Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70(7): 539-543
DOI: 10.1055/s-0030-1250068
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die fetale/neonatale Alloimmun-Thrombozytopenie (FNAIT)

Fetal Alloimune Thrombocytopenia (FNAIT)G. Giers1 , R. Riethmacher1 , F. Wenzel1 , 2 , B. Tutschek3 , 4
  • 1Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin, Düsseldorf
  • 2Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Transplantationsdiagnostik und Zelltherapeutika, Düsseldorf
  • 3Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
  • 4Universitäts-Frauenklinik, Inselspital, Bern, Schweiz
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Publikationsverlauf

eingereicht 1.3.2010 revidiert 14.4.2010

akzeptiert 6.5.2010

Publikationsdatum:
19. Juli 2010 (online)

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Zusammenfassung

Die fetale/neonatale Alloimmunthrombozytopenie (FNAIT) ist eine Inkompatibilität zwischen fetalen, vom Vater vererbten und mütterlichen Thrombozytenantigenen. Anders als bei der Rhesusinkompatibilität kommt es bei der FNAIT zu einer Immunisierung der Mutter mit nachfolgender Immunglobulin-G-Antikörperbildung (IgG-Ak) schon in der ersten Schwangerschaft und oft vor der 16. SSW. Die maternalen IgG‐Ak gelangen transplazentar in den fetalen Kreislauf und führen dort zu einem beschleunigten fetalen Thrombozytenabbau. Die schwerwiegendsten Komplikationen der FNAIT sind fetale intrazerebrale Blutungen, die unbehandelt in 14 % der Fälle vorkommen. Die am häufigsten involvierten Antigene bei FNAIT sind das HPA-1a-Antigen, gefolgt vom Antigen HPA-5, HPA-15 und HPA-3. Die Diagnose einer FNAIT wird durch Nachweis spezifischer maternaler Antikörper, korrespondierend zum paternalen Thrombozytenantigen, sowie einer fetalen Thrombozytopenie gestellt. Nach Sicherung der Diagnose erfolgt der Therapiebeginn ca. ab der 18. SSW. Dabei werden unterschiedliche therapeutische Ansätze, wie maternale i. v. Immunglobulininfusionen (IVIG), maternale IVIG-Infusionen mit zusätzlicher Kortisonmedikation und fetale, intrauterine Thrombozytentransfusionen angewandt, die z. T. auch kontrovers diskutiert werden. Unstrittig ist jedoch, dass der Therapiebeginn so früh wie möglich sein sollte. Gerade die (invasive) Transfusionsmethode kann die intrauterinen Blutungskomplikationen deutlich senken, hat aber ein (kumulatives) Eingriffsrisiko (Blutungsgefahr bei Nabelschnurpunktion). Vor invasiven Methoden sollten erst, falls die klinische Situation dies zulässt, die nicht invasiven therapeutischen Optionen zur Anwendung kommen. Die Geburt erfolgt in der Regel durch Sectio caesarea in oder ab der 35. Schwangerschaftswoche zur Vermeidung möglicher Blutungen sub partu. Die vaginale Geburt ist bei Feten mit kontrollierten Plättchenzahlen > 50 000/µl auch eine mögliche Option. Alle beschriebenen Therapien sollten jedoch nur unter optimalen Bedingungen bei eingespielter interdisziplinärer Zusammenarbeit durchgeführt werden.

Abstract

Fetal/neonatal alloimmune thrombocytopenia (FNAIT) is characterized by an incompatibility between maternal antibodies and paternally inherited fetal platelet antigens. Although it differs from fetal Rhesus disease, FNAIT also affects first pregnancies. The most severe fetal complication is intracerebral hemorrhage, which occurs in 14 % of affected fetuses. The most common causative antigen is HPA-1a, followed by HPA-5, HPA-15 and HPA-3. The diagnosis of FNAIT requires the presence of (i) fetal thrombocytopenia and (ii) maternal antibodies, corresponding to a paternal antigen. Therapy can be instituted from 18 weeks onward. Treatment strategies include maternally administered intravenous immunoglobulin infusion (IVIG) without or with steroids and fetal platelet transfusions. Intrauterine transfusion can clearly raise fetal platelets, but must be administered repeatedly (up to weekly) and carries a cumulative complication risk from the repeated fetal procedures. Therefore non-invasive methods have been sought. Delivery usually is done by cesarean section unless a safe fetal platelet count is documented. All therapies should be performed using an interdisciplinary approach.

Literatur

Priv.-Doz. Dr. med. habil. Dr. rer. nat. Günther Giers

Institut für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin
Universitätsklinkum Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

eMail: giers@uni-duesseldorf.de