Aktuelle Neurologie 2010; 37(7): 315
DOI: 10.1055/s-0030-1248594
Editorial

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Hygieneskandal in Mainz: Wo bleibt die Entschuldigung?

Hygiene Scandal in Mainz: Where is the Apology?H.-C.  Diener1
  • 1Universitätsklinik für Neurologie und Westdeutsches Kopfschmerz-Zentrum, Essen
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Publication Date:
05 October 2010 (online)

Prof. Dr. H.-C. Diener

Der „Hygieneskandal” an der Universitätsklinik in Mainz ist ein typisches Beispiel dafür, wie in der Zwischenzeit in der Öffentlichkeit und in der Politik mit Problemen im Gesundheitswesen umgegangen wird. Auf tragische Weise waren mehrere Säuglinge durch eine verunreinigte Infusion an der Universitätsklinik in Mainz schwer erkrankt und 3 dieser Säuglinge verstarben. Dies führte sofort sowohl in der Boulevardpresse als auch in seriösen Zeitungen und Zeitschriften zu dem Vorwurf schwerwiegender hygienischer Mängel entweder im Bereich der Station, auf der sich die erkrankten Babys befanden oder im Bereich der hauseigenen Apotheke des Universitätsklinikums in Mainz. Wie üblich in diesen Fällen, wurden auch sofort Horrorzahlen in den entsprechenden Medien publik gemacht. So titelte die Bildzeitung am 24.8.2010 „bis zu 600 000 Menschen infizieren sich jährlich in deutschen Kliniken an Krankheitserregern und bis zu 40 000 Patienten sterben jedes Jahr an diesen Infektionen”. Der Gesundheitsminister Philipp Rösler ließ mitteilen, dass er sich mit den Bundesländern über neue Regelungen zur Hygiene in deutschen Krankenhäusern beraten wolle. Sein Ministerium plädierte für bundeseinheitliche Hygieneregelungen (diese obliegen im Moment der Verantwortung der Bundesländer). Im Nachhinein stellt sich jetzt heraus, dass der Fehler weder beim Pflegepersonal der Säuglingsstation, noch in der Apotheke des Universitätsklinikums in Mainz lag, ganz offenbar war eine Infusionslösung bereits auf dem Weg in das Universitätsklinikum in Mainz durch Bakterien verunreinigt worden. Nachdem alle Zeitungen voll vom „Hygieneskandal” waren, frage ich mich, warum es die entsprechenden Medien nicht für nötig befunden haben, sich jetzt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitätsklinik in Mainz zu entschuldigen. Auch die Politik würde gut daran tun, ihre überzogenen Reaktionen mit Schüssen aus der Hüfte zu relativieren. Deutschland hat extrem gute Hygienevorschriften und diese werden auch in fast allen Fällen befolgt. Es gibt u. a. aber 4 Gründe, warum die Hygiene in Krankenhäusern trotzdem ein zunehmendes Problem ist:

Die Zahlen von Patienten, die bereits mit antibiotikaresistenten Keimen ins Krankenhaus aufgenommen werden, steigen rapide. Durch die extreme Arbeitsverdichtung im Pflegebereich durch Abbau von Stellen und höhere Arbeitsbelastung ist es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegebereich allein schon aus Zeitgründen immer schwieriger die Hygienevorschriften bis ins kleinste Detail zu beachten. Auch heute noch haben viele Intensivstationen bauliche Mängel. So verfügen keineswegs alle Intensivstationen über Einzelboxen. Hier wären tatsächlich erhebliche Investitionen notwendig, um die Einzelboxen einzurichten, die aus hygienischer Sicht natürlich sehr viel unproblematischer sind als Mehrbettzimmer. Unbestritten ist allerdings, dass im Krankenhaus generell noch nicht bei allen Mitarbeitern das Bewusstsein vorhanden ist, dass regelmäßiges Händewaschen und eine regelmäßige Desinfektion der Hände von großer Wichtigkeit ist. Noch wichtiger wäre aber der erste Schritt der Krankenhaushygiene, nämlich das Vermeiden des in Deutschland üblichen Händeschüttelns bei der Begrüßung.

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Neurologische Klinik und Poliklinik
Universität Duisburg-Essen

Hufelandstr. 55

45147 Essen

Email: hans.diener@uni-due.de

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