Endoskopie heute 2010; 23(2): 107
DOI: 10.1055/s-0030-1247443
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Kapselendoskopie – Quo Vadis?

Capsule Endoscopy – Quo Vadis?M. Keuchel, S. Hollerbach, U. Seitz
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Publication Date:
20 July 2010 (online)

Die ersten Bilder aus dem Dünndarm, vor 10 Jahren mit der drahtlosen Videokapsel gefilmt und aus dem Inneren des Körpers gefunkt, lösten wahre Begeisterung aus. Diese Begeisterung war besonders groß, wenn gar die lange vergebens ­gesuchte Quelle einer obskuren Blutung identifiziert werden konnte. 

Heute ist aus der Begeisterung eine nützliche, aber zeitaufwändige Routine-Methode geworden. Die spannungsvolle Erwartung der Anfangszeit, in der wir wie gebannt die Videos betrachtet haben (selbst wenn Details nicht so genau zu erkennen waren), ist einer routinierten Diagnostik gewichen. Heute werden andere Fragen gestellt, z. B. ob die Bildqualität mittlerweile denn auch dem hohen Standard der modernen Videoendo­skope entspricht, wer das Ganze bezahlt, ob diese Kapsel-Untersuchung durch ausreichend gut geplante, prospektive – möglichst randomisierte und meta-analysierte – Studien validiert wurde –, und ob die Qualität gesichert ist. Es reicht nicht mehr aus, dass diese Untersuchung Arzt und ­Patient begeistert, sondern sie muss auch einen klinischen „Impact“ besitzen und letztlich das „Out­come“ des Patienten günstig beeinflussen – nach Indikationen getrennt versteht sich, sowie unter Berücksichtigung möglicher prädiktiver Faktoren. 

Das Maß an Qualitätssicherung, wie sie für die Vorsorgekoloskopie vorbildlich etabliert wurde, ist sicher bei der Kapselendoskopie noch nicht ­erreicht. Es bleibt aber zu hoffen, dass die indikationsbezogene Koloskopie nicht irgendwann derart hinterfragt wird, wie es bei dem Einsatz der Kapselendoskopie der Fall ist. 

Nachdem nun auch technische Nachfragen zum Kapselendoskopie-System zunächst einmal mit einer Bearbeitungsnummer beantwortet werden und das Interesse sich etwas in Richtung Ballon-Enteroskopie und Spirale verlagert hat, sehnt sich so mancher Kollege den Pioniergeist der ­Anfangszeit der Kapselendoskopie zurück. Und schon taucht er wieder auf – der alte Pioniergeist: beim Thema „Ösophaguskapsel“ (= hier wird es vermutlich demnächst auch erst mal dabei bleiben) – und beim Thema Kolonkapsel. Hierbei keimt die Hoffnung auf, durch technische Weiterentwicklungen und Training in der Auswertung die Ergebnisse vergleichender Studien über die Zeit zu verbessern und mögliche Indikationen klarer zu definieren. Über allen Bemühungen hängt jedoch das Damokles-Schwert des Kostendruckes. So ist in Deutschland keine Kapselendoskopie zum Preis einer Koloskopie zu erhalten – schon aufgrund des Preises der Kapsel. 

Die Hoffnung besteht aber weiterhin, die Auswertezeit der Kapselendoskopie durch optimierte, automatische Befundungs-Algorithmen ähnlich einem „Langzeit-EKG“ verkürzen zu können. Der Traum von der steuerbaren Kapsel mit multiplen Diagnostik- und Therapieoptionen erscheint uns in der Realität wieder ein Stück näher gekommen zu sein – ein solches System müsste sich aber dem Vergleich mit den bereits etablierten Enteroskopie-Systemen stellen. 

Dieses Heft von Endo heute widmet sich schwerpunktmäßig der Kapselendoskopie. Basierend auf dem Kapsel Update 2010 anlässlich der dies­jährigen Jahrestagung der DGE-BV in Hannover, präsentieren die Autoren sowohl die aktuelle Evidenz zu sinnvoller Vorbereitung und Vordiagnostik bei der Dünndarmkapsel, zur mittleren GI-Blutung und zum Morbus Crohn, wie auch dem Thema „Kapselendoskopie und Dünndarmtumoren“. Ferner wird der aktuelle Stand zur Öso­phagus- und zur Kolonkapsel präsentiert und ­aktuelle Entwicklungen der Kapsel-Forschung angesprochen. Die Mischung aus evidenz- und qualitätsgesichertem Einsatz in der gastroenterologischen Routinediagnostik mit einem Quantum Experimentierfreude macht das Thema Kapsel­endoskopie auch weiterhin spannend. 

M. Keuchel, S. Hollerbach, U. Seitz

Dr. M. Keuchel

1. Medizinische Abteilung · Asklepios Klinik Altona

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