Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70(7): R46-R62
DOI: 10.1055/s-0030-1250181
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Psychische Störungen in den reproduktiven Phasen der Frau

J. Martini1 , S. Winkel1 , S. Knappe1 , J. Hoyer1
  • 1Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. Juli 2010 (online)

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Einleitung

Epidemiologische Studien zeigen bei Männern und Frauen in verschiedenen Altersgruppen unterschiedliche Prävalenzraten für psychische Störungen. So treten affektive, Angst-, somatoforme und Essstörungen bei Frauen häufiger auf als bei Männern. Andere Störungsklassen scheinen bei beiden Geschlechtern ähnlich verteilt zu sein (z. B. psychotische Störungen, bipolare Störungen), bzw. bei Männern häufiger vorzukommen (z. B. Substanzstörungen) [1].

Die Erklärung für die Frage, warum Frauen in vielen Bereichen häufiger von psychischen Störungen betroffen sind, kommt ohne die Berücksichtigung psychologischer und soziologischer Faktoren nicht aus. Zahlreiche Arbeiten betonen die Geschlechterrollen, eine geschlechtsspezifische Lerngeschichte, geringere Chancen auf sozialen Erfolg oder eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Traumatisierungen bei Frauen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Frauen psychische Symptome weniger stark verleugnen als Männer. Darüber hinaus wurden zahlreiche geschlechtsspezifische neuropsychologische, neuromorphologische und immunologische Besonderheiten beschrieben [2]. Ziel dieses Beitrags ist es, neben diesen wichtigen und nicht zu vernachlässigenden Aspekten die neuroendokrinologischen und hormonellen Besonderheiten für psychische Störungen bei Frauen in den Vordergrund zu stellen.

Aus dem Tiermodell und aus klinischen Beobachtungen ist bekannt, dass Geschlechtshormone neben ihrer genuinen Funktion im Rahmen der Fortpflanzung auch Effekte auf das zentrale Nervensystem haben. Sexualsteroide stehen mit unterschiedlichen Neurotransmittersystemen in Wechselwirkung und beeinflussen deshalb nicht nur die Fertilität und das reproduktive Verhalten, sondern ebenso eine Reihe nicht reproduktiver Funktionen, wie z. B. die Emotionalität und kognitive Funktionen [3]. Gleichzeitig unterliegen die hormonellen Abläufe außerdem der zentralen Kontrolle des hypothalamisch-hypophysären Systems, sodass psychische Faktoren, wie z. B. psychologischer Stress, auch die Hormonfreisetzung im Körper beeinflussen können [4]. Grundsätzlich sind Androgene, Östrogene und Gestagene sowohl bei Männern als auch bei Frauen nachweisbar, wobei geschlechtsspezifische Unterschiede in der Blutkonzentration sowie in der Syntheserhythmik bestehen [2]. Für Frauen können die hormonellen Veränderungen vom Beginn der Fertilität bis zum Klimakterium von besonderer Bedeutung für den Verlauf psychischer Störungen sein.

Die reproduktiven Phasen im Leben einer Frau sollen im Überblick dargestellt werden, wobei wir die möglichen Zusammenhänge mit psychischen Störungen erörtern und Behandlungsmöglichkeiten skizzieren.

Literatur

1 Überarbeitete Fassung des Beitrags: Martini J, Winkel S, Knappe S, Hoyer J. Psychische Störungen bei Frauen: Besonderheiten im Zusammenhang mit den reproduktiven Phasen. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2010; 4: 197–208.

Dipl.-Psych. Julia Martini

Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Technische Universität Dresden

Chemnitzer Straße 46

01187 Dresden

eMail: martini@psychologie.tu-dresden.de