Wenn sich heute Menschen mit Mitte 60 aufmachen, um die Anden zu durchqueren oder
die Faszination anderer Kontinente zu erleben, dann ist dies längst keine Seltenheit
mehr. "Abenteuerreisen im Alter: Entwicklung und medizinische Besonderheiten", ist
eines der Themen, mit dem sich das 10. Forum Reisen und Gesundheit im Rahmen der weltweit
größten Reisemesse ITB, am 13. und 14. März in Berlin, beschäftigt. An beiden Tagen
referieren und diskutieren anerkannte Wissenschaftler, Reise- und Tropenmediziner,
Flug- und Sportmediziner, Internisten und Infektiologen, über das Schwerpunktthema:
"Abenteuerreisen - Aktuelle Themen der Prävention". Die Veranstalter, das CRM Centrum
für Reisemedizin, Düsseldorf, und der Gesundheitsdienst des Auswärtigen Amtes, erwarten
rund 500 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Ärztekammer Berlin hat die
Fortbildung mit 12 Punkten zertifiziert. Notfall & Hausarztmedizin sprach mit dem
Arzt und Geschäftsführer des CRM, Lothar Münnix.
? Es ist eine ungewöhnliche Idee, mit einer ärztlichen Fortbildungsveranstaltung auf
eine Fachmesse der Reisebranche zu gehen. Was hat das CRM dazu bewogen?
Lothar Münnix: Die Reisemedizin ist nicht nur ein interdisziplinäres Fachgebiet, sie erfordert auch
Kenntnis von der Vielfalt und den Möglichkeiten des Reisens. Dafür bietet die ITB
einen optimalen Rahmen. Natürlich gab es anfangs Ressentiments und die Reisebranche
war nicht uneingeschränkt begeistert, dass wir dort von möglichen Gesundheitsrisiken
und Infektionsgefahren sprechen, wo doch hauptsächlich die schöne und heile Welt verkauft
werden soll. Inzwischen hat sich aber viel verändert. Die Reisebranche möchte genau
wie wir, dass ihre Kunden gesund und sicher reisen, denn nur dann buchen sie erneut
ähnliche Reisen.
? Welche Rolle spielt nach Ihrer Erfahrung die Reisemedizin heute in der Hausarztpraxis?
Münnix: Jährlich führen über 40 Millionen Reisen ins Ausland. Kurzurlaube und berufliche
Reisen sind bei dieser großen Zahl noch nicht berücksichtigt. Allein das Volumen sagt
uns schon, dass nahezu jede Hausärztin oder jeder Hausarzt mit dem Thema konfrontiert
sein müsste. Die Frage ist nur, ob es auch konstruktiv im Praxisalltag umgesetzt wird.
? Wie meinen Sie das?
Münnix: Ganz einfach: wenn beispielsweise Patienten ab und zu nach ihren Urlaubsplänen gefragt
werden und man sie bittet, den Impfpass mitzubringen, dann verbindet man Fürsorge
für seine Patienten mit einem Gespräch, das emotional positiv besetzt ist. Impfleistungen
können zudem außerhalb des Praxisbudgets abgerechnet werden. Selbst die Reiseimpfungen
werden inzwischen von vielen Krankenkassen komplett übernommen. Wir führen auf unserer
Internetseite www.crm.de eine Liste: "Reisemedizin - wer zahlt?"
? Ist denn Reisemedizin vor allem Impfmedizin?
Münnix: Impfungen spielen in der Reisemedizin eine wichtige Rolle. Aber auch das Reiseziel,
der Reisestil und -zeitraum sowie die persönliche Konstitution des Reisenden sind
relevant. Wir bieten Ärzten in einer Reihe von Fortbildungen die Möglichkeit, sich
entsprechend zu qualifizieren. Das CRM-Basisseminar Reise- und Tropenmedizin entspricht
beispielsweise dem 32-stündigen Fortbildungscurriculum "Reisemedizinische Gesundheitsberatung"
der Bundesärztekammer und ist mit 32 CME-Punkten zertifiziert. Darüber hinaus unterstützen
wir die Ärzte nachhaltig, die über reisemedizinisch anerkannte Qualifikationen verfügen,
indem wir sie beispielsweise in unserer Internetliste veröffentlichen und diese Liste
jedes Jahr allen Reisebüros in Deutschland zusätzlich zur Verfügung stellen.
? Sollte Ihrer Ansicht nach jeder, der zum Beispiel ans Mittelmeer reist, zuvor zum
Hausarzt?
Münnix: Sicherlich nicht jeder, aber doch viele Reisende. Wir wissen, dass fast überall andere
Gesundheitsrisiken bestehen als zu Hause, und fast überall sind sie größer als daheim.
Wer denkt daran, seine Patienten nach einer Hepatitis-A-Impfung für die Mittelmeerreise
zu fragen oder auf die Gesundheitsrisiken durch Sonne, Hitze oder Mücken hinzuweisen?
In der Reisemedizin sind Prophylaxeempfehlungen zudem auch von saisonalen oder plötzlichen,
aktuellen Entwicklungen abhängig.
? Ist es für eine hausärztlich tätige Praxis überhaupt möglich, reisemedizinisch aktuell
zu beraten?
Münnix: Sicher, uneingeschränkt ja. Wir unterstützen Arztpraxen mit den CRM-Handbüchern,
dem aktuellen Infodienst Reisemedizin, einer reisemedizinischen Beratungssoftware,
unseren Internetseiten und dem geschlossenen Nutzerbereich sowie einem ärztlichen
Konsiliarservice schon seit vielen Jahren. So wie es wichtig ist, dass wir Ärzten
mit unserem Forum Reisen und Gesundheit im Rahmen der ITB ein ergänzendes und attraktives
Umfeld bieten, so werden wir auch weiterhin unsere Angebote an den Bedürfnissen der
Praxis ausrichten. Um dem immer knapper werdenden Zeitbudget der Ärzte gerecht zu
werden, haben wir jetzt das CRM-Online-Teaching entwickelt. Seit Oktober 2008 können
sich Ärzte über das Internet ein monatliches Update zur Weltseuchenlage ansehen. Außerdem
bieten wir jeden Monat vertiefend ein spezielles Thema der Reisemedizin an.
! Herr Münnix, wir bedanken uns für dieses Gespräch.