ergopraxis 2010; 3(2): 13
DOI: 10.1055/s-0030-1248790
wissenschaft

Wissenschaft erklärt: Qualitative Studiendesigns – Weiche Daten erfassen

Jan Mehrholz
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Publication Date:
10 February 2010 (online)

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Durch qualitative Studien werden Daten verständlicher, die nicht mit Zahlen abzubilden sind. Zum Beispiel, welche Wünsche und Bedürfnisse Klienten haben – das sind wichtige Informationen für Ergotherapeuten. Jan Mehrholz stellt exemplarisch vier Studiendesigns vor.

Ergotherapeuten benötigen für ihre praktische Tätigkeit nicht nur moderne Interventionen, sondern auch Kenntnisse über die Erfahrungen und Werte ihrer Klienten. Sie sind somit auf Wissen angewiesen, das schwer zu quantifizieren ist. Qualitative Forschung kann diese klinisch relevanten Informationen liefern. Sie hält verschiedene Studiendesigns und Methoden bereit, anhand derer man beispielsweise herausfinden kann, wie zufrieden Klienten sind oder welche Ziele sie haben.

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Ethnografie untersucht die Geschichte des täglichen Lebens

Eine mögliche Form eines qualitativen Studiendesigns ist die Ethnografie. Sie konzentriert sich vor allem auf die Frage „Was ist die Kultur einer bestimmten Gruppe von Menschen?”. Ziel der ethnografischen Forschung ist es, die Geschichte des täglichen Lebens einer Gruppe möglichst vollständig abzubilden und deren Überzeugungen zu erkennen. Gruppen können hier Organisationen oder Vereinigungen sein. Eine Forschungsfrage lautet beispielsweise folgendermaßen: „Was macht die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe wie der Ergotherapie aus?” [1].

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Phänomenologie analysiert bestimmte Personen oder Erfahrungen

Die Phänomenologie beschreibt bestimmte Erfahrungen, zum Beispiel Trauer, Einsamkeit, Verlustangst oder auch das Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Partei. Die Forscher versuchen, sich in die Lebenswelt bestimmter und genau beschriebener Personen hineinzuversetzen und deren Erfahrungen zu deuten und zu interpretieren. Die Ausgangsfrage einer Studie lautet beispielsweise: „Wie ist die Akzeptanz der Akademisierung der Ergotherapie beziehungsweise wie werden Hochschulabsolventen im Alltag akzeptiert?” [2].

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Grounded Theory eignet sich für Fragen aus der Psychiatrie

Die sogenannte Grounded Theory bedeutet so viel wie gegenstandsverankerte Theoriebildung. Sie versucht, bestimmte soziale Prozesse innerhalb sozialer Situationen zu verstehen. Um beispielsweise besser verstehen zu können, wie bestimmte Klienten(-gruppen) Freude oder Angst beschreiben und begreifen, muss man sich ihnen mit verschiedenen Interviewtechniken möglichst unbefangen und schrittweise nähern. Dieses Studiendesign kommt vor allem in der Psychiatrie zum Einsatz. Eine Forschungsfrage könnte lauten: „Wie entwickelt sich die Arbeitszufriedenheit von Ergotherapeuten im Bereich Psychiatrie?” [3].

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Partizipative Handlungsforschung analysiert den Alltag des Einzelnen

Die partizipative Handlungsforschung untersucht unter anderem individuell erlebte Rahmenbedingungen bestimmter Personen. Zum Beispiel in enger Zusammenarbeit mittels Fokusgruppen und Einzelinterviews in Familien mit Kindern mit einer körperlichen oder einer geistigen Behinderung. Anhand der analysierten Alltagsanforderungen kann man individuelle Probleme, Barrieren oder Umfeldfaktoren erkennen und deren Bedeutung besser verstehen [4].

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Ein Studiendesigndschungel

Außer den genannten existieren noch viele weitere qualitative Studiendesigns. Leider lassen sich nicht alle Designs so klar und deutlich voneinander abgrenzen. Ein Umstand, der immer wieder an der qualitativen Forschung kritisiert wird: Sie sollte Ziele, Methoden und Ergebnisse nachvollziehbar beschreiben und analysieren.

Die Cochrane Qualitative Research Method Group ist seit einigen Jahren dabei, fachübergreifende Standards für qualitative Forschung und Studien zu entwickeln. Auf ihrer Internetseite www.joannabriggs.edu.au/cqrmg/about.html kann sich der Leser über den derzeitigen Stand der qualitativen Forschungsmethodik ein Bild machen. Die Seite enthält außerdem ein sinnvolles Studien- und Protokollregister sowie viele weitere Extras zu qualitativen Studien [5].