Die Häufigkeit von Lippen- und Gaumenspalten liegt bei etwa 1:2000 Geburten [1], dabei hat die submuköse Gaumenspalte (SMGS) einen Anteil von 5-10%. Sie ist durch
die in der Mittellinie unverbundene und somit nicht funktionsfähige Weichgaumenmuskulatur
gekennzeichnet. Die isolierte Spaltung des Zäpfchens hingegen ist für die Weichgaumenfunktion
funktionell bedeutungslos. Bagatin [2] fand unter 9720 6-13-jährigen Schülern 5 Kinder mit einer SMGS, während sich ein
isoliert gespaltenes Zäpfchen ohne gleichzeitige Gaumenspalte 232-mal fand.
Zu den 3 typischen Symptomen gehören
-
das gespaltene Zäpfchen (eine verdeckte Gaumenspalte kann aber auch bei nicht gespaltenem
Zäpfchen vorliegen),
-
die tastbare muskuläre Spaltbildung am weichen Gaumen und
-
?das nicht vorhandene knöcherne hintere Ende des Nasenbeins mit stattdessen tastbarer
V-förmige Kerbe am Hinterrand des harten Gaumens [3].
Bei breiter SMGS kann die Schleimhaut über dem muskulären Defekt in der Mittellinie
direkt aufeinander liegen und so den Eindruck einer transparenten Zone hervorrufen
(Abb. [1]).
Abb. 1 Man sieht das gespaltene Zäpfchen in Gaumenmitte und die durch die intakte
Schleimhaut durchschimmernde Spaltbildung der Weichgaumenmuskulatur (aus [4]
).
Klinische Symptome
Klinische Symptome
Durch die in der Mittellinie nicht vereinigten Muskeln des Weichgaumens kommt es zu
einer unzureichenden Hebung des weichen Gaumens. Symptome einer Gaumenschwäche sind:
-
Austreten von Flüssigkeiten beim Trinken oder Erbrechen durch die Nase,
-
offenes Näseln,
-
chronische Mittelohrbelüftungsstörung mit Paukenerguss und Hörminderung.
Häufig verstärkt sich das offene Näseln nach HNO-ärztlichen Eingriffen wie der Entfernung
der Rachen- oder Gaumenmandeln, da sich dadurch die Durchstromöffnung zur Nase vergrößert.
Drei Studien der letzten 20 Jahren [5], [6], [7] belegen, dass viele Kinder mit SMGS bis heute nicht rechtzeitig behandelt werden
(das mittlere Diagnosealter liegt nach wie vor bei knapp 5 Jahren). Der operative
Gaumenverschluss sollte zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat erfolgen [8], [9], denn früh versorgte Kinder haben eine bessere Hörfähigkeit und somit auch bessere
Voraussetzungen für den Spracherwerb [10].
Therapie der verdeckten Gaumenspalte (Gaumenspaltplastik)
Therapie der verdeckten Gaumenspalte (Gaumenspaltplastik)
Bei der SMGS wird die Gaumenspaltplastik zur Vereinigung der Muskulatur, der Beseitigung
des gespaltenen Zäpfchens und der Verlängerung des Gaumens nach hinten (bis zu 1cm)
durchgeführt. Der zwar nicht gespaltene, aber von Geburt an zu kurze Gaumen hat als
sog. "Minimalform" einer SMGS funktionell dieselben Auswirkungen. Dabei wird der weiche
Gaumen ebenfalls operativ gestrafft und nach hinten verlängert, um so einen vollständigen
Abschluss zwischen Rachen und Gaumen zur Nase hin zu erreichen [7]-[9].
Wann empfiehlt man eine Velopharyngoplastik?
Wann empfiehlt man eine Velopharyngoplastik?
Wenn eine logopädische Behandlung nach dem Gaumenspaltverschluss nicht ausreicht,
um das noch bestehende offene NäNäseln zu beseitigen, wird der Rachen zusätzlich plastisch
chirurgisch verengt (Velopharyngoplastik). So kann der weiche Gaumen sehr weit nach
oben verlängert werden. Leider führt dieses teilweise Vernähen der Weichgaumenmuskulatur
häufig zu einer Verstärkung von Ohrproblemen, so dass dieser Eingriff sorgfältig überlegt
werden muss. Bei stark vergrößerten Gaumenmandeln können die Länge und Beweglichkeit
des Weichgaumens meist nicht zuverlässig beurteilt werden. Vor allem bei gleichzeitig
gespaltenem Zäpfchen muss bedacht werden, dass es nach der Gaumenmandelentfernung
zu einer Gaumenschwäche kommen kann, welche ggf. einer weitergehenden logopädischen
oder operativen Behandlung bedarf.
Fazit
Fazit
Die SMGS und der angeborene zu kurze Gaumen machen sich klinisch durch ein offenes
Näseln, den Austritt von Flüssigkeiten beim Trinken aus der Nase und chronische Paukenergüsse
bemerkbar. Die Therapie der Wahl ist die Gaumenspaltplastik im 12.-18. Lebensmonat.
Symptome können sich nach HNO-ärztlichen Eingriffen an den Gaumen- und der Rachenmandel
verstärken. Ein gemeinsames Vorgehen verschiedener Fachdisziplinen ist in unklaren
Fällen unerlässlich. Gegebenenfalls kann der HNO-ärztliche Eingriff gemeinsam mit
dem Gaumenspaltverschluss erfolgen und dem Kind so unnötige Komplikationen und eine
zusätzliche Narkose ersparen.
Sibylle Brosch, Ulm