Z Orthop Unfall 2010; 148(6): 639-640
DOI: 10.1055/s-0030-1250610
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit: Beweggründe – Entstehung – derzeitiger Stand

The Action Group Patient Safety: Motivation – Foundation – Current Status
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Publication Date:
15 December 2010 (online)

Table of Contents #

„Primum non nocere“

Dieses Zitat aus der antiken Medizin, ergänzt durch die gleichfalls aus dieser Zeit stammende Maxime „Salus aegroti suprema lex“ kennzeichnet Handlungsgrundsätze und Imperative gerade auch chirurgischen Handelns, deren Bedeutung L. Koslowski in seinem Aufsatz zum Thema „Maximen und Reflexionen eines Chirurgen – das chirurgische Ethos“ im Hinblick auf die Indikationsstellung zu operativen Eingriffen sowie deren Durchführung herausstellte [4]. Der diesjährige Deutsche Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) stand unter dem Motto „Sicherheit – Zuverlässigkeit – Innovation“, mit welchem die 3 Kongresspräsidenten D. Frank, N. Südkamp und H. Mälzer unter anderem auf die im Fokus der Patienten wie auch der Medien stehende, im täglichen ärztlichen Handeln so bedeutsame Sicherheit in der Medizin hingewiesen haben [2]. Sichere Medizin, so ihr Credo, sei eine gute Therapie und verschaffe den Ärzten Anerkennung für ihren täglichen Einsatz. Diagnostik und Therapie müssten hinsichtlich der angewandten Verfahren und der erreichten Ergebnisse zuverlässig sein. In ihrem Editorial zu Heft 5/2010 dieser Zeitschrift [2] geben sie der Erwartung Ausdruck, dass die zu dieser Thematik eingeladenen Referenten ihre jeweilige Position hinsichtlich der Sicherheit und Zuverlässigkeit eingesetzter diagnostischer und therapeutischer Verfahren darstellen werden. In mehreren Sitzungen auf dem DKOU wurden diesbezüglich Themen wie „Patientensicherheit in O und U: Konkret“, „Patienten- und Implantatsicherheit in der Endoprothetik“, „Vermeiden von und Lernen aus Schadensfällen“ sowie das „HOTT-Schockraum-Simulationstraining“ abgehandelt. Im Vorwort des Kongressprogramms schreiben die 3 Präsidenten, dass Arbeitsverdichtung und steigende Fallzahlen in Facharztpraxen bei Verkürzung der Liegezeiten in den Kliniken sowie die aus wirtschaftlichen Zwängen erwachsende stetige Steigerung der Leistungszahlen zu einer möglichen Zunahme der Fehlerquote führen könnten und dass es gelte, dies durch vorausschauende und nachhaltige Präventionsmaßnahmen zu vermeiden. Dazu könne die aktive Unterstützung von Aktionen zur Patientensicherheit durch die Fachgesellschaften einen wichtigen Beitrag leisten.

Auch die Politik hat sich mittlerweile dieser Thematik gewidmet. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Patientinnen und Patienten, MdB Wolfgang Zöller, weist mit seinem Beitrag in der Zeitschrift „Chefarzt aktuell Nr. 2/10“ [8] darauf hin, dass sich die Bürger im bestehenden Gesundheitssystem zunehmend ohnmächtig und hilflos fühlten. Sein Ziel sei es, dass das Patientenrechtegesetz für Klarheit dahingehend sorgt, auf welche Rechte und Pflichten die Beteiligten treffen. Ein wichtiges Thema seien Behandlungsfehler; Diskussionen zu dieser Thematik lösten unterschiedlichste, fast immer heftige Reaktionen aus. Patienten und Patientinnen hätten Angst vor unnötigem Leid, Ärzte und Ärztinnen hätten Angst davor, Leid zu verursachen und dafür an den Pranger gestellt zu werden.

Diese Einschätzung beinhaltet allerdings nichts gänzlich Neues. Bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts schreibt der amerikanische Arzt F. H. Hamilton in seinem Buch über „A practical treatise on fractures and dislocations“ Folgendes: „Der unglückliche Patient versucht sein Unglück wettzumachen, indem er sich an dem hart arbeitenden Chirurgen schadlos halten will, ohne Risiko und ohne Interesse zu prüfen, ob das, was er beklagt, sich als grundlos erweisen könnte. Der Prozess entleert die Brieftasche des Arztes und ruiniert seinen Beruf. Zahlen ist ruinös, prozessieren ist ruinös und unter ständiger Bedrohung zu leben ist ebenfalls ruinös. Der Kläger schleppt sein geschädigtes Bein herum, das von des Doktors Geld gestützt werden soll und der Doktor schleppt seinen geschädigten Ruf herum, der von niemandem gestützt wird.“

Man erkennt, die Problematik des Behandlungsfehlers ist keine gänzlich neue, geeignete Maßnahmen zu dessen Prävention und eine entsprechende Fehlerkultur sind jedoch eher Aktivitäten aus der jüngeren Vergangenheit entsprungen.

MdB Zöller möchte ein flächendeckendes Risikomanagement- und Fehlermeldesystem sowohl im ambulanten als auch stationären Sektor implementieren und sieht, wie auch die chirurgischen Fachgesellschaften, in der Fehlerprävention ein vorrangiges Ziel erkennen [3], [5]. Fehler müsse man nicht selbst machen, um aus ihnen zu lernen. Man benötige mehr Informationen über Schwachstellen in Behandlungsabläufen, was dazu beitragen könne, die Wiederholung von Fehlern zukünftig zu vermeiden.

Es ist noch in lebhafter Erinnerung, welches Medienecho im April 2005 die Ausführungen des damaligen Präsidenten der DGCH, M. Rothmund, zu Behandlungsfehlern in der Chirurgie ausgelöst hat. Zur gleichen Zeit wurde bereits das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. gegründet, welches seitdem in diversen Arbeitsgruppen Ziele zu unterschiedlichen Problemkreisen formulierte und entsprechende Maßnahmen empfahl. Diese Arbeitsgruppen waren bzw. sind mit den Themen „Eingriffsverwechslung“, „Patientenidentifikation“, „CIRS im Krankenhaus“, „Behandlungsfehlerregister“, „Arzneimitteltherapiesicherheit“, „belassene Fremdkörper im Operationsgebiet“, „Medizinprodukt-assoziierte Risiken“, „Bildung und Training“ sowie einigen anderen mehr befasst. Seit 2006 haben jährliche Tagungen zu unterschiedlichen Schwerpunktthemen stattgefunden [1].

Im April 2008 wurde die Task Force/AG Patientensicherheit der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) gegründet, als deren erste Ziele das Erstellen von Konzepten für die Umsetzung konkreter Projekte zur Patientensicherheit in den Kliniken, die Einrichtung einer Online-Bibliothek sowie die Veröffentlichung von Arbeiten zu dieser Thematik formuliert worden sind. Darüber hinaus wurde die schrittweise Implementierung von Trainingsformaten zur Patientensicherheit (Beispiel: „Safe-trac“ u. a.) beschlossen. In Heft 62 der „Mitteilungen und Nachrichten der DGU“ veröffentlicht der Generalsekretär der DGU, Prof. Dr. H. Siebert, eine Checkliste zur perioperativen Förderung der Patientensicherheit, die als gemeinsame Aktion aller chirurgischen Disziplinen im Interesse der perioperativen Sicherheit jedes einzelnen Patienten verwendet werden soll [5]. In der nämlichen Zeitschrift wird über die am 2. 10. 2009 erfolgte Gründung des Instituts für Patientensicherheit berichtet.

Heft 5/2010 der Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie enthält 2 Arbeiten, wovon eine sich mit dem Thema „Patientensicherheit in der Orthopädie“ auseinandersetzt [7], die andere unter dem Titel „Ein transparentes, abteilungsinternes Konzept des Komplikationsmanagements“ [6] Ergebnisse und Konsequenzen einer prospektiven lückenlosen Erfassung von Problemen und Risiken zur Erarbeitung therapierelevanter Konsequenzen benennt, wodurch kontinuierliche Verbesserungen in der Qualitätssicherung erzielt werden konnten.

Im Vorwort der Informationsbroschüre des Aktionsbündnisses Patientensicherheit [1] steht der Satz, dass dieses Thema in Deutschland mittlerweile kein Tabuthema mehr darstellt, sondern vielmehr ein solches, über das zu reden und für welches aktiv zu werden hohe Anerkennung fände. Die vielfältigen Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie bzw. der beiden Fachgesellschaften DGU und DGOOC auf diesem Gebiet geben beredtes Zeugnis dafür ab, dass diese Aussage keine hohle Phrase darstellt, sondern in diversen Projekten, Publikationen und Kursen beispielsweise als Simulationstraining in vielfältiger Art und Weise umgesetzt worden ist. Das durch erhöhte Transparenz und geordnete Abläufe gewachsene Vertrauen der uns anvertrauten Patienten geht einher mit erhöhter Sicherheit in unserem chirurgischen Handeln und damit einer kontinuierlichen Verringerung bzw. Beseitigung problembehafteter Situationen und Schnittstellen. Auf diese Art und Weise werden wir dem primären Ziel unserer Tätigkeit, nämlich dem Patienten nicht zu schaden, weil der Erhalt bzw. die Wiederherstellung von dessen Gesundheit und Wohlbefinden unsere oberste Maxime sein muss, am besten gerecht.

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K. Weise
Tübingen

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F. U. Niethard
Aachen

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Literatur

  • 1 Das Aktionsbündnis Patientensicherheit, Struktur – Aufgaben – Ziele. Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V., Mai 2010-11-22. 
  • 2 Frank D, Südkamp N, Mälzer H. DKOU 2010.  Z Orthop Unfall. 2010;  148 519
  • 3 Jaklin J. Haftpflichtschäden in der Orthopädie.  Der Chirurg BDC. 2009;  12 665-667
  • 4 Koslowski L. Chirurgie 1945 – 2000.. Stuttgart: Schattauer; 2001
  • 5 Siebert S. Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Qualität und Sicherheit der DGCH.  Mitteilungen und Nachrichten der DGU. 2010;  32 89
  • 6 Wagner G, Gritzbach B, Frank J et al. Ein transparentes, abteilungsinternes Konzept des Komplikationsmanagements: Ergebnisse und Konsequenzen.  Z Orthop Unfall. 2010;  148 520-524
  • 7 Wingenfeld C, Abbara-Czardybon M, Arbab D et al. Patientensicherheit in der Orthopädie: Implementierung und erste Erfahrungen mit DIRS und Team Time-out.  Z Orthop Unfall. 2010;  148 525-531
  • 8 Zöller W. Gastkommentar.  Chefarzt aktuell. Nr. 2/ 2010;  20-26

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Literatur

  • 1 Das Aktionsbündnis Patientensicherheit, Struktur – Aufgaben – Ziele. Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V., Mai 2010-11-22. 
  • 2 Frank D, Südkamp N, Mälzer H. DKOU 2010.  Z Orthop Unfall. 2010;  148 519
  • 3 Jaklin J. Haftpflichtschäden in der Orthopädie.  Der Chirurg BDC. 2009;  12 665-667
  • 4 Koslowski L. Chirurgie 1945 – 2000.. Stuttgart: Schattauer; 2001
  • 5 Siebert S. Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Qualität und Sicherheit der DGCH.  Mitteilungen und Nachrichten der DGU. 2010;  32 89
  • 6 Wagner G, Gritzbach B, Frank J et al. Ein transparentes, abteilungsinternes Konzept des Komplikationsmanagements: Ergebnisse und Konsequenzen.  Z Orthop Unfall. 2010;  148 520-524
  • 7 Wingenfeld C, Abbara-Czardybon M, Arbab D et al. Patientensicherheit in der Orthopädie: Implementierung und erste Erfahrungen mit DIRS und Team Time-out.  Z Orthop Unfall. 2010;  148 525-531
  • 8 Zöller W. Gastkommentar.  Chefarzt aktuell. Nr. 2/ 2010;  20-26

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