine
ringförmige papulöse Hautveränderung im Bereich des Nackens aufgefallen, die langsam
weiter an Größe zugenommen hat. Vorerkrankungen bestanden nicht. Ein Diabetes mellitus
und eine Schilddrüsenerkrankung wurden vor Behandlungsbeginn ausgeschlossen.
Größe 173 cm, Gewicht 76 kg bei Behandlungsbeginn, 73 kg bei Behandlungsende.
Erstbefund
Bei der Erstvorstellung zeigte sich am Hals dorsal eine ovaläre gerötete, 3,5 × 2,5 cm
große, kombinierte Effloreszenz aus zentral eingesunkener Makula und erhabenem Randwall
([Abb. 1]).
Abb. 1 Hautbefund am Hals 21. 10. 2005.
Diagnostik
Laborbefunde: NBZ, Blutbild, NA, K, CREA, ALAT, ASAT, GGT, AP, TSH, MAK, TAK, TRAK,
Quick, INR im Normbereich.
Mykologische Diagnostik: Nachweis von Pilzen im Nativpräparat, Kultur negativ.
Mikrobiologische Diagnostik: Im Abstrich Keime nicht nachgewiesen, Kultur aerob steril.
Histologie: Deutliche granulomatöse Entzündung mit Nachweis von histiozytären Palisadengranulomen
und zentralen nekrobiotischen Kollagenfaserdegenerationen mit Muzinnachweis. In der
Pilz-PAS-Spezialfärbung eindeutiger Nachweis von Pilzelementen in den Follikelostien.
Therapie und Verlauf
Wegen des Nachweises von Pilzelementen im Bioptat und im Nativpräparat wurde eine
interne Therapie mit Terbinafin über insgesamt 8 Wochen eingeleitet. Darunter anfänglich
leichte Regredienz der Veränderung, dann jedoch weitere Progression. Dazu kamen im
Verlauf des folgenden Jahres weitere Herde an der linken Ohrmuschel, am 2. Fingerzwischenraum
links und am rechten Oberarm. Der Herd am Hals zeigte eine Größenzunahme auf 9 × 9 cm
([Abb. 2 a, b]). Die Behandlung war zwischenzeitlich mit lokalen Glukokortikosteroiden (Clobetasol-Creme)
und intraläsionalen Glukokortikosteroid-Injektionen erfolgt. Es zeigte sich jedoch
eine weitere Größenzunahme des Herdes am Hals auf 12 × 11 cm mit Bewegungseinschränkung
([Abb. 3 a, b]). Auch während der internen Behandlung mit Hydroxychloroquin ab Dezember 2006 (400 mg/d,
entspricht 5,2 mg/kg KG) weitere Progression der Hautveränderung am Nacken und Auftreten
eines neuen Plaque am linken Oberarm. Daraufhin Beendigung der Hydroxychloroquin-Therapie
im März 2007 und Einstellung auf FSE (Beginn mit Fumaderm initial® in Analogie zur Standardtherapie bei Psoriasis). Nach 12 Wochen Therapie bei einer
Dosis von 5 Tabletten Fumaderm® pro Tag war ein Sistieren der Größenzunahme und eine langsame Abflachung der Granulome
zu verzeichnen. Ab einer Dosis von 4 Tabletten Fumaderm® pro Tag klagte der Patient zunehmend über Magenbeschwerden und Durchfälle. Zusätzlich
zeigte sich eine Lymphopenie (0,57 Gpt/l). Unter langsamer Dosisreduktion konnte die
Medikation nach 6 Monaten Behandlung bei sichtbarer Verkleinerung und Abflachung der
Hautveränderungen abgesetzt werden. Nach weiteren 2 Monaten bestand im Nackenbereich
eine Narbe, die anderen betroffenen Areale waren narbenlos, partiell mit Hyperpigmentierung,
abgeheilt ([Abb. 4 a, b]).
Abb. 2 Hautbefund am Hals (a) und Handrücken (b) 17. 01. 2007.
Abb. 3 Hautbefund am Hals (a) und Handrücken (b) 13. 08. 2007.
Abb. 4 Abgeheilter Hautbefund am Hals (a) und Handrücken (b) zwei Monate nach Therapieende.
Im Rahmen der Blutkontrolle zeigte sich 6 Monate nach Therapiebeginn eine Hyperthyreose.
Die zunehmenden Durchfälle sowie ein Gewichtsverlust von 3 kg innerhalb der letzten
6 Wochen waren wegweisend für die Diagnosestellung. Die Behandlung erfolgte mit Methimazol
und später einer Radiojodtherapie. Ein Zusammenhang mit der Medikation mit FSE wurde
nicht gesehen.
Diskussion
Diskussion
Das Granuloma anulare gehört zu den granulomatösen Dermatosen, wobei die Ätiologie
weitgehend unklar ist. Als Triggerfaktoren wurden Insektenstiche und andere Traumata,
Impfungen, Sonnenexposition, virale Infekte oder persistierende mechanische Reize
diskutiert. Assoziationen mit Diabetes mellitus Typ 1 und Autoimmunthyreoiditiden
sind beschrieben [1]
[5].
Die granulomatösen Infiltrate werden möglicherweise durch zirkulierende Immunkomplexe
und die Ausbildung einer Immunkomplexvaskulitis verursacht [5]
[6]. Hinweise auf eine lokale Aktivierung der spezifischen zellulären Immunität ergeben
sich aus dem Nachweis von aktivierten CD4+-Lymphozyten im entzündlichen Infiltrat
[1]. Der Nachweis aktivierter Lymphozyten, vornehmlich T-Helferzellen, unterstützt die
Hypothese einer zellvermittelten Immunreaktion vom Spättyp auf ein unbekanntes Antigen
[7].
Zur Behandlung des Granuloma anulare stehen verschiedene therapeutische Optionen mit
unterschiedlichen Erfolgen zur Verfügung. Für das lokalisierte Granuloma anulare mit
hoher Spontanheilungstendenz ist therapeutische Zurückhaltung gerechtfertigt [8].
Für die Lokaltherapie sind Glukokortikosteroide, ggf. unter Okklusivverband oder als
intraläsionale Injektion einer Steroid-Kristallsupension, Kryotherapie oder Creme-PUVA
etabliert.
Bei disseminierten Formen, großflächigem Befall und kosmetischer Beeinträchtigung
besteht die Notwendigkeit einer systemischen Therapie. Dabei wurden Erfolge mit oralen
Steroiden, Antimalariamitteln, Dapson, Balneofotochemotherapie beschrieben [8]
[9]. Eine weitere therapeutische Option stellt die Behandlung mit Retinoiden (Etretinat)
mit oder ohne Kombination mit PUVA-Therapie dar [10].
Im Jahre 2001 berichten Schulze-Dirks und Petzoldt über das prompte Ansprechen einer
Patientin mit Granuloma anulare disseminatum auf die Therapie mit FSE [6]. Die Ansammlung von CD4+-Lymphozyten in den Granulomen und die bei der Behandlung
mit Fumarsäure auftretende Lymphopenie lagen der therapeutischen Überlegung zu Grunde
[6]. Ein sehr guter Behandlungseffekt wurde hier bereits bei einer Dosierung von 3 Tabletten
Fumaderm initial® gesehen. Weitere Berichte bestätigten den erfolgreichen Einsatz von FSE bei der Behandlung
von insgesamt 8 Patienten mit disseminiertem Granuloma anulare und anderen granulomatösen
Erkrankungen, z. B. der Sarkoidose oder Necrobiosis lipoidica, wobei Dosierungen von
1 bis 6 Tabletten Fumaderm® pro Tag nötig waren [11]
[12]
[13].
Fumaderm® ist ein Gemisch aus Dimethylfumarat und den Kalzium-, Magnesium- und Zinksalzen ([Tab. 1]) des Monoethylesters Ethylhydrogenfumarat. Aktiver Wirkstoff des immunmodulatorisch
wirkenden Medikamentes ist Dimethylfumarat. Fumaderm initial® und Fumaderm® sind in Deutschland seit 1995 für die Behandlung der Psoriasis zugelassen.
Tab. 1 Zusammensetzung von Fumaderm initial®/Fumaderm®
|
Fumaderm initial®
|
Fumaderm®
|
Dimethylfumarate |
30 mg |
120 mg |
Ethylhydrogenfumarat Kalziumsalz |
67 mg |
87 mg |
Ethylhydrogenfumarat Mangnesiumsalz |
5 mg |
5 mg |
Ethylhydrogenfumarat Zinksalz |
3 mg |
3 mg |
Der genaue Wirkmechanismus der FSE ist nicht endgültig geklärt [14]. Die bei vielen Patienten auftretende unerwünschte Wirkung der Lymphopenie wird
als Hauptwirkung postuliert [14]. So wurde in Studien eine antiproliferative Wirkung auf T-Lymphozyten und eine daraus
resultierende Normalisierung der gestörten TH1/TH2-Zytokinbalance bei der Psoriasis,
außerdem eine Inhibition von Interferon gamma sowie eine Erhöhung der Interleukin-10-Sekretion
nachgewiesen. Heute wird der antientzündliche Effekt durch Hemmung des nukleären Faktors
kappa B, der an der Transkription von Genen, die für proinflammatorische Mediatoren
wie Tumor-Nekrose-Faktor alpha und Interleukin 8 sowie für Ahdäsionsmoleküle wie E-Selektin
und ICAM 1 kodieren, erklärt [14]. Allerdings beziehen sich die Arbeiten auf die Wirkung der FSE bei Psoriasis vulgaris.
Da über die Ätiologie und Pathogenese des Granuloma anulare wenig bekannt ist, sind
auch Angaben zum Wirkmechanismus der FSE bei dieser Erkrankung eher spekulativ.
Die wichtigsten Nebenwirkungen umfassen gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit,
Bauchkrämpfe, Völlegefühl und Durchfälle, die bei etwa zwei Drittel der behandelten
Patienten auftreten, aber auch Flush-Symptomatik und Müdigkeit. Die Nebenwirkungen
sind dosisabhängig und treten typischerweise etwa ab der 4 Behandlungswoche auf. Bei
unserem Patienten begannen Magenbeschwerden und Durchfälle ab der Dosierung von 3
Tabletten FSE pro Tag. Die Beschwerden nahmen erst bei weiterer Dosissteigerung von
5 Tabletten pro Tag an Intensität zu und waren für den Patienten gerade noch tolerabel.
Die geschilderten Symptome wurden von uns zunächst als unerwünschte Arzneimittelwirkungen
der FSE gewertet. Jedoch war das zunehmende Unruhegefühl, Verstärkung der Durchfälle
und eine rasche Gewichtsabnahme von 3 kg letztendlich wegweisend für die Diagnose
einer Hyperthyreose. Im Gegensatz zu Differenzialblutbild, Leber- und Nierenwerten
gehören die Schilddrüsenparameter nicht zu den empfohlenen Kontrollwerten im Rahmen
der regelmäßigen Blutwertkontrollen. Eine Unterscheidung zwischen unerwünschter Wirkung
der FSE-Therapie und einer Hyperthyreose kann dabei sehr schwierig sein. Es sollte
deshalb bei der Symptomkonstellation von Durchfällen, Gewichtsabnahme, Unruhe und
Tachykardie auch im Verlaufe der Behandlung eines Granuloma anulare an die Entwicklung
einer Schilddrüsenerkrankung gedacht und entsprechende Laborwerte bestimmt werden.
Ein Zusammenhang mit der FSE-Medikation wird nicht gesehen.
Mehrere Arbeiten erwähnen neben dem entgleisten Diabetes mellitus eine Schilddrüsenerkrankung
als Realisationsfaktor für ein Granuloma anulare [1]
[5]. Möglicherweise war in unserem Fall die einlaufende Hyperthyreose ursächlich für
das verzögerte Ansprechen auf die systemische Therapie. Bei unserem Patienten war
ein Behandlungseffekt erst nach 12 Wochen bei 5 Tabletten Fumaderm® pro Tag zu verzeichnen, wogegen andere Autoren über gutes Ansprechen bereits nach
3 Wochen berichteten [6].
Fazit
Fazit
Neben den häufigen Verlaufsformen mit hoher Spontanheilungsrate gibt es beim Granuloma
anulare auch seltene, sich progredient ausbreitende Formen.
Bei unserem Patienten bestand ein solches Granuloma anulare giganteum und erst die
Behandlung mit FSE, nach unbefriedigendem Effekt von lokalen und intraläsionalen Steroiden,
hat zu einer Abheilung der Hauteffloreszenzen geführt. Die bekannten unerwünschten
Arzneimittelwirkungen können dabei gastrointestinale Symptome, Flush und Gewichtsabnahme
umfassen. Da diese Symptome ebenfalls bei einer Hyperthyreose auftreten, muss bei
zusätzlich auftretender Tachykardie und Unruhe des Patienten differenzialdiagnostisch
auch an eine Hyperthyreose gedacht und eine Bestimmung entsprechender Laborparameter
veranlasst werden.
Interessenkonflikte: Frau Dr. U. Proske gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Prof. G. Wozel ist Mitglied der Advisory Boards von Abbott GmbH & Co KG, Astellas
Pharma GmbH, Biogen Idec GmbH sowie Wyeth Pharma GmbH und hat Honorar für wissenschaftliche
Präsentationen erhalten. Er ist in mehreren klinischen Studien als Principle Investigator
eingebunden. Es liegt eine wissenschaftliche Kooperation mit Wyeth Pharma GmbH vor.