Obwohl diese Abhandlung keinem Jubiläumsdatum von Geburt oder Tod geschuldet ist,
verlief das Leben von Fritz Callomon, abgesehen von ganz normalen Phasen, so vielseitig
und so dramatisch, dass es angemessen ist, diesen Lebenslauf eines großen Fachkollegen
vor der Vergessenheit zu bewahren. Stationen dieses Lebensweges waren Breslau, Bromberg,
Dessau, Berlin, Philadelphia, Berkeley und zuletzt San Rafael. Hier verstarb er am
15. September 1964. Am gleichen Tage legte der Autor die Facharztprüfung für Dermato-Venerologie
in Halle/Saale ab. Sein früherer Chef an der Hautklinik Dessau, Hermann Ress, erwähnte
oft den Namen Callomon und nannte ihn einen Kollegen „von nobler Gesinnung”. Daher
will ich im Folgenden versuchen, das Curriculum vitae Callomons anhand der mir zur
Verfügung stehenden Unterlagen zu skizzieren.
Breslau
Breslau
Fritz Callomon wurde am 22. Mai 1876 in der Hauptstadt Schlesiens, in Breslau, geboren.
Hier besuchte er das Gymnasium, legte das Abitur ab, studierte in Breslau Medizin
und promovierte bei dem berühmten Pädiater Adalbert Czerny (1863 – 1941) 23-jährig
mit der Dissertation über „Faecesgärung bei Säuglingen” summa cum laude zum Dr. med.
Danach begann er ab Herbst 1899 mit der dermatologischen Fachausbildung bei Wilhelm
Harttung (1858 – 1923) als Volontärarzt im „dunklen, beengten” Allerheiligen Hospital.
Hier schrieb er 1903 die Abhandlung über den „Herpes gestationis” [1] und über seine „Beobachtungen an Quecksilberexanthemen” [2] auch noch unter Harttung.
Danach arbeitete Callomon bei Albert Neisser (1855 – 1916) an der modernen Königlichen
Universitätshautklinik von Breslau (eingeweiht 1892).
Neisser, Entdecker und Namensgeber des „Gonococcus”, war erst 24 Jahre alt (1879),
als er diesen Meilenstein für die Venerologie setzte. Callomon hatte in ihm einen
modernen, temperamentvollen Chef, nach dessen Plänen 1892 die Hautklinik erbaut worden
war und der er bis zu seinem Tode 1916 in Breslau und seiner Alma mater Viadrensis[2] treu blieb ([Abb. 1]).
Abb. 1 Albert Neisser, Callomons akademischer Lehrer.
Ergänzenswert ist, dass Albert Neisser der erste Tagungspräsident der beiden ersten
DDG-Kongresse in Prag 10. – 12. 6. 1889 und am 6. 8. 1890 in Berlin war.
Fortbildung
Fortbildung
Nach seiner Facharztanerkennung (1903) unternahm Callomon Studienreisen nach Stockholm
zu Welander und nach Kopenhagen, wo er bei Nils Ryberg Finsen (1860 – 1904) – kurz
vor dessen Tod – Finsens lichttherapeutische Erfolge bei der Behandlung der Hauttuberkulose
studieren konnte, die er später in der eigenen Praxis anwandte. Danach ließ er sich
1906 in eigener Praxis in der westpreußischen Stadt Bromberg nieder.
Die gut gehende Praxis ermöglichte ihm weitere Fortbildungsreisen nach Wien zu Salomon
Ehrmann (1854 – 1926), Chef der II. Syphilisabteilung am Wiener Universitäts-Klinikum,
der ein exzellenter Kenner von Klinik und Therapie der Lues war und dessen stets freundliches
und konziliantes Wesen Callomon beeindruckte.
Weitere Fortbildungsreisen führten ihn nach Rom und Padua.
Italien war seine große Liebe und er verbrachte viele Jahresurlaube mit seiner Frau
Margarete (genannt Dita[3]) und ihrem gemeinsamen Sohn Peter (etwa Jahrgang 1909) im Land seiner steten Sehnsucht,
wobei er größte Perfektion des Italienischen in Wort und Schrift erlangte.
So erinnerte sich Alfred Marchionini (1899 – 1965) an den gemeinsam besuchten Jahreskongress
der Italienischen Dermatologischen Gesellschaft, Ostern 1935 in Rom, an gemeinsame
Begegnungen, … „froh unserem nationalsozialistischen Gefängnis für kurze Zeit entronnen
zu sein!” Beide waren als Vortragende eingeladen worden. „Während Callomon den seinigen
mühelos in italienischer Sprache hielt, machte es mir – trotz meines italienischen
Namens – nicht geringe Schwierigkeiten.”
Callomon wurde auch hier von seiner Frau Dita und Sohn Peter begleitet.
Machionini: „Diese römischen Tage wurden uns unter der sachkundigen Führung des aus
einem reichen historischen und archäologischen Wissen schöpfenden Fritz Callomon zu
einem unvergesslichen Erlebnis der Antike und des frühen Mittelalters” [22].
Bromberg
Bromberg
1902 gründete Albert Neisser die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
(DGBG). Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit dem niedergelassenen Berliner Dermatologen
Alfred Blaschko (1858 – 1922). Neisser wurde zum ersten Vorsitzenden und Blaschko
zum Generalsekretär gewählt.
Die Vereinigung hatte es sich zum Ziel gesetzt, die Bevölkerung durch Vorträge, Schautafeln
und Merkblätter über die Gefahren von Syphilis und Gonorrhoe aufzuklären.
Dazu war die Schaffung eines breiten Netzes im Deutschen Reich erforderlich, unterstützt
durch die Mitgliedschaften von Ärzten, Lehrern, Frauenvereinen, staatlichen Institutionen
und der Kirchen, um gegen die bestehende Ignoranz und Prüderie anzukämpfen.
So kam es auch 1908 durch Callomon zur Gründung einer Ortsgruppe in Bromberg. Bromberg
war seit 1772 preußisch und hatte im Jahr 1900 47 000 und 1921 bereits 88 000 Einwohner.
Callomon war von 1908 – 1919 Vorsitzender der Bromberger Ortsgruppe der DGBG. Ihm
gelang es 1911, seinen früheren Chef Albert Neisser für einen Vortrag vor der Bevölkerung
in Bromberg zu gewinnen.
Callomon schrieb, sich an die Vorbereitungen zu diesem Vortrag erinnernd ([14], IV): „Man glaube es oder glaube es nicht, noch zu dieser Zeit konnte es schwierig
sein, von den maßgeblichen Instanzen auch nur die Überlassung eines geeigneten Vortragssaals
für ein derartiges Verhandlungsthema zu erreichen – obendrein in einer geistig so
regen Mittelstadt wie Bromberg, einer Pflanzstätte deutscher Kultur in der Ostmark.
Es war immerhin schon ein Fortschritt, in Kreisen der Gesellschaft überhaupt frei
und unbefangen über so ‚heikle’ Dinge sprechen zu können.”
Hunderte Zuhörer hatten sich eingefunden, um Neisser, einen mitreißenden Redner, zu
hören.
Callomon hierzu: „Wer die klinischen Vorlesungen Albert Neissers Jahre hindurch besucht
hatte, der kannte die Anziehungskraft seiner Rede, sein feuriges Temperament und das
Natürliche, Unverfälschte seines Ausdrucks. Die Frische seines Vortrags hielt die
Spannung der Hörer bis zuletzt aufrecht” ([14], IV).
Und das, obwohl Neisser bei seiner Ankunft in Bromberg mit Callomon über seine momentanen
Nierenschmerzen mit Harngrießabgang bei bestehender Gicht und schwerem Diabetes mellitus
gesprochen hatte.
XI. DDG-Kongress
XI. DDG-Kongress
Eingehend, wie ein Chronist des Augenblicks, erzählt Callomon in der Rubrik „Erlebte
Geschichte der Dermatologie” ([14], III) über den XI. DDG-Kongress 19. – 25. 9. 1913 in Wien, wobei Callomons phänomenales
Gedächtnis für ein Ereignis, das vor 50 Jahren stattfand, tief beeindruckt: „Nur einer
begrenzten Anzahl der Kongressmitglieder war es vergönnt, diesem Empfang beizuwohnen.
An einem den Treppenaufgang flankierenden Spalier ungarischer Leibgardisten entlang,
stiegen die Eingeladenen zum großen Audienzsaal empor, um dort im Vorraum vom K.K.
Hofmarschall empfangen und über das innezuhaltende Zeremoniell belehrt zu werden:
über Art und Tiefe der Verneigung und die Bereitschaftshaltung, bis sich nach dreimaligem
Klopfzeichen mit dem Marschallstab die Flügeltüren öffneten, um als Vertreter des
greisen Kaisers den jungen Erzherzog Karl mit seinen Begleitern eintreten zu lassen.
Nach der allgemeinen Begrüßung wurden die Spitzen der dem Kongress beiwohnenden Berühmtheiten
in privater Audienz empfangen.”
Abschließend fasst Callomon zukunftsweisend das Ergebnis des Wiener Kongresses zusammen:
„Der glänzende Verlauf des unter der Präsidentschaft Gustav Riehls stattfindenden
Wiener Kongresses ließ nicht ahnen, wie bald die lange Periode ungestörter friedvoller
Fortentwicklung der Dermatologie durch die nahende Weltkatastrophe abgebrochen werden
sollte. Gerade das letzte Jahrzehnt vor dem Weltkrieg hatte die großen Entdeckungen
erbracht, die den Forscher vor ganz neue Probleme und Forschungsziele stellten.
Noch begegneten sich in Wien hochangesehene Vertreter der alten Hebraschen Schule,
die bis über die Jahrhundertwende hinaus eine Vorrangstellung in der Dermatologie
der Welt einnahm, mit Vertretern der mehr und mehr an Einfluss und Zahl gewinnenden
‚Neisserschen Schule’. Derjenige, der Albert Neisser zu seinen Lehrern und Förderern
rechnen durfte, konnte sich aus eigener Anschauung ein Bild von der als Lehrer und
Forscher gleich imponierenden Persönlichkeit des Breslauer Universitätslehrers machen
und zugleich auch ein Bild von der Anziehungskraft seiner Klinik als einer Forschungs-
und Fortbildungszentrale für inländische und ausländische Dermatologen. Inzwischen
hatten auch die Emissäre der Lesserschen Hautklinik in Berlin (wie E. Hoffmann, A.
Buschke, C. Bruhns) zur Weltgeltung der deutschen Dermatologie beigetragen.
Doch wo immer zu jener Zeit am Ausbau einer zeitgemäßen Dermatologie gearbeitet wurde,
allenthalben waren die neu erwachsenden Fragestellungen mit allen modernen Hilfsmitteln
aufgegriffen worden. Das Gesamtbild dieser Periode wetteifernden Vorwärtsstrebens
ließ deutlich die allmähliche Verschmelzung der Forschungsrichtungen und -ziele erkennen,
und dies auch noch in der Zeit, als das Wetterleuchten am weltpolitischen Horizont
das nahende Unheil bereits angekündigt hatte und der Ruf zu den Waffen die Arbeitsplätze
zu leeren begann.”
Doch noch herrschte Frieden in Europa.
Callomon verehrte Albert Neisser, in dem er einen väterlichen Freund (21 Jahre älter)
sah und der sicher vorbildhaft Fachliches, Kunst, Literatur und Musik betreffend,
auf den jungen Callomon wirkte.
Bis zum Tode seiner geliebten Frau Toni 1913, die mit Neisser Forschungsreisen in
die Tropen (Batavia) unternommen hatte, führten die Neissers ein weltoffenes, gastfreundliches
Haus.
In der prachtvollen Villa waren „Männer wie Gerhart und Karl Hauptmann, Richard Strauß,
Gustav Mahler, die Gebrüder Erler” ([14], IV), aber auch junge Assistenten und Studenten zu Gast. An den Wänden hingen Bilder
von Thomas Segantini, Böcklin, Spiro und der Brüder Erler.
Neisser war ein Kunstmäzen, der großzügig notleidende Künstler finanziell förderte,
und selbst ein großer Klaviervirtuose, dessen Vortrag Wagner'scher Musik nicht nur
Fritz Callomon entzückte.
Durch den Tod von Frau Neisser war es nun stiller geworden in Neissers Heim. Ihm blieben
nur noch drei Jahre bis zu seinem Tode.
Der 1. Weltkrieg
Der 1. Weltkrieg
Als der 1. Weltkrieg im August 1914 ausbrach, stellte sich Albert Neisser sofort der
obersten Heeresleitung als dermatovenerologischer Berater zur Verfügung. Trotz seiner
Krankheiten scheute er keine Reisen mit den damit verbundenen Strapazen. Auf der Rückreise
von einer Konferenz in Brüssel befielen ihn wieder qualvolle Nierenkoliken, sodass
er sich in Berlin einer Lithotripsie unterziehen musste. Trotz Warnung des behandelnden
Urologen trat Neisser zu früh die Heimreise nach Breslau an, wo er am 30. Januar 1916
an einer schweren Sekundärinfektion verstarb.
„Der Breslauer”, wie Callomon sich selbst apostrophierte, schrieb in seinen Erinnerungen
([14], IV) über Neisser: „Er liebte seine Heimat Schlesien und deren Haupt- und Universitätsstadt
Breslau, die altertümliche Stadt an der Oder.”
Auch Fritz Callomon, zu Kriegsbeginn 38 Jahre alt, wurde als Reserveoffizier Leitender
Arzt der Fachabteilung für Hautkranke im Reservelazarett Bromberg.
1917 veröffentlichte er in der Dermatologischen Zeitschrift [7] seine bedeutende Arbeit über „Hauttuberkulose und Tuberkulide bei Heeresangehörigen”.
Sie war das Ergebnis einer zweieinhalbjährigen Untersuchung an „beobachtetem dermatologischem
Soldatenmaterial” (ca. 550 – 600 stationäre und ambulante Fälle). Nur 1,5 % seiner
Patienten waren an echter Hauttuberkulose oder Tuberkuliden erkrankt. Drei kasuistisch
besonders wertvolle Fälle werden minutiös geschildert.
Auch aus seiner Praxiszeit vor dem Kriege sind mehrere Arbeiten bekannt, so die „Röntgenbehandlung
der Epitheliome” [4], in der er eingehend technische Details der damaligen Röntgentherapie erörterte.
Ausführlich nahm er auch zur Klinik und Therapie der „Induratio penis plastica” [5] anhand von sechs Fallbeispielen Stellung.
Hervorzuheben sind auch zwei Vorträge, die Callomon 1910 in Königsberg bei den Verhandlungen
der Gesellschaft der Naturforscher und Ärzte hielt.
-
„Ein Fall von Epidermolysis bullosa hereditaria Hallopeau” [3] bei einem 14-jährigen Jungen.
-
„Essentielle Schrumpfung der Schleimhäute mit Blasenbildung einhergehend” [3]. Casus pro diagnosi bei einer 35-jährigen Frau, die an Blasenbildungen mit Schrumpfungen
im Augen- und Mundhöhlenbereich litt.
Nach dem für das Deutsche Reich und seine Verbündeten verlorenen Krieg folgte am 28. 6. 1919
die Unterzeichnung des Versailler Vertrages, in dem dem wiedererstandenen polnischen
Staat die beiden preußischen Provinzen Posen und Westpreußen zugesprochen wurden.
Bereits vorher kam es zu schlimmen Ausschreitungen zwischen nationalistisch-chauvinistischen
deutschen und polnischen Gruppierungen mit vielen Toten besonders in und um Bromberg.
So geschah es, dass Callomon, „der ein begeisterter Deutscher war”, wie Erich Langer
(1891 – 1957) in seiner Laudatio für Callomon schrieb [20], ablehnte, polnischer Staatsbürger zu werden, und daher schweren Herzens Bromberg
verließ. Lebten 1913 in Bromberg 71 % Deutsche, so waren es 1921 noch 27 %!
Dessau
Dessau
In Dessau fanden die Callomons 1920 eine neue Heimat. Dessau gefiel ihnen, es war
eine schöne kleine Residenzstadt mit damals 75 000 Einwohnern an Mulde/Elbe gelegen,
umgeben von der Mosigkauer Heide mit ausgedehnten Auenwäldern, dem Wörlitzer Gartenreich
und dem bedeutenden Friedrich-Theater, das allerdings 1922 abbrannte. Aber Dessau
hatte keinen Hautarzt!
So bot sich Fritz Callomon hier ein großes, bisher dermatologisch „unbeackertes” Wirkungsfeld.
Im Oktober 1920 eröffnete er im 2. Stock der Albrechtstraße 21, im Norden Dessaus,
seine Facharztpraxis ([Abb. 2]).
Abb. 2 Callomons Privatwohnung und Praxis in der Dessauer Albrechtstraße 21.
Im „Volksblatt für Anhalt, Organ zur Wahrung der Interessen des arbeitenden Volkes”
war am 19. 10. 1920 folgende Annonce zu lesen: „Nach 17 œ-jähriger fachärztlicher
Tätigkeit in Bromberg infolge der politischen Umgestaltung zur Auswanderung genötigt,
habe ich mich hierselbst Albrechtstraße 21 II (am Funkplatz) niedergelassen und halte
Sprechstunde vormittags von 11 bis 1 Uhr und nachmittags 4 bis 6 Uhr.
Dr. med. Fritz Callomon, Facharzt für Haut- und Geschlechtsleiden, Licht- und Röntgenbehandlung.
Tel. 1432 (angem.).”
Ab 1928 praktizierte er zusätzlich sonnabends von 9 bis 13 Uhr.
Neben der täglich sehr gut frequentierten Praxis arbeitete Callomon auch weiterhin
wissenschaftlich. Außerdem gründete er, wie schon in Bromberg, eine Ortsgruppe der
DGBG und „verfasste eine Flugschrift … über ‚Ansteckende und nicht ansteckende Geschlechtskrankheiten,
ihre Erkennung und Unterscheidung’” [20].
So schrieb er 1920, also 10 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung über Induratio
penis plastica in der Berliner Klinischen Wochenschrift in der Autorzeile: „Dr. Fritz
Callomon, früher Bromberg, jetzt Dessau i. A.”
Im Text dieser Arbeit heißt es: „Sieben weitere Beobachtungen kann ich den früheren
angliedern und ein über 17 Jahre verteiltes Material von 13 Fällen überblicken” [8].
Außer einer seltenen Spontanheilung sei die Therapie auch mit Röntgenbestrahlung oder
chirurgischen Exstirpationen der Verhärtungen unbefriedigend.
Im April 1923 veröffentlichte Callomon den Beitrag „Zur Kenntnis der Keratodermia
maculosa disseminata symmetrica et plantaris” [10].
1924 erschien im Georg Thieme Verlag Leipzig sein wohl bekanntestes Werk „Die nichtvenerischen
Genitalerkrankungen” (160 Seiten, 54 Abb., 236 Literaturnachweise) [9].
Es war ein vom praktizierenden Dermatologen für die Bedürfnisse des Praktikers – „nicht
für Studierende” – verfasstes Buch, wie Callomon in seinem Vorwort betonte. Dieses
„Lehrbuch für Ärzte” wurde ein „Renner”, sodass 1928 eine 2. erweiterte Auflage (204
Seiten) erforderlich wurde. Außerdem folgten eine italienische Übersetzung von Monacelli,
eine spanische von Gay Prieto sowie eine russische Ausgabe.
Oscar Gans, Frankfurt a. Main, schrieb in seiner Laudatio zum 75. Geburtstag Callomons:
„Das Werk steht heute noch auf dem Bücherstand zu meiner Linken neben meinem Schreibtisch,
jederzeit greifbar und es wird ihn freuen zu lesen, dass es mich, wenn ich dort Rat
suchte, noch nie im Stich gelassen hat” [16].
1956 erschien in Berkeley, Calif., eine wesentlich erweiterte englische Ausgabe seines
Buches von 1924 und 1928 in Koautorenschaft mit seinem Freund J. F. Wilson. Titel:
„The Nonvenereal Diseases oft the Genitals” (362 Seiten, 150 Abb., Springfield, Illinois,
1956).
Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft
Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft
Mit dem Machtantritt der Nazis war es mit dem friedlichen Miteinander vorbei. Besonders
die Deutschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung hatten mehr und mehr unter
den hasserfüllten Bösartigkeiten dieses Regimes zu leiden. Dies betraf auch die Familie
Callomon.
Von Juli 1928 bis Februar 1934 war Callomon mit Ernst Delbanco und Paul Unna Jr. Herausgeber
der „Dermatologischen Wochenschrift”. Hierin versah er als Redakteur den Referateteil
der Zeitschrift. Eine mühselige Arbeit, die damals enorm anwachsende Literatur zu
sichten und diese in eine rasch verständliche, komprimierte Fassung zu bringen, die
die Leser über das aktuell Wichtigste unseres Faches informierte.
In der von ihm geschaffenen Rubrik „Umfragen” hatten die Leser Gelegenheit, sich zu
Fragen, die sich aus den veröffentlichten Arbeiten ergaben, kritisch und hinterfragend
zu äußern.
Damit war es 1934 vorbei, indem die Nazis die drei bewährten Herausgeber aus dieser
Funktion entfernten.
Gleiches geschah Callomon, der seit 1903 Mitglied der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft
(DDG) war und seit 1908 der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
(DGBG) als erweitertes Vorstandmitglied angehörte. Er wurde 1934 zum Austritt aus
diesen Gesellschaften gezwungen.
1925 war der gebürtige Straßburger Hermann Reß (er schrieb sich später Ress), ein
Schüler Hans Wilhelm Hübners aus Wuppertal-Elberfeld, nach Dessau gekommen. Er war
der zweite Dermatologe, der in der Antoinettenstraße 24, im Dessauer Zentrum, seine
Praxis eröffnete ([Abb. 3]). Die Privatwohnung war in der Antoinettenstraße 18.
Abb. 3 Praxishaus von H. Reß seit 1925, heute im Verfall.
Bereits am 1. April 1933, also zwei Monate nach Hitlers Machtantritt, wurde im Deutschen
Reich durch die NSDAP ein Boykott jüdischer Geschäfte, bei Anwälten und Ärzten durchgeführt.
So lautete die Schlagzeile im „Anhalter Anzeiger” vom 1. 4. 1933: „Boykott zunächst
nur heute!” Auch wurden Praxisschilder mit der Aufschrift „Achtung Jude! Besuch verboten”
überklebt ([Abb. 4]). Auf diese Weise wurde bereits ab 1933 die deutsche Bevölkerung massiv, besonders
durch die SA, eingeschüchtert, die Praxis ihres vertrauten Arztes aufzusuchen.
Abb. 4 Überklebte Arztschilder am „Tag des Judenboykotts” vom 1. 4. 1933.
Dadurch bedingt, verlegte Callomon noch 1933 seine Praxis in die Antoinettenstraße
34. In der Albrechtstraße 21 behielt er seine Privatwohnung. Aus Sicherheitsgründen
wollte er Familie und Praxis trennen.
In der Antoinettenstraße praktizierten damals derart viele Ärzte, sodass diese im
Dessauer Volksmund süffisant als „Kurpfuscherallee” apostrophiert wurde. Obwohl Callomon
und Reß, nur durch vier Häuser getrennt, nun „Konkurrenten” waren, verstanden sich
beide gut, Reß [18] fragte den älteren und erfahrenen Callomon mitunter um Rat, wie mir mein früherer
Chef H. Ress versicherte.
Unter den damaligen unrechtsstaatlichen Verhältnissen hielt sich nach außen ihre interkollegiale
Kommunikation in Grenzen, ein Zuviel hätte beide gefährdet.
Bereits am 14. 11. 1934 erschien in der Tageszeitung „Der Mitteldeutsche. Amtliches
Organ der NSDAP” ein infamer Artikel mit der Überschrift:
„In ihrem eigenen Interesse
Allen Dessauer, Zerbster und Köthener Volksgenossen wird das kürzlich in unserer Nachbarstadt
Magdeburg bekannt gewordene schamlose Treiben des jüdischen Rechtsanwaltes Spanier
noch gut im Gedächtnis sein.
Dieser skandalöse Fall hat begreiflicherweise auch unter unseren Volksgenossen große
Erregung und Empörung wachgerufen. Um der Bevölkerung die notwendige und auch weitesten
Kreisen gewünschte Aufklärung zu geben, teilen wir untenstehend die jüdischen Ärzte
in den genannten Kreisen mit. Uns liegt es fern, die jüdischen Ärzte irgendwie zu
schädigen, wir möchten Sie nur davor bewahren, daß ein Gojim in ihre Hände läuft.”
Daran anschließend folgt die „Liste der jüdischen Kassenärzte”. Unter ihnen Fritz
Callomon (s. [Abb. 5]).
Abb. 5 Zeitungsausschnitt vom 14. 11. 1934.
Dies war der zweite schwere Affront gegen die jüdische Ärzteschaft. Man wollte die
jüdischen Ärzte nicht schädigen, lediglich „nur davor bewahren, dass ein Gojim (hebr. = Nichtjude)
in ihre Hände läuft”, d. h. behandelt keine Nichtjuden, ergo keine deutschen „Volksgenossen”
mehr. Auch Sohn Peter Callomon wurde in den Erinnerungen von Frédéric Bruck (Roßlau)
als dessen Mitschüler erwähnt: „In Dessau besuchte ich ab 1914 12 Jahre die Schule,
erst die Vorschule, dann das Friedrichsgymnasium. Zu meinen Klassenkameraden gehörte
u. a. der Sohn des jüdischen Arztes Dr. Callomon. Die Familie wohnte in der Albrechtstraße
21. Die Arztpraxis befand sich in der Antoinettenstraße 34. Er war sehr religiös erzogen
und hatte oft unter antisemitischen Anfeindungen seiner Mitschüler zu leiden” [21].
Weitere Schikanen
Weitere Schikanen
Durch die Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz waren bereits am 25. Juli 1938
die Approbationen jüdischer Ärzte mit Wirkung ab 30. September 1938 gelöscht worden.
Damit durfte ein jüdischer Arzt, abgesehen von seiner Frau und seinen ehelichen Kindern,
nur noch jüdische Patienten behandeln.
1933 gab es etwa 400 Juden in Dessau, deren Zahl sich bereits 1938 halbiert hatte!
Mit dem Entzug der ärztlichen Approbation wurde den jüdischen Kolleginnen und Kollegen
die Existenzgrundlage brutal zerstört.
Die permanente Einschüchterung der Bevölkerung hatte die Patientenzahlen drastisch
zurückgehen lassen.
Die Situation wurde im November 1938 durch die sog. „Reichskristallnacht”, dem schlimmsten
Pogrom gegen Juden in ganz Deutschland, weiter verschärft.
„Anlass” dafür war das Attentat auf den deutschen Legationssekretär Ernst vom Rath
in Paris, der durch den 17-jährigen Juden Herschel Grünspan niedergeschossen worden
war, der auf diese Weise gegen die Deportation seiner Eltern nach Polen protestierte.
Zeitgleich veröffentlichte die Tageszeitung „Der Mitteldeutsche” am 9. 11. 1938 (!)
eine Auflistung der noch in Dessau lebenden Juden.
Genannt werden hier auch: „Margarete Callomon, geb. Mazur, Albrechtstraße 21
Dr. Fritz Callomon, Albrechtstraße 21”.
Der Sohn Peter war nicht aufgeführt, da er als etwa 29-jähriger nicht mehr im elterlichen
Hause lebte.
Bereits einen Tag später erschien in der gleichen Zeitung ein unglaublicher Hetzartikel
mit der Überschrift „Demonstrationen gegen Juden in Dessau” vom 10. 11. 1938.
Hier zwei Auszüge:
„… gegen die jüdischen Geschäfte vor. Die Schaufensterscheiben der jüdischen Geschäfte
wurden zertrümmert, und es kam zu erbitterten, spontanen Kundgebungen gegen die Juden.
Der Hauptzorn der Massen richtete sich gegen das Wahrzeichen der Juden, gegen die
Synagoge. Man warf die Fensterscheiben ein und stürmte diese Zentrale jüdischer Gesinnungslosigkeit.
Hier wurden immer wieder den Juden ihre ‚heiligen’ Aufgaben vorgehalten, die einzig
und allein darin bestanden, das deutsche Volk zu bekämpfen. Hier wurde ihnen das hinterlistige
Rüstzeug zu diesem Kampfe gegeben. Es war deshalb zu verstehen, daß hier gerade der
volle Zorn zum Ausbruch kam.
Nachdem nun das Innere zum Teil verbrannt ist, brauchen wir jetzt endlich keine Rücksicht
mehr auf dieses dunkle Gebäude nehmen. Es war ja schon immer ein Hindernis für den
Verkehr, für die große Reform, die unserer Gaustadt im Hinblick auf die Verkehrsachsen
ein neues Bild geben soll. Es ist darum nur wünschenswert, wenn das jedem Deutschen
ins Gesicht schlagende jüdische Denkmal verschwindet …”
„Alle Hetze, alle Sabotage gegen das neue Deutschland geht auf ihre Rechnung. Fünf
Jahre nach der Machtübernahme haben die Judenzentralen, wie jetzt durch Beweisstücke
immer wieder nachgewiesen werden kann, immer noch alles versucht, das Deutschland
wieder zu vernichten. Sie haben in Verbindung gestanden mit ihren Brüdern im Ausland,
haben ihnen Material gegeben, haben ihnen Richtlinien gegeben. Das ist nun zu Ende.
Sie haben das ihnen noch duldungsweise überlassene Gastrecht mißbraucht, haben deutsche
Frauen geschändet, haben ihr verbrecherisches Treiben nicht eingestellt.
Davon haben sich auch unsere Dessauer Juden nicht ausgeschlossen. Unter der Maske
des unschuldigen Biedermannes haben sie alle ‚ehrenamtlich’ an ihrer heiligen Aufgabe
gearbeitet. Die Verbindungslinien laufen auch nach Dessau.
Darum ist die Empörung aller deutschblütigen Menschen zu verstehen, und die Juden
haben kein Recht, sich zu beschweren, weil ihnen vielleicht ein Unrecht geschehen
sei. Es war die Antwort des Volkes auf die Mordtat, das letzte Stück, was sie sich
leisteten.
Deshalb billigen wir dennoch nicht jede Haltung und Handlung. Der stellvertretende
Gauleiter Trautmann wies gestern in seiner Rede auf dem Markplatz schon darauf hin,
daß wir keine Plünderer und Anarchisten sind. Wir fordern strenge Disziplin, so sagte
er, und Vergehen gegen diese nationalsozialistischen Gesetze werden scharf geahndet
werden.
Wir hoffen nur abschließend, daß sich nun endgültig die Juden auf ihrem Wanderungszug
nach Beute weiter besinnen. Wir wollen auch keine Denkmäler jüdischer Gesinnung mehr
in der Gaustadt sehen. Das deutsche Volk hat die Segnungen dieser Rasse zu sehr am
eigenen Leibe gespürt, als daß es sich danach sehnt, weiter von ihnen bedacht zu werden.”
Nach diesen Hasstiraden und brachialer Brutalität, die in der Vernichtung ihrer Dessauer
Synagoge gipfelte, mussten die Callomons und die anderen Dessauer Juden (1938 gab
es noch 200) um ihr Leben fürchten. Damit wurde Dita und Fritz Callomon ein weiteres
Bleiben in dieser Stadt, in der sie sich wohlgefühlt hatten, unmöglich gemacht. Neben
seiner täglichen Praxisarbeit hatte er ein achtungsvolles Oeuvre aufzuweisen, wie
die 1927 und 1929 verfassten Beiträge im Jadassohn'schen Handbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten
[19] zeigten. Nach Bromberg musste er nun zum zweiten Male die geliebte Wahlheimat verlassen.
Und das geschah hier explizit einem Kollegen, der deutschnational dachte, dem Vaterland
im 1. Weltkrieg von 1914 – 1918 als Reserveoffizier treu gedient hatte, der sich durch
sein wohlwollendes, bescheidenes und liebenswürdiges Wesen auszeichnete und der eine
hochgebildete, gelehrte und angesehene Persönlichkeit war.
Dieser Mann musste nun Ende 1938 vor der SA und einem wildgewordenen Mob mit seiner
Frau fliehen, weil er ein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens war.
Wie sein jüngerer Freund Oscar Gans mitteilte [17], zog er mit seiner Frau nach Berlin und betrieb dort seine Auswanderung nach den
USA. Erich Langer schrieb, dass er „nach einer kurzen Zwischentätigkeit in Berlin
dann nach Philadelphia” ging [20].
Neuanfang
Neuanfang
Obwohl der 2. Weltkrieg am 1. September 1939 begonnen hatte, gelang den Callomons
im März 1940 eine Schiffspassage in die noch neutralen Vereinigten Staaten.
So entgingen Callomon und seine Familie dem Schlimmsten, der endgültigen Vernichtung,
wie durch ein Wunder [17].
In Philadelphia, Pens., fanden Callomons für mindestens 12 Jahre eine neue Heimat.
Philadelphia, 1940 eine 3-Millionen-Stadt, hatte mit den Stadtteilen Frankford und
Germantown Zentren für die Deutschamerikaner. Hier traf Callomon Fachkollegen, die
vor ihm den Weg nach Amerika gegangen waren, ihn berieten und großzügig halfen, wieder
Fuß zu fassen. Da Callomon sehr sprachbegabt war, fand er sich sehr bald im amerikanischen
Englisch zurecht und schaffte 64-jährig (!) mit Bravour seine Integration in die ihm
völlig „Neue Welt”, in der er sich noch einmal einen Arbeitsplatz aufbauen konnte.
Er widmete sich ausschließlich experimentellen Arbeiten auf chemotherapeutischem Gebiet
– besonders in der Tuberkuloseforschung. Die Ergebnisse seiner Arbeiten wurden in
den führenden amerikanischen Fachzeitschriften veröffentlicht, teilweise in Zusammenhang
mit J. A. Kohner und anderen prominenten Forschern, sodass der Name Callomon nach
mehreren Jahren in der amerikanischen Dermatologie wieder zu einem Begriff geworden
war [17].
Bereits im Mai 1941 nahm Callomon am Jahrestreffen der American Medical Association
in Cleveland, Ohio, teil und hier fasste er den Gedanken, sich näher mit der Geschichte
der amerikanischen Dermatologie zu befassen. Ab 1946 nahm er wieder Verbindung zu
Kollegen und Freunden in Deutschland auf (O. Gans). Die Ostküste mit ihrer massierten
Konzentration von Großstädten wie Boston, New York, Baltimore und Philadelphia war
„zu stressig” für das ältere Ehepaar, sodass es sich doch mehr zur Westküste, nach
Kalifornien, hingezogen fühlte.
Berkeley/Calif.
Berkeley/Calif.
Berkeley, zwischen Richmond und Oakland am Ostufer der San Francisco-Bucht gelegen,
wurde Callomons endgültiger Alterssitz ([Abb. 7]).
Das hügelige Land, Berkeley mit damals etwa 100 000 Einwohnern, seinem warmen angenehmen
Klima, der kühlen Meeresluft, das sagte ihnen zu.
Hier eröffnete Callomon noch einmal in der Shattuck Avenue eine Privatpraxis. In räumlicher
Nähe hatte er die Staatsuniversität in Berkeley und die Standford Universität in Palo
Alto. Mit Eugene Farber, dem Direktor der Hautklinik an der Standford Universität,
war er befreundet und besuchte regelmäßig die Meetings des dortigen Mitarbeiterstabes
und vermittelte den jüngeren Kollegen seine langjährigen Erfahrungen ([Abb. 6]).
Auch nahm er stets an den Tagungen der Dermatologischen Gesellschaft San Franciscos,
deren Ehrenmitglied er war, teil.
Abb. 6 Fritz Callomon, etwa 75-jährig.
Abb. 7 Lageplan von Berkeley/San Rafael.
Zu Besuch in Deutschland
Zu Besuch in Deutschland
1957 war Callomon mit seiner Frau in München bei Marchionini zu Gast. Hier vereinbarten
beide, dass Callomon regelmäßig im „Hautarzt” über das amerikanische aktuelle Schrifttum
berichten wird. Für Frau Callomon war es der letzte Besuch in Deutschland, denn 1958
starb sie an einem Herzinfarkt, sodass der damals 82-Jährige fortan allein in seiner
Wohnung lebte und sich völlig der dermatologischen Wissenschaft ergab, aber auch eine
Arbeit über die unveröffentlichten Briefe von Johannes Brahms für das „Musical Quarterly”
verfasste [15].
Neue Arbeitsfelder
Neue Arbeitsfelder
1959 trafen sich Callomon und Marchionini auf der XI. Tagung der Pacific Dermatological
Association in Carmel, Calif., wieder, auf der Callomon einer der gefeierten Ehrengäste
war ([Abb. 8]).
Callomon erklärte sich bei diesem Wiedersehen bereit, am Ergänzungswerk zum Jadassohn'schen
Handbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten die von ihm 1927 und 1929 verfassten
Beiträge [19] zu aktualisieren.
Abb. 8 Teilnehmergruppe des XI. Kongresses der Pacific Dermatologic Association in Carmel,
Californien. Von links nach rechts: Prof. Louis H. Winer, Beverly Hills, der neu gewählte
Präsident der Gesellschaft: Dr. Fritz T. Callomon, Berkeley, Prof. A. Marchionini,
München, Prof. Thomas H. Sternberg, Los Angeles, und Prof. G. Asboe-Hansen, Kopenhagen.
Herausgeber des Ergänzungswerkes war Alfred Marchionini.
Von 1957–1963 schrieb Callomon mit enormem Fleiß im „Hautarzt” [13] die Berichte über „Neuere Arbeiten des amerikanischen Schrifttums”.
Er tat dies mit der gleichen Hingabe und Prägnanz wie früher (bis 1934) als Mitherausgeber
der „Dermatologischen Wochenschrift”.
Marchionini konnte ihn 1962 auf dem XII. Internationalen Dermatologen-Kongress in
Washington wiederum mit Erfolg bitten, eine neu zu schaffende Rubrik „Erlebte Geschichte
der Dermatologie” für den „Hautarzt” mit Leben zu erfüllen.
So schilderte er aufgrund seines phänomenalen Gedächtnisses im Teil I die 82. Versammlung
Deutscher Naturforscher und Ärzte 1910 in Königsberg über das Mittel 606 zur Therapie
der Syphilis und über seinen Entdecker Paul Ehrlich. In Teil II schreibt er über seinen
Freund Johann Heinrich Rille (Leipzig), der 1956 93-jährig völlig erblindet starb.
Im Teil III beschreibt er den XI. Kongress der DDG in Wien im September 1913. Den
Teil IV widmet er seinem Lehrer Albert Neisser [14].
Die Anzahl der von ihm in Deutschland verfassten Arbeiten wird auf 65 geschätzt. In
den 24 Jahren, die Callomon in den USA lebte, hat er auch fleißig publiziert.
E. M. Farber [15] schrieb zu Callomons 85. Geburtstag, dass er zwar nicht mehr in seiner Privatpraxis
tätig sei, aber sich seit Jahren mit allen neuen Publikationen beschäftigt und „noch
aktiv, wissensdurstig – rerum novarum cupidus” sei ([Abb. 9]).
Abb. 9 F. Callomon, 85-jährig.
Schließlich war aber doch die Lebensuhr dieses außergewöhnlichen Mannes abgelaufen.
Am 15. September 1964 starb Fritz Callomon im Alter von 88 Jahren an einer „cerebralen
Thrombose” in San Rafael, einem kleinen Ort gegenüber von Berkeley, getrennt voneinander
durch die San Francisco-Bucht.
Marchionini stellte am Ende seines Nachrufes [22] bedauernd fest: „Trotz seiner umfangreichen wissenschaftlichen Tätigkeit wurde Callomon
niemals ein Lehramt oder auch nur die Leitung einer Städtischen Klinik übertragen.
Er hatte somit keine Gelegenheit, eine eigene Arbeitsgruppe oder eine Schule zu bilden.
Dennoch trauert um Callomon, der sich um die Dermatologie wahrhaft verdient gemacht
hat, eine große Gemeinde von Freunden und Kollegen in seiner alten und neuen Heimat.
Sie beklagt zutiefst den Verlust einer hochgebildeten und gelehrten Persönlichkeit
und eines noblen, liebenswerten und lauteren Mannes.”