Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11(3): 112-122
DOI: 10.1055/s-0030-1248421
Leitlinie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sedierung in der Palliativmedizin – Leitlinie[1] für den Einsatz sedierender Maßnahmen in der Palliativversorgung

European Association for Palliative Care (EAPC) Recommended Framework for the Use of Sedation in Palliative Careübersetzt von B.  Alt-Epping, T.  Sitte, F.  Nauck, L.  Radbruch Original von: Nathan I Cherny, Lukas Radbruch. EAPC recommended framework for the use of sedation in Palliative Care. Pall Med 2009; 23 (7): 581–593
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. Mai 2010 (online)

Preview

Zusammenfassung

Die European Association for Palliative Care (EAPC) betrachtet die palliative Sedierung als wichtige und notwendige Behandlungsoption für ausgewählte Patienten, die unter sonst therapierefraktären Symptomen leiden. Die Anwendung dieser Maßnahme erfordert entsprechende Sorgfalt als auch klinische Erfahrung („good clinical practice”). Eine Nichtbeachtung der potenziellen Risiken kann schädigendes und unethisches Handeln nach sich ziehen, welches die Glaubwürdigkeit und die Reputation der verantwortlichen Therapeuten und Institutionen, als auch der Palliativmedizin insgesamt, beeinträchtigen kann. Verfahrensorientierte Leitlinien tragen dazu bei, medizinisches Personal zu schulen, Standards für die optimale Versorgung zu setzen und die wichtige Information zu vermitteln, dass palliative Sedierung genau dann eine akzeptierte und ethisch gerechtfertigte Vorgehensweise darstellt, wenn sie in bestimmten angemessenen Situationen eingesetzt wird. Die EAPC ist bestrebt, die Entwicklung solcher Behandlungsstandards durch ein 10-Punkte-Rahmenprogramm im Sinne einer Leitlinie zu fördern, welches auf bereits bestehenden Standards, auf wissenschaftlichen Untersuchungen und auf Reviews beruht.

Abstract

The European Association for Palliative Care (EAPC) considers sedation to be an important and necessary therapy in the care of selected palliative care patients with otherwise refractory distress. Prudent application of this approach requires due caution and good clinical practice. Inattention to potential risks and problematic practices can lead to harmful and unethical practice which may undermine the credibility and reputation of responsible clinicians and institutions as well as the discipline of palliative medicine more generally. Procedural guidelines are helpful to educate medical providers, set standards for best practice, promote optimal care and convey the important message to staff, patients and families that palliative sedation is an accepted, ethical practice when used in appropriate situations. EAPC aims to facilitate the development of such guidelines by presenting a 10-point framework that is based on the pre-existing guidelines and literature and extensive peer review.

1 Im Titel des Originaltextes findet sich das Wort framework, in dem sich widerspiegelt, dass es sich keineswegs um direktive Vorgaben, als eher um einen Handlungsrahmen handelt, der in Form von nationalen Leitlinien oder lokalen Standards bzw. Verfahrensanweisungen entsprechend den jeweiligen kulturellen und regionalen Besonderheiten weiter ausgestaltet und auf individuelle klinische Situationen angewendet werden sollte. Die Vorgabe eines solchen Handlungskorridors, der die Rechtsqualität einer Empfehlung hat, wird in der deutschen Nomenklatur des Qualitätsmanagements als Leitlinie bezeichnet – im Gegensatz zu einer Richtlinie, die in ihrem Geltungsbereich rechtsverbindlichen Charakter hat.

Literatur

1 Im Titel des Originaltextes findet sich das Wort framework, in dem sich widerspiegelt, dass es sich keineswegs um direktive Vorgaben, als eher um einen Handlungsrahmen handelt, der in Form von nationalen Leitlinien oder lokalen Standards bzw. Verfahrensanweisungen entsprechend den jeweiligen kulturellen und regionalen Besonderheiten weiter ausgestaltet und auf individuelle klinische Situationen angewendet werden sollte. Die Vorgabe eines solchen Handlungskorridors, der die Rechtsqualität einer Empfehlung hat, wird in der deutschen Nomenklatur des Qualitätsmanagements als Leitlinie bezeichnet – im Gegensatz zu einer Richtlinie, die in ihrem Geltungsbereich rechtsverbindlichen Charakter hat.

2 Klinische Erfahrung bedeutet, dass die Verantwortlichen neben dem Expertenwissen umfangreiche praktische Erfahrung im Umgang mit komplexer Symptomkontrolle erworben haben sollen, dies kann sowohl im Bereich der stationären als auch in der ambulanten Versorgung geschehen.

3 Im Falle dieser unerwünschten Wirkung mit gleichzeitig großer Sedierungstiefe würde die Sedierungsdosis reduziert werden.

4 Im Original catastrophic events.

5 Für die Praxis bedeutet das, dass auf Patient und Angehörige auch frühzeitig aktiv zugegangen werden sollte, um möglicherweise notwendige Vorgehensweisen im Vorfeld zu besprechen.

6 Im Original overwhelming pain crisis.

7 Auch hier ist hervorzuheben, dass eine Entscheidung auf Konsens beruhen sollte. Dies gilt insbesondere für Einrichtungen der Pflege und ein stationäres Umfeld. Meist sind hier viele Betreuende emotional involviert. Die Verantwortung für die Therapie übernimmt nach der Rechtslage in Deutschland der behandelnde Arzt. Angehörige und die anderen Betreuer sind im Sinne des Patientenwillens beratend, aber nicht in letzter Verantwortung tätig.

8 Im Original severe distress while actively dying.

9 Im Original emergency situations at the end of life.

10 Der im Original verwendete Begriff suffering umfasst körperliches und psychisches Leiden.

11 Im Original to ensure comfort macht deutlich, dass eine rein technologische Symptomkontrolle nur einen Teil der Palliativversorgung umfasst.

12 Im Original befindet sich hier ein kurzer Abschnitt zu Barbituraten, auf den wir bewusst verzichtet haben. Barbiturate haben in Deutschland einen eingeschränkten Zulassungsstatus und werden derzeit in den Nachbarländern zur aktiven Tötung eingesetzt. In den seltenen Fällen, in denen sie im Rahmen der palliativen Sedierung zur Anwendung kommen sollen, müssen sie von Experten mit der notwendigen Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein eingesetzt werden.

Dr. Bernd Alt-Epping

Abteilung Palliativmedizin, Universitätsmedizin Göttingen

Robert-Koch-Straße 40

37075 Göttingen

eMail: bernd.alt-epping@med.uni-goettingen.de